„Da bin ich nicht mächtig genug”

Claudia Schmied: „Kulturausgaben müssen erhöht werden”

Interview. Claudia Schmied über das tiefe Niveau der politischen Diskussion

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Interview: Stefan Grissemann

profil: Kulturthemen sind im Wahlkampf so gut wie inexistent. Betrübt Sie das?
Claudia Schmied: Ich weiß nicht, ob ich mich darüber nicht sogar freuen sollte. Denn das gegenwärtige Niveau der politischen Diskussionen ist so tief, dass ich ganz froh bin, wenn Kunst und Kultur davon unberührt bleiben. Ohne den Organisatoren nahetreten zu wollen: Wenn wir eine TV-Debatte wie jene zwischen Faymann und Glawischnig miterleben und feststellen, dass kein bildungspolitisches Thema behandelt wird, dann wird klar, wo wir uns derzeit intellektuell bewegen. Da ist es mir lieber, abseits des Wahlkampfes für die Kunst zu arbeiten – was ich bis zum letzten Tag in diesem Amt gern tun werde. Es ist im Interesse des kulturellen Niveaus vielleicht sogar ganz gut, wenn dieser Themenblock außen vor bleibt.

profil: Es ist für Sie kein Problem, wenn sich der Bundeskanzler für Kunstfragen weniger interessiert?
Schmied: Sie hätten mich falsch verstanden, wenn Sie meinen, ich hätte das gesagt, um den Kanzler zu kritisieren. Werner Faymann ist an Kulturellem durchaus sehr interessiert. Ich spreche von Niveau und Form des Wahlkampfs, wie er dieser Tage stattfindet. Die Art, wie insbesondere die Fernsehkanäle politische Debatten inzwischen in Permanenz inszenieren, sehe ich nicht als Gewinn für die Politik. Da geht der Weg Deutschlands – mit wenigen zentralen Auftritten und zeitgleichen Einladungen an alle Sender – doch deutlicher in die Tiefe. Bei uns regieren Zwangsapplaus und Lichteffekte.

profil: Fast wie in der „Millionenshow“. Brot und Spiele eben.
Schmied: Da erfahre ich als Bürgerin in einer ganz normalen „Pressestunde“ doch zehn Mal mehr als in diesem überinszenierten Schlagabtausch. Manchmal habe ich den Eindruck, dass das nur noch das Beschäftigungsprogramm eines In-Zirkels darstellt – von den Meinungsforschern über die Politikwissenschafter bis zu den TV-Moderatoren. Ich fürchte, dass dadurch das öffentliche Interesse an der Politik eher schwindet als steigt.

profil: Kunstschaffende werden im Wahlkampf nur in einem Punkt prominent in Szene gesetzt: als Fürsprecher auf den notorischen Unterstützungslisten. Auch Faymann gönnt sich derzeit eine solche Initiative, und er lässt sich von unzähligen Kreativen politisch unterstützen – darunter nicht wenige, die von der Sozialdemokratie bestens subventioniert werden. Sehen Sie das nicht als Problem?
Schmied: Aus meiner Sicht ist Kunst immer politisch; ob sie auch parteipolitisch ist, müssen jede Künstlerin und jeder Künstler selbst entscheiden. Ich persönlich habe zu diesen Unterstützungslisten ein sehr ambivalentes Verhältnis, habe etwa Erwin Prölls Kunst-„Fürstentum“ stets kritisiert. Fördergeber sollen und dürfen keine Dankbarkeit erwarten. Davon ist Werner Faymann glücklicherweise weit entfernt.

profil: Sie wurden nie gebeten, Kunstschaffende um SPÖ-Unterstützung anzufragen?
Schmied: Nein. Das ist ein sensibles Thema, vor allem, wenn man sich, wie ich es tue, klar zur öffentlichen Kulturfinanzierung bekennt. Kunst darf nicht als politische Inszenierung instrumentalisiert werden.

