"Kurse kaputt, Anleger geprellt"

profil vor 25 Jahren.

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"Kurse kaputt, Anleger geprellt", resümierte profil in der Ausgabe vom 27. Juli 1992 die Lage an der Wiener Börse. Aktueller Anlass für diese rigorose Diagnose war ein Fall von Insiderhandel: Nach einer Aufsichtsratssitzung des Mineralölkonzerns ÖMV hatte jemand eine noch geheime Information (den bevorstehenden Rücktritt des Generaldirektors) "kaltblütig in Geld umgesetzt" und "seine Schäfchen ins Trockene gebracht", bevor die Personalie öffentlich bekannt gegeben wurde und der Kurs der Aktie abstürzte.

ÖMV-Aktionäre hätten in der Folge "innerhalb weniger Tage mehr als vier Milliarden Schilling" verloren. Durch diese "Turbulenzen" habe die Wiener Börse endgültig "ihr Vertrauenskapital verspielt", schrieb profil. Vor allem ausländischen Anlegern sei die Tatsache, dass hier "viele der großen börsennotierten Aktiengesellschaften noch immer zu 50 oder mehr Prozent im Besitz des Staates oder von Staatsbanken" stünden, ohnehin suspekt gewesen. Und dass Insiderhandel - in den USA und den meisten EG-Ländern als Verbrechen geahndet - in Österreich noch immer als "Kavaliersdelikt" gelte, trage auch nicht zur Vertrauensbildung bei. Es fehle einfach eine "Börsenkultur", gestand selbst Börse-Präsident Klaus Liebscher ein. Weniger diplomatisch sahen das Börsianer-Kreise in London: Dort ätze man über den "VIP-Market", den "Vienna Insider Party"-Markt, berichtete profil.