Der ehemalige tschechische Staatspräsident Vaclav Havel (links) und Helmut Zilk 1998 in Prag.

Militärhistoriker Tomek: "Zilk wurde mit Respekt behandelt"

Der Prager Militärhistoriker Prokop Tomek über den Stellenwert von Helmut Zilks Geheimdienstaktivitäten.

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Dieser Artikel erschien in profil Nr. 13/09 vom 23.03.2009

profil: Herr Dr. Tomek, wusste Zilk, dass er es mit Leuten der Staatssicherheit zu tun hatte? Tomek: Ja. Helmut Zilk hat sich bei der Geldübernahme an bestimmte Regeln gehalten, und er unterschrieb die Quittungen mit einem fiktiven Namen. Hätte er die Geldannahme für korrekt gehalten, hätte es keinen Grund gegeben, diese zu verheimlichen.

profil: Glauben Sie, dass Zilk politische Motive hatte, oder ging es ihm nur ums Geld? Tomek: Er pflegte seine Kontakte mit dem Nachrichtendienst während der liberalsten Zeit der kommunistischen Regierung in der CSSR. In einer Zeit, in der man sich Hoffnungen machen konnte, dass sich die Verhältnisse ändern würden. Die Dokumente lassen sich auch so auslegen, dass sich Helmut Zilk bemühte, einer solchen Entwicklung behilflich zu sein. Und zusätzlich auch noch dabei zu verdienen.

Zilk hat Informationen aus der österreichischen Politik geliefert, die zwar vertraulich waren, jedoch handelte es sich dabei um keine Staatsgeheimnisse.

profil: Hat sich Zilk durch die Geldannahme nicht von Beginn an völlig in die Hand des StB begeben? Tomek: Der Nachrichtendienst hat Helmut Zilk stets höflich und mit Respekt behandelt. Die internen Akten beweisen, dass sich der Nachrichtendienst durch Geldzuwendungen seine künftige Bereitschaft erkaufen wollte, die Kontakte aufrechtzuerhalten.

profil: Hätte er unter diesen Bedingungen überhaupt aussteigen können? Tomek: Es war möglich. Der Nachrichtendienst hat schließlich sofort aufgehört, ihn zu kontaktieren, als die Gefahr des Auffliegens der Beziehungen entstand.

profil: Wie wichtig waren dem tschechoslowakischen Geheimdienst Zilks Informationen? Tomek: Es waren Informationen aus einem Umfeld, das für den tschechoslowakischen Nachrichtendienst unzugänglich war. Aber es waren keine Denunziationen von Menschen, die von den tschechoslowakischen Behörden verfolgt hätten werden können. Zilk hat Informationen aus der österreichischen Politik geliefert, die zwar vertraulich waren, jedoch handelte es sich dabei um keine Staatsgeheimnisse. Aber für den Staatssicherheitsdienst der CSSR waren es wertvolle ergänzende Informationen.

Ein Teil der Mitglieder des Geheimdienstes hat die Okkupation abgelehnt.

profil: Im August 1968 hat der ORF dem Widerstand gegen die Invasion des Warschauer Pakts eine Stimme gegeben. Warum hat sich Prag damals nicht gerächt und die kompromittierenden Akten veröffentlicht? Tomek: Es ist kein Fall bekannt, dass der Sicherheitsdienst einen solchen Akt veröffentlicht hätte. Die eigenen Arbeitsmethoden geheim zu halten war wichtiger. Außerdem war der Geheimdienst im August 1968 gespalten. Ein Teil seiner Mitglieder hat die Okkupation abgelehnt. Ein Beispiel ist der Geheimdienstler Ladislav Bittman, der im August 1968 die Funktion des Presseattachés an der Gesandtschaft in Wien bekleidete. Er pflegte Kontakte mit Zilk, und kurz nach der Okkupation ist er in den Westen geflüchtet. Gerade seine Flucht und die reale Gefahr der Preisgabe der Beziehungen Zilks mit dem Nachrichtendienst war der Anlass, den Kontakt zu beenden.

profil: Ist auszuschließen, dass die Agenten die Papiere gefälscht und das Geld selbst eingesteckt haben? Tomek: Das ist definitiv auszuschließen. Der Charakter der Arbeit eines Geheimdiensts schließt einen solchen Betrug aus. An der Aktion waren außerdem mehrere Geheimdienstler sowohl in Wien wie auch in Prag beteiligt.