Jahresausgabe

Kern und Mitterlehner: "2022 war das Jahr der Korrumpierung"

Die Globalisierung ist am Ende. Österreich brauche ein neues Wirtschafts- und Geschäftsmodell, ist dafür aber nicht gerüstet. Und die Politik schafft es nicht, Visionen zu entwickeln. Davon sind Christian Kern, Ex-Bundeskanzler, und Reinhold Mitterlehner, Ex-Vizekanzler, überzeugt.

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Wie haben Sie einander zuletzt gesehen?
Kern
Ab und zu besprechen wir die Lage der Welt.
Mitterlehner
Wenn politisch viel los ist, telefonieren wir, manchmal treffen wir uns.
Teuerung, Energiekrise, Krieg: Sitzen Sie ungeduldig auf der Zuschauerbank und würden gerne eingreifen?
Mitterlehner
Politik ist komplexer geworden. Ich bin froh, dass ich nicht mehr Politiker bin, bleibe aber ein politischer Mensch.
Kern
Wir erleben enorme Veränderungen. Leider reagiert die Politik mit Agonie. Das bereitet mir Sorgen. Man sollte Politik nicht den Amtsträgern überlassen. Viele fragen sich gerade: Wo führt das hin?
Mitterlehner
In Deutschland ist Zeitenwende Wort des Jahres. Bei uns hat die Politik die Trendbrüche nicht vollzogen.

"Diese spätpubertäre Masters-of-the-Universe - Tonalität in den Chats zeugt von Machtrausch." - Christian Kern 

Woran liegt das?
Kern
Die Reaktion der Politik erschöpft sich in Aneinanderreihung von Einzelmaßnahmen und gibt keine Antwort auf die Frage, wie der Wohlstand gesichert wird. Die Politik denkt zu stark im Rhythmus von Kommentaren in "Kronen-Zeitung" & Co.
Mitterlehner
Politik war lange darauf konditioniert, Benefits zu verteilen. Derzeit müsste sie auch Unpopuläres tun. Das ist der Politik nicht geläufig.
Kern
Lange herrschte ein Primat der Ökonomie. Den wirtschaftlichen Interessen wurde alles untergeordnet. Bei Themen wie Klimawandel, Corona, Energiekrise verschiebt sich das Primat zur Politik. Darauf ist die Politik nicht vorbereitet, sie ist außerstande, Visionen zu entwickeln.
Mitterlehner
Derzeit dominieren Themen, die uns jahrzehntelang nicht beschäftigten, etwa die Sicherheit, die Inflation oder die Klimafrage. Damit ändert sich das Anforderungsprofil an Politik.
Kann man in Krisen unpopuläre Maßnahmen setzen?
Mitterlehner
Der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher sagte: Man muss das Richtige tun und es populär machen. Die Politik muss den Menschen unbequeme Wahrheiten zumuten.
Kern
Jetzt ist No-Bullshit-Politik gefragt. Das hat man verlernt. Der deutsche Kanzler Helmut Schmidt war überzeugt, dass man sich nicht am gesunden Volksempfinden orientieren darf. Zu oft passiert das Gegenteil, etwa beim Schengen-Veto: Losgelöst von Fakten wird Politik gemacht, die man für mehrheitsfähig hält.
Mitterlehner
Der Migrationsdruck ist ein Problem. Die ÖVP setzt das richtige Thema, aber die Veto-Keule ist problematisch, damit begibt sich Österreich auf Orbán- Niveau. Man muss das anders lösen. Sonst profitiert nur die FPÖ.
Auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi- Wagner ist auf Veto-Linie.
Kern
Leider! Der Druck kann hoch sein, mehrheitsfähige Positionen zu formulieren. Ich habe auch den Fehler gemacht, Diskussionen nicht mit der nötigen Wucht geführt zu haben. So findet man nie Mehrheiten für neue Politik, setzt das Alte fort und kommt höchstens im Schlafwagen ins Kanzleramt.
Mitterlehner
Und mit dem Express hinaus.

