Neodorant

Menschen des Jahres: Matthias Strolz beflügelte den Wahlkampf mit Heilsleere

Menschen des Jahres 2013. Matthias Strolz beflügelte den Wahlkampf mit Heilsleere

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Dem Mann ist offensichtlich wenig peinlich. Kurz nach der Nationalratswahl war Matthias Strolz in Hochglanz dabei zu bewundern, wie er sich, barfuß und mit semilässig aufgekrempelter Jean, vom "Baum“ über den "Tänzer“ bis zum "Krieger“ in Yoga-Stellungen wand. Beruhigend, zu wissen, dass Strolz auch manchmal "OM“ macht - und nicht permanent auf 180 ist, allen "Flügel“ verleihen will, aufgedreht seine Heilslehren verbreitet und sich durchs Parlament fuchtelt.

Keine Frage: Für einen Teil seines extrovertierten Selbstbewusstseins hat der Neo-Politiker gute Gründe. Strolz ging ein hohes Risiko ein, legte seine florierende Organisationsberatung auf Eis, um den Ausflug in die Politik zu wagen. Nur ausgeprägte Optimisten oder sehr Reiche - wie Hans Peter Haselsteiner - verwetteten ihr Geld darauf, dass Strolz und seine NEOS den Einzug in den Nationalrat schaffen würden. Das politische Start-up, eine Mischung aus inhaltlicher Ernsthaftigkeit und demonstrativem Enthusiasmus, reüssierte wider jede Wahrscheinlichkeitsrechnung - nicht zuletzt auch deshalb, weil sich Strolz im Gegensatz zu seinem Newcomer-Kollegen Frank Stronach nicht in unzähligen Fernsehdiskussionen als Lachnummer entzauberte. Hätte der 40-Jährige sein esoterisches Erweckungserlebnis zum Besten gegeben, wie er fastend im Wienerwald zum "Gärtner des Lebens“ mutierte, der selbsternannte Guru mit eifrig kultiviertem Genieverdacht wäre manchem p. t. Wähler wohl unheimlich geworden.

So weiß zwar niemand so recht, was Strolz eigentlich will, aber er vertritt es mit einer Leidenschaft, die in der von der unerträglichen Schwere des Politiker-Seins geprägten heimischen Parteienlandschaft rar geworden ist. Vage Slogans wie "Anpacken“ oder "Habe Mut“ können viele unterschreiben - was genau angepackt werden soll, wird sich schon weisen. Strolz mit seiner überdrehten Motivationsbegeisterung eignet sich als perfekte Projektionsfläche für alle, die ob des ewigen Stillstands politikerverdrossen sind. Ins Detail musste Strolz nie gehen, bis heute bleibt es ein Geheimnis, ob die NEOS bei ihrem Kernthema Bildung für oder gegen die Beibehaltung des Gymnasiums sind, aber gegen die grauen Politikverwalter reicht die personifizierte Dynamik des Vorarlbergers.

Was Strolz und seine NEOS politisch verkörpern, ob sie lediglich eine modernere ÖVP sind oder doch eine neue Partei, müssen sie selbst erst herausfinden. Strolz weiß nur, was er nicht sein will: "Neoliberal. Das heißt landläufig ignorantes Leistungsschwein.“ Einstweilen sind die NEOS ein ideologisch widersprüchlicher, aber hoch motivierter Haufen - von Männern, wohlgemerkt. Nur die freiheitlichen Recken haben einen noch niedrigeren Frauenanteil in ihrem Parlamentsklub. Selbst eine neue Partei kann erstaunlich gestrig daherkommen.

Matthias Strolz im profil-online-Wordrap vor der Nationalratswahl

Die Menschen des Jahres 2013:

# Angela Merkel hielt den deutschen Haushalt sauber.

# Frank Stronach sorgte für Erheiterung

# Maria Fekter quasselte sich ins politische Out

# Marcel Hirscher bewies wieder einmal Zug zum Tor

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin