„Die wunderbare Tradition des Wienerlieds“

H. C. Strache: „Die wunderbare Tradition des Wienerlieds“

Interview. FPÖ-Obmann Strache über Brauchtum und die Notwendigkeit einer Wiener Landeshymne

Drucken

Schriftgröße

Interview: Ulla Kramar-Schmid, ­Michael Nikbakhsh

profil befragt die Spitzenkandidaten der österreichischen Parteien in diesem Wahlkampf etwas anders. Vorgegeben wird ein Generalthema, das sich durch das gesamte Interview zieht. Diesmal: FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache, mit dem wir über eines der Kernthemen seines Wahlkampfs sprechen: Heimat.

profil: Die FPÖ tritt im Wahlkampf einmal mehr als Heimatpartei auf. Definieren Sie doch einmal, was für Sie Heimat ist.
Strache: Heimat ist, wo sich Menschen angenommen und geborgen fühlen. Heimat ist der Ort, den man mit seinen Liebsten in einer gemeinsamen Sprache, einer Kultur und einer Identität wahrnimmt. Ich halte es mit Johann Gottfried Herder: „Heimat ist da, wo man sich nicht erklären muss.“ Wir erleben heute ja oftmals, dass sich angestammte Österreicher in ihrem Land erklären müssen.

profil: Wer konkret muss sich erklären?
Strache: Viele Österreicher, die meinen, dass sie und ihre Kinder zu einer Minderheit geworden sind, auf den Straßen, in Schulen oder Kindergärten, weil hier Fehlentwicklungen stattgefunden haben. Heimat ist da, wo eine kulturelle Entwicklung von Menschen gegeben ist; wo viele Generationen eine gemeinsame Geschichte, Sprache, Kultur, Tradition und Lebensweise haben. Man darf nicht vergessen: Heimat ist auch ein Menschenrecht.

profil: Das niemand in Abrede stellen würde, so es dieses geben würde. Was müsste Ihnen passieren, dass Sie Ihre Heimat verlassen?
Strache: Das würde ich nicht tun wollen.

profil: Können Sie sich vorstellen, was in einem Menschen vorgeht, der sich in einen Container zwängt und seine Heimat, seine Familie verlässt?
Strache: Manchmal sind es nur Banalitäten, etwa die Suche nach wirtschaftlicher Verbesserung, wie sie ja auch Europäer wahrnehmen, wenn sie etwa in die USA auswandern. Und dann gibt’s die dramatischen Fälle, wo jemand politisch verfolgt oder mit dem Tod bedroht wird.

profil: Was verbinden Sie emotional mit Österreich?
Strache: Positives.

profil: Was?
Strache: Nächstenliebe etwa, darum haben wir das ja auch als Wahlmotiv definiert.

profil: Wenn Sie jemand im Ausland fragt, was Sie emotional mit Österreich verbinden, sagen Sie: „Nächstenliebe!“ Im Ernst?
Strache: Gehört dazu. Aber auch die Liebe zum Heimatland, zur Kultur, zu vielem.

profil: Was ist der österreichischste Ort für Sie?
Strache: Der Stephansdom.

profil: Und wie oft sind Sie im Stephansdom?
Strache: Alle heiligen Zeiten, da gibt es Anlässe. Silvester, Pfingstmetten.

profil: Was macht Sie stolz, Österreicher zu sein?
Strache: Wir haben ein wunderschönes Heimatland und herrliche Natur, tolle Architektur, einzigartige Stadtbilder, großartige Schriftsteller, eine interessante, aber natürlich teilweise auch problematische Geschichte ....
profil: Welche Architektur?
Strache: Schauen Sie da aus dem Fenster, das Parlament zum Beispiel.

profil: Schriftsteller?
Strache: Viele, viele, viele. Ich hab erst unlängst mit einem diskutiert, mit Thomas Glavinic ...

profil: Den Sie aber nicht lesen.
Strache: Ich habe ihm versprochen, dass ich sein jüngstes Buch nach der Wahl lese.

profil: Elfriede Jelinek?
Strache: Das ist auch eine bekannte Schriftstellerin. Und natürlich gibt’s da auch den Handke, mit dem ich ja die eine oder andere Gemeinsamkeit habe.

profil: Serbien?
Strache: Ja.