"Viele Republikaner verurteilen die Aufwiegelung im Kapitol, können sich aber nicht von Donald Trump lösen. Das gleiche Dilemma hat die ÖVP." - Reinhold Mitterlehner

Warum tun sich ÖVP und SPÖ so schwer mit dem Thema Migration/Asyl?
Mitterlehner
Wenn es wie bei der Ukraine um Nachbarschaftshilfe geht, überwiegt Hilfsbereitschaft. Aus Syrien oder Afghanistan kommen junge Männer, werden in Hallen zusammengepfercht, dürfen nicht arbeiten. Das erzeugt Ängste. Man müsste das Problem europäisch lösen. Leider passierte seit 2015 wenig, man lässt die Staaten allein. In Österreich funktioniert die Zusammenarbeit von Bund und Ländern nicht. Sonst würden nicht im Winter Zelte für Flüchtlinge aufgestellt. Das verursacht bei der Bevölkerung Angst und ist letztlich ein Armutszeugnis.
Kern
Wer sich der Rhetorik der Zuspitzung bedient, ist an Lösungen nicht interessiert. Wir hatten im Jänner 2017 ein Integrationspaket vereinbart. Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache stoppten das. Kurz wollte die Probleme durch Nichthandeln vergrößern. Migration war der Stoff, aus dem seine Karriereträume geschmiedet waren.
Mitterlehner
Da baute man Feindbilder auf, statt sachlich zu diskutieren.
Ist sachliche Diskussion zu Migration noch möglich?
Mitterlehner
Kaum. Wir verzeichnen als Folge der Politik einen Rechtsruck in der Gesellschaft.
Kern
2022 war das Jahr der Korrumpierung der politischen und gesellschaftlichen Eliten. Allein der Umstand, dass mit Sophie Karmasin eine ehemalige Ministerin angeklagt wird, erzeugt Fassungslosigkeit. Vermeintliche Wirtschaftszampanos entpuppen sich als Steuervermeider. Nun gibt es zwei Szenarien: Das Vertrauen bricht weg, die Lage eskaliert bis zur politischen Radikalisierung. Oder das politische Zentrum setzt dem etwas entgegen.
Mitterlehner
Der Cocktail aus Korruption und Krisen ist Gift. Die Themen werden komplexer, gleichzeitig verliert die Politik Vertrauen, in Österreich stärker als in Gesamteuropa. Wir brauchen dringend Systemverbesserungen.
Welche?
Mitterlehner
Transparenz ist entscheidend. Es gab ein Antikorruptionsvolksbegehren, aber die Transparenzgesetze liegen auf der langen Bank. Das ist fatal. Und die Ausrede, dass die Österreicher andere Probleme hätten, kann ich nicht mehr hören.
Der Zorn ist groß, wie bei der Bundespräsidentschaftswahl deutlich wurde, wo Extremisten viele Stimmen bekamen.
Mitterlehner
Das lag auch daran, dass ÖVP und SPÖ offensichtlich zu feig waren, Kandidaten aufzustellen. Dadurch entstand nie ein Wahlkampf, wir haben uns nur mit Skurrilitäten herumgeschlagen.
Kern
Politik wird labiler. Ich war 2018 bei Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, danach bei der lange dominierenden Schwesterpartei SP in ihrem Palais in der Pariser Innenstadt. Ich war dort der letzte Gast. Es standen Umzugskisten herum, Mitarbeiter und Mietvertrag waren gekündigt. Das zeigt, wie schnell eine Partei in die Bedeutungslosigkeit rasseln kann.
Sie haben Marco Pogo getroffen. Ist er ein Hoffnungsträger?
Kern
Der Typ hat das Herz am richtigen Fleck. Seine Wähler muss man sich genau anschauen. Wenn die SPÖ für diese jungen, urbanen Menschen nicht attraktiv ist, hat sie ein Problem.
Mitterlehner
Die Gesellschaft wandelt sich. Es werden sich neue Parteien bilden, manche als temporäre Erscheinungen wie die MFG. Auch das ist ein Resultat des strukturellen Wandels. Kern: Österreichs Geschäftsmodell lautete: Ordentliche Löhne, soziale Infrastruktur, billige Energie. Dieses Modell ist zerstört. Damit kommt die Industrie, die 28 Prozent des BIP ausmacht, massiv unter Druck. Das erzeugt Anpassungsschmerzen, unsere Strukturen sind nicht bereit für die Transformation zur wissensorientierten Gesellschaft. Wir geben viel Geld für Bildung und Gesundheit aus und sind trotzdem nicht Weltspitze. Der Reformbedarf ist groß. Aber alle Parteien verteilen am liebsten Geld.
 Auch jetzt. Strompreisbremse, Antiteuerungspaket, es wird viel Geld verteilt.
