ÖVP-Spendencausa „im Zweifel“ eingestellt

Seit 2012 ermittelte die Justiz, weil eine Wahlkampfagentur als Gelddrehscheibe für verdeckte Parteispenden gedient haben soll. Anklage will sie nun nicht erheben.

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Was die Ermittler in dieser brisanten Causa über die Jahre ans Tageslicht bringen konnten, ist durchaus beträchtlich: Auffällige Zahlungen von Großunternehmen an eine Medienagentur. Rechnungstexte, die nicht immer den wirklichen Zweck dieser Zahlungen wiederzugeben schienen. Ein separates Bankkonto bei eben dieser Agentur, das dort intern als „ÖVP-Konto“ bezeichnet wurde. Die – „vorbehaltlich richterlicher Würdigung“ – getroffenen Feststellungen eines renommierten Sachverständigen, dass Wahlkämpfe der Volkspartei mit dem bei der Agentur verwalteten Guthaben querfinanziert worden sein sollen.

Buchhaltungsakrobatik für Fortgeschrittene. Bemerkenswerte Zeugenaussagen. Und nicht zuletzt verdächtige E-Mails und Listen. Doch das alles reicht offenbar nicht für eine Anklage.

Wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien auf profil-Anfrage bestätigte, wurde das Verfahren rund um die Agentur Mediaselect zur Gänze eingestellt. Die Begründung in knappen und juristischen Worten: „Eine subjektive Tatseite der Beschuldigten war im Zweifel nicht erweislich.“ Was bedeutet das?

Der jahrelangen Verdachtslage zufolge verwaltete die Agentur Mediaselect, die unter anderem Inseratenschaltungen für die ÖVP vornahm, ein Guthaben, das über verdeckte Zahlungen gespeist worden sein soll. Das Geld soll dann zugunsten der Volkspartei verwendet worden sein. Als Parteispende wurde dies freilich nicht deklariert. Von der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich flossen – bei den Ermittlungen aufgefundenen Hinweisen zufolge – in den Jahren 2002, 2006 und 2008 insgesamt rund 251.000 Euro an die Mediaselect. Die Casinos Austria beziehungsweise die Österreichischen Lotterien wiederum sollen 2002, 2004, und 2006 insgesamt rund 219.000 Euro bezahlt haben.

Verdeckte Parteienfinanzierung ist allerdings per se in Österreich nicht strafbar.

profil-Informationen zufolge erfolgte die Einstellung des Verfahrens, obwohl die Staatsanwaltschaft Wien nach wie vor davon ausgeht, dass zumindest bei einem Teil der Zahlungen Scheinrechnungen im Spiel waren und diese tatsächlich Parteispenden darstellten. Verdeckte Parteienfinanzierung ist allerdings per se in Österreich nicht strafbar. Ermittelt wurde in erster Linie wegen Untreueverdachts: Demnach hätten der frühere Lotterien-Chef Leo Wallner und der ehemalige Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank OÖ, Ludwig Scharinger, durch die Veranlassung von Zahlungen ohne adäquate Gegenleistung ihre Befugnis missbraucht.

Wallner und Scharinger sind mittlerweile verstorben. Gegen andere Beschuldigte wurde wegen möglicher Beitragstäterschaft ermittelt. Auch die ÖVP selbst galt als Beschuldigte nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz. Alle Betroffenen haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten.

Damit Untreue im strafrechtlichen Sinn tatsächlich gegeben ist, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Die eingangs zitierte Aussage der Sprecherin der Staatsanwaltschaft ließe sich dahingehend interpretieren, dass sich die Justiz nunmehr außer Stande sieht, den Beschuldigten mit ausreichender Sicherheit einen wissentlichen oder vorsätzlichen Befugnismissbrauch nachzuweisen. Dies offenbar trotz aller Ermittlungsergebnisse. Bereits im Vorjahr hatte die Staatsanwaltschaft Wien nach Abschluss der eigentlichen Ermittlungsphase einen sogenannten Vorhabensbericht an ihre Oberbehörden geschickt. Es ist davon auszugehen, dass die Einstellungsentscheidung mit diesen abgestimmt ist. Eine umfassende Einstellungsbegründung wird zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht veröffentlicht, die Einstellung ist nämlich noch nicht rechtskräftig. Theoretisch könnten die – potenziell geschädigten – Unternehmen, von denen das Geld kam, einen Fortführungsantrag stellen. Da sich die Raiffeisenlandesbank OÖ und die Lotterien bereits 2014 mit der ÖVP auf eine Rückzahlung des - damals bekannten – Teils der Zahlungen verständigten, wäre dies jedoch überraschend.

Bemerkenswert ist die Verfahrenseinstellung jedenfalls auch in anderer Hinsicht: Die Telekom Austria zahlte – über Firmen des Lobbyisten Peter Hochegger – 2006 und 2007 ebenfalls insgesamt rund 251.000 Euro an die Mediaselect. Zu diesen Zahlungen gibt es sehr wohl eine Anklage – und zwar im Rahmen eines Sammelverfahrens, das zahlreiche Verdachtsmomente rund um die Telekom Austria behandelt. Dieser Prozess läuft seit geraumer Zeit am Landesgericht für Strafsachen in Wien.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).