profil: In Ihrem Wahlprogramm heißt es unter anderem: „SPÖ, ÖVP, Grüne schützen unsere österreichische Identität zu wenig.“ Was verstehen Sie unter österreichischer Identität?
Strache: Kultur. Heimat. Tradition. Lebensart. Bräuche. Wir sind ein christliches Abendland mit einer bestimmten Werteprägung.

profil: Was ist daran jetzt das spezifisch Österreichische?
Strache: Die großartigen Leistungen! Zum Beispiel zwei Türkenbelagerungen zurückgeschlagen! Das hat ja ganz wesentlich zum Fortbestand der Freiheit Europas beigetragen.

profil: Mit polnischer Unterstützung.
Strache: Ja. Gemeinsam konnten wir sicherstellen, dass weite Teile Europas nicht unter osmanische Herrschaft fallen.

profil: Die Monarchie mit ihrem Vielvölkerstaat gehört nicht zur Identität?
Strache: Selbstverständlich. Die ist aber mit diesem Spannungsfeld nicht zurande gekommen und deshalb zerfallen, weil der Freiheitswille der Völker immer da war.

profil: Wien ist heute noch eine Vielvölkerstadt.
Strache: Das ist nicht zu vergleichen. Der historische Vielvölkerstaat hat Menschen mit gleicher Kultur und gleichem Glauben umfasst, das Trennende war nur die Sprache. Heute fehlt nicht nur die gemeinsame Sprache, sondern auch der gleiche Kulturhintergrund, und es kommen ganz andere Wertvorstellungen hinzu.

profil: Es geht Ihnen im Grunde immer nur um die Muslime. Wenn man Ihnen so zuhört, könnte man glauben, Sie seien ein Kreuzritter.
Strache: Wo hören Sie das?

profil: Sie argumentieren ständig mit den christlichen Werten.
Strache: Ich sage, dass christliche Werte uns geprägt haben. Das heißt nicht, dass man ein Freund der Kirche sein muss. Aber wir können unsere Historie nicht wegleugnen. Und dass es immer eine Spannung zwischen Abendland und Morgenland gegeben hat, werden Sie ja nicht in Abrede stellen.

profil: Der Islam ist Ihnen aber nicht geheuer?
Strache: Da geht’s nicht um den Islam. Aber wenn man sieht, dass die türkische Botschaft hier vor wenigen Wochen eine Demonstration zur Unterstützung für die politisch Verantwortlichen in der Türkei organisiert hat, dass somit türkische Politik nach Wien getragen wurde, um zu instrumentalisieren, dann ist das schon bedenklich.

profil: Zitieren wir nochmal aus dem Wahlprogramm: „Für uns sind unsere Traditionen und Bräuche schützenswert.“ Welche Bräuche und Traditionen pflegen Sie?
Strache: Es gibt wunderbare Traditionen. Feiertage, die manche aus Glauben, manche als Tradition begehen. Wundervolle Trachten mit Kirtagen, wunderbares Liedgut mit Chören und Kapellen.

profil: Wer bedroht diese?
Strache: Was heißt bedrohen?

profil: Wenn sie schützenswert sind, impliziert das eine Bedrohung.
Strache: Traditionen vermittelt man gerne an seine Kinder weiter. Man will ja auch Nachwuchs für die Chöre haben, und den gibt es immer weniger, weil das Interesse nicht da ist und es auch zu wenig Kinder gibt. Das ist auch ein demografisches Problem.

profil: Möglicherweise sind Volkslieder zu wenig hip. Sie singen ja auch einen Rap und kein Volkslied; und Sie besuchen auch Clubbings anstelle von Kirtagen.
Strache: Ich bin überall unterwegs. Junge Menschen tragen sehr gerne Tracht. Das habe ich jetzt wieder beim Kirtag in Neustift gesehen.

profil: Aber dort ist das doch Verkleidung.
Strache: Das definieren Sie so. Eine Tracht wird heute im positiven Sinn modern gesehen und von den jungen Menschen gerne angenommen.

profil: Das ist jetzt ein Widerspruch. Vorher haben Sie noch gesagt, das Brauchtum sieche dahin.
Strache: Das liegt daran, dass die Bildungspolitik eine Katastrophe ist. Man hat in Österreich den Musikunterricht kaputt gemacht. Wir, das Land mit der großen Tradition von Mozart! In den Bundesländern, wo Musikunterricht gefördert wird, ist Interesse da. Wien hat ja nicht einmal eine eigene Landeshymne.

profil: Die Bedrohung kommt also von innen, nicht von außen?
Strache: Die politischen Verantwortungsträger tragen immer die Verantwortung für Fehlentwicklungen und Missstände.

profil: Wenn man Ihnen so zuhört, fällt es schwer zu glauben, dass ein 44-jähriger Mann mit Ambition auf das Kanzleramt so sehr dem Brauchtum und der Tradition verhaftet ist. Sind Sie nicht in der gleichen Welt aufgewachsen wie wir?
Strache: Na sicher.

profil: Eine globalisierte Welt mit zunehmend offenen Grenzen …
Strache: Sehen Sie Brauchtum in den Nachbarländern nicht auch im positiven Sinn? Ich schätze das. Ich freue mich, wenn ich am Villacher Kirtag die Tanzgruppen der Nachbarländer in ihren Trachten sehe, das ist doch schön. Haben Sie ein Problem damit?

profil: Nein.
Strache: Aber ich merke, dass Sie angespannt sind. Ich erlebe das doch auch bei den Grünen andauernd. Die begegnen allem, was mit Tradition, Identität und Kultur zu tun hat, mit Hass.

profil: Wie fördert man politisch den Volkstanz und das Tragen von Tracht?
Strache: In Kärnten zum Beispiel hat ein Landeshauptmann Jörg Haider die Brauchtumsvereine unterstützt. Sie sollten sich einmal umhören, wie positiv das aufgenommen wurde und wie das heute wahrgenommen wird, weil es dort jetzt Kürzungen gibt.

profil: Reden wir jetzt von dem Jörg Haider, der Kärnten wirtschaftlich zugrunde gerichtet hat?
Strache: Jörg Haider hat viele Entscheidungen getroffen, für die ihm die Kärntnerinnen und Kärntner sehr dankbar sind.

profil: Wären Sie Bildungsminister …
Strache: … das strebe ich nicht an.

profil: Wären Sie Bildungsminister, wie würden Sie Brauchtum konkret fördern?
Strache: Damit habe ich mich konkret nicht beschäftigt, weil ich ja ohnehin nicht Bildungsminister werden will.

profil: Aber Sie können ja nicht fortgesetzt die mangelnde Brauchtumsförderung kritisieren und dann keine Idee dazu haben.
Strache: Als Wiener Bürgermeister würde ich eine Landeshymne schaffen, die man dann auch in der Volksschule lernt. So kann eine Identifikation geschaffen werden. Ich würde auch den Musikunterricht im Bereich der Pflichtschulausbildung verstärken. Wir haben hier ja die wunderbare Tradition des Wienerlieds.

profil: Glauben Sie nicht, dass junge Menschen in einer globalisierten Welt längst einen anderen Begriff von Heimat haben?
Strache: Im Gegenteil. Immer mehr jungen Menschen wird bewusst, dass gerade in einer globalisierten Welt die Vielfalt von Kulturen, Traditionen und Sprachen einzigartig und erhaltenswert ist. Die wollen Abstand von diesem Globalisierungsdiktat und dieser Gleichmacherei.

profil: Gerade ein zusammenwachsendes Europa eröffnet Menschen neue Chancen.
Strache: Das ist kein Widerspruch. Man hatte auch vormals wundervolle Chancen in Europa, bevor es zentralistische Fehlentwicklungen in der Europäischen Union gab. Es ist sicher nicht der Wunsch der Menschen, Österreich zu einem Bundesland Europas zu degradieren.

profil: Selbst ein, wie Sie sagen, zentralistisch geführtes Europa stellt Begriffe wie Heimat oder Brauchtum nicht infrage.
Strache: Wenn Österreich kein souveränes Land mehr ist, ist eine Entwicklung zu befürchten, die wir schon in der Monarchie hatten – wo von Wien aus verordnet wurde, was für die Regionen am besten sein sollte. Was es dann nicht immer war.

profil: Niemand würde Sie daran hindern, Ihre noch nicht getextete Wiener Landeshymne abzusingen.
Strache: Ich bitte Sie, das jetzt nicht aufs Brauchtum zu reduzieren.

profil: Wir reden von Identität.
Strache: Ich rede von Selbstbestimmung und Freiheit.