Kern
Das ist das Leichteste. Die Frage der Zukunft lautet aber: "Wo kommt der Wohlstand her, den wir verteilen möchten?"
Mitterlehner
Die Globalisierung ist de facto am Ende. Die Lieferketten aus Asien sind brüchig geworden. Die Pandemie zeigte die Abhängigkeiten, das neue Thema heißt Resilienz. Wir müssen regional widerstandsfähiger werden. Das wird teils teurer, aber es werden neue Chancen entstehen.
Kern
Ich kenne kaum Unternehmer, die in Europa investieren wollen. Alle blicken in die USA, besonders in Zukunftsindustrien wie Umwelttechnologie. Und den Niedergang spüren die Menschen, das erzeugt Verunsicherung.
Mitterlehner
Die USA versuchen, europäische Unternehmen aus China anzulocken. Europa bleibt auf der Strecke. Die Gefahr existiert, dass Industrieinvestitionen wegen der teuren Energie nicht in Europa getätigt werden.
Kern
Damit wird das marktliberale Dogma pulverisiert. Selbst konservative Politiker wie Boris Johnson oder Liz Truss agierten interventionistischer als linkslinke Sozialdemokraten sich das getraut hätten.
Mitterlehner
Besonders im Energiebereich wird ein gewisses Marktversagen deutlich. Das Merit-Order-System unterläuft den freien Wettbewerb.
Sie waren Energieminister. Wäre es richtig, Teile der OMV zu verstaatlichen?
Mitterlehner
Ein verstaatlichtes Unternehmen trägt, auf Kosten der Allgemeinheit, das Risiko der Preisschwankungen leichter als ein auf Gewinn ausgerichtetes börsennotiertes Unternehmen. Im Endeffekt braucht man die Mischung zwischen etatistischen und marktwirtschaftlichen Elementen.
Kern
Der Regierung braucht eine die längerfristige Vision. Die Politik ist dazu verdammt, Lösungen zu finden, wie die Wirtschaft wächst und die Klimakatastrophe verhindert wird. 33 Länder haben es geschafft, CO2 Emissionen und Wirtschaftswachstum zu entkoppeln. Es geht, wenn man will.
Mitterlehner
Österreich betreibt Horuck-Politik: Im Sommer wurde eine Gasreserve angelegt, jetzt ist der Preis um die Hälfte gefallen. Und Österreich sitzt am Gas.
Für die Krisen bräuchte es Politik mit Weitblick. Rächt es sich, dass Politiker zu stark auf Umfragen fixiert waren?
Kern
Da wurden Generationen von Politikern verzogen. Die Fähigkeit, Probleme zu lösen und nicht nur zu benennen, kam abhanden. Die Beamtenschaft wurde entmachtet, damit erodierten die Apparate. Sektionschefs im Finanzministerium waren früher internationale Top-Experten. Heute sitzen dort Pressesprecher. Das System wurde unter Türkis füsiliert.
Mitterlehner
Das Hauptproblem bei Sebastian Kurz war, dass das Marketing mit dem Produkt nicht übereinstimmte. Kurz hielt seine Versprechen nicht, es gab keinen neuen Stil. In der Corona- Pandemie gab es statt Krisenmanagement Showpolitik, wie die Ankündigung, russischen Impfstoff zu kaufen, oder die Krise für beendet zu erklären.
Kurz hat Sie Ihre Jobs gekostet. Empfinden Sie nun Schadenfreude?
Mitterlehner
Nein, aber so etwas wie Gerechtigkeitsempfinden. Niemand soll naiv sein: Intrigen sind in der Politik leider üblich, um an die Spitze einer Partei zu kommen. Aber systematisch Erfolge der eigenen Regierung zu unterlaufen, um nicht auf der Wartebank zu sitzen, das hat nur Kurz gemacht. Er hat unser Regierungsprogramm mit unlauteren Methoden torpediert. Gerade, als sich die Erfolge bei Wirtschaft und Arbeitsmarkt schon abzeichneten. Ich bin froh, dass ein derartiges System keinen Bestand hatte.
Es bleiben Ermittlungen gegen ÖVP-Politiker.
Mitterlehner
Ich hätte mir gewünscht, dass in der ÖVP auch eine politische Reflexion stattfindet. Das ist leider ausgeblieben. Ein Teil der ÖVP glaubt, Kurz sei Opfer und nicht Täter. Das grenzt an Realitätsverlust.
Kern
Diese spätpubertäre Masters-of-the-Universe- Tonalität in den Chats zeugt von Machtrausch. Mitterlehner: Mich störte schon, dass man nicht wie eine Volkspartei sozial ausgleichend agierte, sondern bevorzugt bestimmte elitäre Schichten vertrat.

