Leibspeise Sozis

Lucona-Autor Hans Pretterebner: Leibspeise Sozis

Lucona-Affäre. Die turbulente Karriere des Aufdeckers Hans Pretterebner

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Der Februar 1989 war seine Zeit. Innerhalb weniger Tage hatten seine Recherchen dazu beigetragen, zwei der prominentesten Sozialdemokraten zum Rücktritt zu zwingen. Sein Buch verkaufte sich blendend, und sogar im Parlamentsklub des Grünen ging er aus und ein.

In April wird Hans Pretterebner 70, er hat drei schwere Krankheiten überlebt und die Millionen, die er mit seinem umstrittenen Aufdeckerbuch über Udo Proksch und seine Freunde in der SPÖ verdiente, sind längst für den Kauf und die Erhaltung eines Schlosses im niederösterreichischen Waldviertel aufgegangen. Jetzt komme er knapp über die Runden, sagt der hagere Einzelgänger.

Kein politisches Buch hat sich in Österreich je so gut verkauft wie Pretterebners zur Jahreswende 1987/88 erschienenes Œuvre „Der Fall Lucona“: 380.000 Exemplare – üblicherweise finden politische Bücher hierzulande maximal 10.000 Käufer.
Die Geschichte des Wiener Szene-Originals Udo Proksch war aber auch zu süffig: Ein Erfinder und Künstler, Liebling der Frauen, Unterhalter gelangweilter Politiker, lässt ein mit wertlosem Schrott beladenes Schiff hoch versichern und 1977 im Indischen Ozean untergehen. Beinahe Hollywood.

Sechs Besatzungsmitglieder ertranken damals. 1992 wurde Proksch wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt, nach neun Jahren starb er an den Folgen einer Herzoperation.
Dass er so lange seiner Strafe entgehen konnte, habe Proksch mächtigen roten Freunden zu verdanken gehabt, ist der politische Tenor des Pretterebner-Buchs. Etwa dem Außenminister und späteren Nationalratspräsidenten Leopold Gratz, der über die österreichische Botschaft in Bukarest Proksch entlastende Papiere aus Rumänien nach Wien bringen ließ. Die Dokumente waren gefälscht, wie sich später herausstellte. Oder dem Innenminister Karl Blecha: Dieser habe in der Frühphase der Affäre, 1984, Ermittlungen gegen Proksch unterbunden.
Gratz trat Ende Jänner 1989 zurück, Blecha eine Woche später.
Freilich: Keiner der beiden wusste, dass Proksch die Lucona versenkt hatte. Gratz hatte sogar selbst einen Untersuchungsausschuss des Nationalrats angeregt, damit dieser endlich mit den Gerüchten aufräume. Vor den U-Ausschuss-Sitzungen beriet Lucona-Spezialist Pretterebner die Grünen in deren Klubräumen im Parlament, woran er sich bis heute mit Amüsement erinnert: „Mit Pilz bin ich gut ausgekommen.“

Das Verschwinden der Lucona hatte man in den 1980er-Jahren auf ein Unwetter, einen Terroranschlag oder eine hochpolitische Geheimaktion zurückgeführt. Kaum jemand hatte Proksch einen sechsfachen Mord zugetraut: Er war ein – manchmal nervender – Hofnarr der Mächtigen, ein hochkreativer Unternehmer, der die verstaubte Nobel-Konditorei Demel schrill aufgemöbelt hatte. Aber ein sechsfacher Mörder?
Als „der Udo“ 1985 erstmals in U-Haft saß, besuchte ihn demonstrativ die Prominenz, auch Niki Lauda kam ins Landl.

Aber nach und nach förderte der Anwalt der Bundesländer-Versicherung, Werner Masser, Belastungsmaterial gegen Proksch zutage, das er dem Aufdeckungsjournalisten Gerald Freihofner („Wochenpresse“) zusteckte. Hans Pretterebner nahm Witterung auf und machte sich an die Arbeit. Hatte Freihofner die Dokumente abgedruckt, interpretierte sie Pretterebner so, wie er die Zeitläufte immer interpretiert hatte: Schuld sind die Roten.
„Der Kampf gegen die Sozis war mein Lebenszweck“, sagt der in der Oststeiermark aufgewachsene Bestsellerautor bis heute. Politisch aufgewärmt hatte er in den 1950er-Jahren beim konservativen Bund europäischer Jugend, als 15-Jähriger durfte er erstmals Otto Habsburg treffen und war fortan Monarchist. Als die Sozialdemokraten Habsburg 1963 die Einreise verweigerten, verschlossen Pretterebner und seine Monarcho-Freunde die Villa von Außenminister Bruno Kreisky und das Hietzinger Haus von Justizminister Christian Broda aus Protest mit Ketten und Schlössern. Jahrelang brachte er sich mit Artikeln in rechtskonservativen Zeitungen über die Runden.

Als die Sozialisten 1971 die absolute Mehrheit schafften, gründete Pretterebner selbst ein solches Blatt: „Politische Briefe“. Die Zeitschrift war an Grobheiten kaum zu übertreffen: „Wie krank ist Kreisky wirklich?“, fragte er, als der Kanzler noch pumperlgesund war, und unterstellte ihm ferndiagnostisch „Gleichgewichtsstörungen, plötzliche Geistesabwesenheit und Gedächtnislücken“. Pretterebner sei ein Kleriko-Faschist, brummte Kreisky.

Seine Philosophie beschrieb der schmächtige Rabiat-Journalist so: „Was in der ‚Krone‘ die Nackerte auf Seite fünf, ist bei mir die Ehrenbeleidigung. Die Leute wollen Blut sehen.“
1981 führten ihn das Dokumenationsarchiv des Widerstandes und das SPÖ-Renner-Institut in Publikationen als Rechtsradikalen. Pretterebner ließ per Gerichtsbeschluss beide Produkte aus dem Verkehr ziehen und beschlagnahmte vier Tage hintereinander auch die „Arbeiter-Zeitung“, die darüber entsprechend berichtet hatte.
Pretterebner war tatsächlich nie ein Rechtsextremist im klassischen Sinn: Mit Nazis und Deutschtümelei hatte er nichts am Hut. Nach seinem Triumph über Proksch und die SPÖ hatte ihn Jörg Haider 1994 auf ein FPÖ-Mandat im Nationalrat gehievt. Schon wenige Wochen später stritten die beiden erbittert, weil Pretterebner ein Befürworter des EU-Beitritts war, gegen den Haider kampagnisierte. Auch sein Stammpublikum – stockkonservative Wutbürger – schnitt ihn: Jetzt war er schließlich selbst Teil der politischen Klasse, gegen die er immer angerannt war. Schon 1995 schied er aus der Politik aus. Zwei Nachfolgepublikationen seiner legendären „Politischen Briefe“ verliefen im Sand.

Inzwischen beschäftigten ihn ohnehin seine Krankheiten, an denen er – eh klar – den Sozis bis heute eine Teilschuld gibt: Seinen fast letalen Magendurchbruch im Jahr 1981 führt er auf die Auseinandersetzungen um die „Arbeiter-Zeitung“ zurück, ein neurologisches Leiden, das ihn 1998 niederstreckte, sei nicht zufällig just nach einem von der SPÖ gegen ihn angestrengten Verfahren aufgetreten. Monatelang hatte das Guillain-Barreé-Syndrom fast seinen gesamten Körper gelähmt. Inzwischen hat er auch einen Blasenkrebs überstanden, der eher auf seinen Zigarettenkonsum als auf die SPÖ zurückzuführen war.

Nach der Chemotherapie sei er am Ende gewesen, sagt Pretterebner. Neuen Lebensmut habe er gefasst, seit er sein Schloss Wetzlas nicht mehr an den Betreiber eines Jugendhotels verpachtet, sondern das Hotel nun selbst führt. „Ich bin jetzt ein Hausmeister.“ Mit Politik habe er nichts mehr am Hut. „Ich nehme nichts zurück. Aber heute würde ich eher mit dem Florett als mit dem Bihänder agieren.“

Unlängst habe er auf der Straße Karl Blecha getroffen: „Und stellen Sie sich
vor: Er hat mich wirklich freundlich begrüßt.“

Foto: Monika Saulich für profil