profil: Sie fordern eine Reduktion der österreichischen EU-Beitragszahlungen.
Strache: Wir zahlen im Jahr 2,3 Milliarden Euro aus österreichischen Steuergeldern. Ich will das, was die Briten an Rabatt herausverhandelt haben, als Österreich-Rabatt durchsetzen. Ich will nicht haben, dass wir netto eine Milliarde einzahlen. Ich will, dass wir diese Nettobeiträge zumindest halbieren.

profil: Aus den Beiträgen werden Förderungen an strukturschwache Regionen ausbezahlt. Damit soll auch armutsbedingte innereuropäische Migration abgefedert werden. Man kann nicht beides haben: Beiträge kürzen und Migration verhindern.
Strache: Wir brauchen jeden Cent, der heute in Brüsseler Kanälen verschwindet. Wir wissen ja, wie viel Schindluder mit diesen Förderungen getrieben wird.

profil: Keine Frage.
Strache: Wir sollten, auch im Sinne der Nächstenliebe, die Probleme jener Österreicher lösen, die Opfer dieser Fehlentwicklungen sind. Wir erleben auf dem ­Arbeitsmarkt einen massiven Verdrängungsprozess in den untersten Kollektivvertragsbereichen, also dort, wo man seine Familie ohnehin nicht mehr ernähren kann. Trotz der Rekordarbeitslosigkeit haben SPÖ, ÖVP und Grüne den Arbeitsmarkt für Rumänen und Bulgaren weiter aufgemacht, um so den Verdrängungswettbewerb und die Arbeitslosigkeit weiter anzuheizen.

profil: Das Problem sind wohl weniger die Arbeitskräfte aus dem Osten als vielmehr die Kollektivverträge.
Strache: Das Problem sind Politiker, die den Arbeitsmarkt immer weiter öffnen. Das ist verantwortungslos.

profil: Die Jobs sind ja anscheinend vorhanden, nur die Entlohnung ist in vielen Fällen unattraktiv.
Strache: Daher fordern wir ja ein Grundgehalt von 1600 Euro für jede Vollzeitarbeitskraft. Da sind wir wieder bei den politischen Verantwortungsträgern, die den Arbeitsmarkt öffnen, aber nichts am Lohnniveau ändern und so die Verdrängung fördern. Das trifft Österreicher, aber auch ausländische Arbeitskräfte, die seit Jahren hier leben und gut integriert sind.

profil: Wissen Sie, welcher Nationalität die mit Abstand größte Zuwanderungsgruppe auf dem Arbeitsmarkt ist?
Strache: Jetzt kommt sicher …

profil: Es sind die Deutschen.
Strache: Hören Sie aus der Bevölkerung, dass es mit den Deutschen Integrationsprobleme gäbe?

profil: Auf dem Arbeitsmarkt gibt es Integrationsprobleme?
Strache: Nein. Ich wollte einen Widerspruch aufzeigen.

profil: Sie haben einen Widerspruch.
Strache: Nein, ich wollte Ihren Widerspruch aufzeigen.

profil: Herr Strache, Sie haben gerade gesagt, dass Nicht-Österreicher den Österreichern die Jobs wegnehmen. So gesehen nehmen auch die Deutschen den Österreichern Jobs weg, und das vor allem in der Gastronomie. Gibt es einen Unterschied zwischen Deutschen und Bürgern aus den neuen Mitgliedsländern?
Strache: Wir haben eine Europäische Union, wo es die vertraglich gesicherte Reise- und Niederlassungsfreiheit gibt, ja. Aber trotz der angespannten Arbeitsmarktsituation macht man die Grenzen weiter auf. Das ist der falsche Weg. Ist das so schwer zu verstehen?

profil: Ja, ist es. Ist der deutsche EU-Bürger im Vergleich zum EU-Bürger aus Rumänien oder Bulgarien ein Mensch erster Klasse?
Strache: Meine Verantwortung liegt beim Österreicher. Ich zerbreche mir den Kopf, wie wir unseren Arbeitslosen eine Zukunftsperspektive bieten können. Ich kann nicht alle EU-Räder zurückdrehen, aber ich kann gegen die letzten Fehlentscheidungen auftreten.

profil: Herr Strache, Rumänien und Bulgarien sind auch bei der EU.
Strache: Ja, eh. Und? Was wollen Sie mir in den Mund legen? Dass wir aus der EU austreten? Die westeuropäische Niederlassungsfreiheit, die wir ja lange haben, mussten wir akzeptieren. Nehmen Sie aber zur Kenntnis, dass ich jetzige Entscheidungen kritisch betrachte.