"Hans Peter Doskozil agiert wie eine plumpe Variante von Sebastian Kurz, weil er in aller Öffentlichkeit die Demontage betreibt." - Reinhold Mitterlehner. 

Stichwort "Hure der Reichen".
Mitterlehner
Das sagte Schmid. Tatsächlich gab es für Reiche Interventionen in Steuerangelegenheiten, während der Durchschnittsbürger nicht einmal per Telefon ins Ministerium durchdringt, Postenschacher mit maßgeschneiderten Ausschreibungen, Aufsichtsräte mit bevorzugter Qualifikation, "steuerbar" zu sein. Von gekauften Umfragen gar nicht zu reden. All das ist evident, kein Verantwortlicher hat es aber zugegeben oder gar bedauert.
Kern
Man muss der Justiz Respekt zollen. Wenn Türkis-Blau weiter regiert hätte, wäre Österreich in Richtung einer ungarischen Demokratie gegangen.
Mitterlehner
Österreich bewegte sich in Richtung einer autokratischen Herrschaftsform, mit Beeinflussung von Medien und Justiz, mit Kleinhalten des Parlaments.
Es gab großen Hype um Kurz. Hätte man merken können, dass er vor allem Show bot?
Kern
Mir kann keiner vorwerfen, dass ich es nicht gesagt hätte. Es wollte nur keiner hören. Ich nannte seine Schließung der Mittelmeer-Route "Vollholler", das war hundertprozentig richtig. Bei Kurz hatte nichts Substanz. Er kam als designierter ÖVP-Obmann ins Kanzleramt, und wir gingen die Vereinbarungen zwischen SPÖ und ÖVP durch: Integrationspaket, Bildungsreform, Sicherheitspolizeigesetz. Kurz war inhaltlich gänzlich desinteressiert.
Mitterlehner
Es gab eine Erwartungshaltung, sich von Gewohntem zu verabschieden. Die Große Koalition war vielen fad, insbesondere Journalisten.
Auch ÖVP und SPÖ.
Mitterlehner
Daher gab es Veränderungsdruck. Sebastian Kurz gelang es genial, den Eindruck zu erwecken, er wäre nicht Part dieser Regierung, sondern der geschätzte Außenminister, der einen anderen Stil hat. Einige hochrangige Politiker in der Europäischen Volkspartei erkannten bald, dass Kurz blufft. Von seiner Kanzlerschaft profitierten weder Land noch ÖVP nachhaltig. Wie gewonnen, so zerronnen. Von ihm bleiben nur Korruptionsaffären und verschobene Reformen.
Kern
Ich werde oft gefragt, ob ich Kurz verhindern hätte können, wenn die SPÖ im Jänner 2017, nach der Präsentation des Plan A, in Neuwahlen gegangen wäre. Das hätte aber nichts geändert. Wir hätten auch nach Neuwahlen keinen anderen Regierungspartner als die ÖVP gehabt.
Müsste sich die ÖVP heute von Kurz distanzieren?
Mitterlehner
Es müsste Selbstreflexion statt versuchtem Aussitzen stattfinden. Es reicht nicht, auf die Gerichte zu warten. Es gibt auch politische und moralische Verantwortung. Kurz gewann Wahlen, das überstrahlt für manche alles. Das kann man mit Donald Trump und den Republikanern vergleichen. Viele verurteilen die Aufwiegelung im Kapitol, können sich aber nicht von Trump lösen. Das gleiche Dilemma hat die ÖVP. Sie löst sich nicht, betraut sogar Kurz-Vertrauten Gerald Fleischmann mit der Kommunikation. Eine fatale Fehlentscheidung. Die ÖVP wird ohne klaren Schnitt jahrelang mit dem Thema Korruption konfrontiert werden.