profil: Sie sind, wenn man den allfälligen Politiker-Rankings vertrauen will, beim Volk nicht sehr beliebt. Ist Ihre Kulturpolitik zu wenig populär?
Schmied: Das liegt wohl eher daran, dass ich seit zwei Jahren in Dienstrechtsverhandlungen stecke. Da gewinnt man keine hohen Beliebtheitswerte.

profil:
Belastet Sie das Bildungsressort nicht viel mehr als die Kultur?
Schmied: Ich hole mir gerade aus dem Themenwechsel immer neue Energie. Hätte ich nur eines der beiden Gebiete zu bearbeiten, ich würde mich vielleicht darin schnell festbeißen. Die Vielfalt sorgt dafür, dass ich freier und spielerischer bleibe.

profil: Dann wäre Ihnen ja noch ein drittes Ressort zu wünschen.
Schmied: Gern, aber dann bitte die Finanzen. Im Ernst: Bildung und Kunst haben gemeinsame programmatische Kraft – von der Kunstvermittlung bis zum freien Eintritt in die Bundesmuseen. Und man tritt mit der Verantwortung für ein Doppelressort auch im Ministerrat mit entsprechend höherer Dringlichkeit und größeren Budgetmöglichkeiten auf.

profil: Entscheidend erhöhen konnten Sie das Kulturbudget aber nicht.
Schmied: Wir hatten 2008 402 Millionen Euro, inzwischen sind es immerhin 442. Das ist in einer Phase der Kürzungen schon eine Leistung. Aber natürlich müssen in der nächsten Legislaturperiode die Kulturausgaben erhöht werden, sonst leidet die Qualität.

profil: Noch vier Tage vor der Nationalratswahl soll die künftige Intendanz der Salzburger Festspiele gekürt werden. Man darf vermuten, dass dies auch daran liegt, dass Sie das nach der Wahl möglicherweise nicht mehr könnten.
Schmied: Nein. Das ist ja nicht meine Entscheidung, sondern eine des Kuratoriums …

profil: … in dem Sie durch Ihre Sektionschefin vertreten sind.
Schmied: Personalentscheidungen liebe ich – und am liebsten treffe ich sie allein. Ich lasse mich gern beraten, aber ich bin eine Verfechterin der Eigenverantwortung. In Salzburg aber reden neben dem Bund auch Stadt, Land und Förderverein mit.

profil: Die Festspieleintendanz interessiert Sie also gar nicht so sehr?
Schmied: Doch, schon. Aber es laufen andere Abstimmungsprozesse. Da bin ich nicht mächtig genug.

profil: Wie ziehen Sie Bilanz über Ihre sieben Jahre als Kunstministerin?
Schmied: Positiv. Ich freue mich, dass mir einiges gelungen ist – etwa die Erhöhung der Filmförderung, die Fortschritte in der Kulturvermittlung und meine vielen Personalentscheidungen.

profil: Würden Sie denn gern im Amt bleiben?
Schmied: Jetzt entscheiden erst einmal die Bürger und Bürgerinnen. Ich bin nicht darauf fixiert, Kulturministerin zu bleiben.

profil: Im SPÖ-Wahlprogramm finden sich unter den „111 Projekten für Österreich“ gerade vier zum Thema Kultur. Ist das nicht etwas wenig?
Schmied: Darum geht es nicht. Wichtiger ist doch, dass wesentliche Punkte wie die Kulturfinanzierung vorkommen.

profil: Muss man in solchen Broschüren eigentlich immer bei null anfangen und stets die „Freiheit der Kunst“ fordern und für „künstlerische Vielfalt“ kämpfen? Versteht sich das nicht von selbst?
Schmied: Ich finde, das müssen wir immer wieder betonen, als Wert an sich. Wenn man über Österreichs Grenzen hinausblickt, ist das alles leider nicht selbstverständlich.