Zwei Chefredakteure sind wegen Chats zurückgetreten. Gibt es zu viel Verhaberung zwischen Medien und Politik?
Kern
Die Korrumpierung des Jahres 2022 betrifft auch die Medien.
Mitterlehner
Das Verhältnis zwischen Politik und Medien ist viel zu eng. Man könnte sich Deutschland zum Vorbild nehmen. Und man muss sich überlegen, ob man Gratiszeitungen wirklich fördern muss. Was fehlt, ist auch eine neue Presseförderung nach Qualitätskriterien.
Kern
Es gibt leider zu selten kein Dazwischen zwischen Verbrüderung und Verachtung.
Mitterlehner
Das Freund-Feind-Schema existiert. Es wurde auch von der türkisen ÖVP eingefordert, sich zu positionieren.
Ihren beiden Parteien geht es schlecht-welcher schlechter?
Kern
Die SPÖ kann für sich in Anspruch nehmen, in Umfragen vorn zu liegen.
Die FPÖ holt deutlich auf.
Kern
Aber alle Voraussetzungen sind da, dass die SPÖ gewinnt. Bei der ÖVP hingegen habe ich, mit Verlaub, das Gefühl, dass sie sich überlegen muss, ob sie im Bund noch regierungsfähig ist.
Mitterlehner
Die SPÖ leidet unter der latenten Führungsdebatte, die Hans Peter Doskozil befeuert. Er agiert wie eine plumpe Variante von Sebastian Kurz, weil er in aller Öffentlichkeit die Demontage betreibt.
Kern
Doskozil ist ein erfolgreicher Landeshauptmann, der im Burgenland sozialdemokratische Politik macht. Dass er selbstbewusst ist, ist nicht überraschend. Den Rest sollte man sich hinter verschlossenen Türen ausschnapsen.
Mitterlehner
Es ist legitim, wenn jemand Nummer 1 werden will, aber er muss sich einem Parteitag stellen. Es hintenherum zu machen, hat etwas Gehässiges.
Kern
Doskozil kann man manches vorwerfen, hintenherum agiert er nicht.
Mitterlehner
Ich drücke mich nicht vor einer Antwort zur ÖVP. Sie braucht Selbstreflexion, sonst schleppt sie das Korruptionsthema mit. Das überschattet Erfolge, die es gibt, etwa die Abschaffung der kalten Progression. Das ist die Chance der ÖVP: sich mit Sachthemen zu profilieren und bis 2024 durchzuarbeiten. Jede frühere Wahl würde Verluste realisieren.
Kern
Politik muss ein Abenteuer sein und kein Zustand. Derzeit leiden die Verantwortungsträger an ihrer Verantwortung. Man spürt kein Brennen für die Zukunft. Es gibt die Grundregel, dass man Wahlen nicht gewinnt, sondern die anderen sie verlieren. Möglicherweise sollte sich die SPÖ nicht zu sehr darauf verlassen.
Sie haben einmal gesagt, Politik ist wie Boxen, es gibt kein Comeback. Stimmt das-oder liebäugeln Sie beide mit Comebacks?
Mitterlehner
Selbst beim Boxen stimmt das nicht, es gab Comebacks, etwa von Muhammad Ali. Aber mich reizt das nicht.
Kern
Mich auch nicht. Ich bin super ausgelastet.
Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin