ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz

ORF-Chef Wrabetz: "Es geht nicht darum, ein Wahlergebnis abzuwarten"

Alexander Wrabetz könnten nach dem 15. Oktober harte Zeiten drohen, sollte Schwarz-Blau kommen. Nach außen hin gibt sich der ORF-Chef einigermaßen gelassen - noch.

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Anmerkung: Dieses Interview stammt aus dem Special "profil.bestseller".

INTERVIEW: MARLENE AUER, CHRISTIAN RAINER

profil.bestseller: Sie wurden im Vorjahr zum dritten Mal in Folge zum Generaldirektor gewählt. Bei Ihrer Wiederbestellung meinten Sie, gut darin zu sein, Mehrheiten zu schaffen. Jetzt steht die Nationalratswahl vor der Tür. Auf welche Mehrheiten setzen Sie nun? Alexander Wrabetz: Mein Team und ich sind auf fünf Jahre gewählt. Daher gehe ich davon aus, dass wir unsere Arbeit fortsetzen können. Unabhängig davon, wie sich Mehrheiten im Parlament oder in der Bundesregierung zusammensetzen.

profil.bestseller: Es gab 2001 jedoch schon einmal den Fall, dass schlicht das Gesetz geändert wurde und dadurch eine neue ORF-Führung gewählt werden musste. Erwarten Sie eine ähnliche Entwicklung? Wrabetz: Es ist bekannt, dass es in meinen Amtszeiten schon unterschiedliche Versuche gegeben hat, die Geschäftsführungsperiode zu verkürzen. Letztlich ist es aber nicht dazu gekommen. Ich habe mir eine gewisse Gelassenheit angewöhnt. Zudem müssen wir permanent unter Beweis stellen, dass es keinen sachlichen Grund gibt, etwas zu verändern, weil der ORF bestmöglich funktioniert. Dass es andere Motive geben kann, ist klar.

profil.bestseller: Andere als im Jahr 2001? Wrabetz: Damals war ja die Änderung des ORF-Gesetzes mit Bezug auf die Einführung von Privatfernsehen der Grund, jedenfalls wurde das behauptet. Jetzt aber spricht sehr viel dafür, dass der ORF seine wichtige Rolle im Land weiter ausüben können soll. Wenn jemand Akzente setzen will, auch im Hinblick darauf, wie man die Organe des Unternehmens verändern könnte, so ist das in den nächsten Jahren ja möglich, das kann ohne Weiteres in vier Jahren mit einer neuen Geschäftsführungsperiode in Kraft treten.

profil.bestseller: Gab es Avancen, Gespräche oder Hinweise vonseiten der möglichen Bundeskanzler auf die Zeit nach der Wahl und mögliche Veränderungen? Wrabetz: Nein.

Ich glaube, dass ich den Job als Generaldirektor ganz gut kann und eine erfolgreiche Bilanz der letzten elf Jahre vorweisen kann.

profil.bestseller: Wenn es zu einer schwarz-blauen Regierung kommen sollte, könnten sich gewisse Kräfte im Stiftungsrat verändern. Falls es so sein sollte: Fürchten Sie durch diese Umfärbungen Schwierigkeiten? Wrabetz: Nein. Warten wir einmal den 15. Oktober ab, und dann wird man mit den Situationen umgehen. Abgesehen davon: Ich glaube, dass ich den Job als Generaldirektor ganz gut kann und eine erfolgreiche Bilanz der letzten elf Jahre vorweisen kann. Ich habe gezeigt, dass die Linie der journalistischen Unabhängigkeit fortgesetzt wurde, dass wir das Unternehmen ökonomisch im Griff haben und die Herausforderungen der Digitalisierung bewältigen. Ich glaube nicht, dass eine allenfalls verändert zusammengesetzte Regierung als Erstes gleich ein neues ORF-Gesetz verabschiedet, auch weil man sich nicht unbedingt in die Riege jener Länder einreihen will, die das getan haben.

profil.bestseller: Parallel wird immer wieder eine Verkleinerung des Stiftungsrats diskutiert. Bereits Werner Faymann stieß dieses Thema an, jüngst auch der neue Stiftungsrat Heinz Lederer. Wie stehen Sie dazu? Wrabetz: Als Manager sucht man sich die Zusammensetzung seiner Aufsichtsorgane nicht aus. Aber diese große Vielfältigkeit des Stiftungsrats war für die Entwicklung des ORF von Vorteil. Ich finde es gut, dass auch die Bundesländer und Oppositionsparteien vertreten sind und ebenso dass nicht nur die Regierung entsendet -wie es in manchen Ländern der Fall ist -, sondern auch das Parlament. Daher finde ich die Zusammensetzung des Gremiums und auch die Größe in Ordnung. Kein einziger notwendiger Beschluss oder Kontrollmechanismus ist durch die Größe behindert worden.

profil.bestseller: Normalerweise sind die Eigentümervertreter in solchen Gremien Experten oder Vertreter des Betriebsrats. Nun besteht dieses Gremium zu 50 Prozent aus Menschen, die von Medien oder dem ORF im Besonderen so viel verstehen wie wir vom Ariensingen. Sollten dort nicht ausnahmslos Experten sitzen? Wrabetz: Für wesentliche Kontrollfunktionen sitzen dort Experten, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Unternehmer und Manager - wie es durchaus auch in anderen Aufsichtsräten üblich ist. Und welchen Medienexperten gibt es im Lande, der nicht in irgendeiner Form auch bei anderen Medien tätig ist? So wie bei einer Bank meistens nicht Vertreter anderer Banken im Aufsichtsrat sitzen ...

profil.bestseller: Das ist aber durchaus üblich. So, wie zum Beispiel Herr Schütz in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank einzieht - und Banker in Österreich ist. Oder der Chef einer großen deutschen Versicherung den Posten des Aufsichtspräsidenten innehat - und aus dem Finanzgewerbe kommt. Wrabetz: Ja, aber diese Personen stehen nicht in einer unmittelbaren Konkurrenzsituation. Bei der Kleinheit des österreichischen Marktes finde ich die klare Trennung selbstverständlich gut. Die Möglichkeit des Zurückgreifens auf emeritierte Medienexperten ist in der schnelllebigen Zeit auch nicht das Richtige.

Es hat sich international bewährt, dass der öffentlich-rechtliche Auftrag von einem Unternehmen erfüllt wird.

profil.bestseller: Also besser ein junger Landwirt als ein emeritierter Medienexperte? Es gibt auch die Idee, dass man den Stiftungsrat zwar in der Größe belässt, allerdings handlungsfähiger macht. Wrabetz: Das unterstellt, dass ein Problem vorläge. Das ist aber nicht der Fall. Wir haben mit dieser Struktur die größten Veränderungsprozesse - von Digitalisierung über die Einführung voller Konkurrenz bis hin zur Wirtschaftskrise gut bewältigt. Es hat nie daran gekrankt, ob ein paar Menschen mehr oder weniger im Gremium vertreten sind. Natürlich mag das französische System für manche verlockend sein. Dort gibt es fünf Mitglieder, die vom Staatspräsidenten ernannt werden. Das ist möglicherweise ein sehr effizientes Kontrollsystem, aber zugleich eines, das einen sehr unmittelbaren Zugriff ermöglicht. Bei 35 Stiftungsräten wäre es komplizierter und langwieriger, alle auf eine politische Linie zu bringen.

profil.bestseller: Großes Thema der Diskussionen zwischen dem ORF und den Privatsendern, aber auch den Printmedien ist die Medienabgabe. Sie haben sich zuletzt gegen eine Haushaltsabgabe, wie es sie etwa in Deutschland gibt, ausgesprochen. Andererseits könnte man sagen, dass der öffentlich-rechtliche Auftrag nicht nur vom ORF erledigt wird. Wie kann man noch argumentieren, dass nur der ORF Gebührengeld erhält? Wrabetz: Es hat sich international bewährt, dass der öffentlich-rechtliche Auftrag von einem Unternehmen erfüllt wird. Nur in Neuseeland etwa hat man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mehr oder weniger abgeschafft, jetzt kehrt man wieder dazu zurück. Ich glaube, es gibt auch keine kommerzielle Mediengruppe, die sich gerne einer öffentlichen Kontrolle wie einer Rechnungshofkontrolle oder einem Parlament unterwerfen würde.

profil.bestseller: Durchaus wären manche Medienhäuser dazu bereit. Man kann argumentieren, dass der ORF viel mehr ein Mischprodukt ist, als es die Presse, das profil oder auch andere Produkte sind. Ist es nicht etwas kurz gegriffen, das am Produkt festzumachen? Wrabetz: Es gibt ja eine öffentlich-rechtlich finanzierte Zeitung: die Wiener Zeitung. Das ist ja schon erfunden. Wir haben aber eine neue Entwicklung. Durch die Digitalisierung verändert sich die Ehe zwischen Werbung und Inhalt. Werbung geht direkt, ohne die Verbindung zu einem Inhalt zum Kunden. Insofern ist das Grundgerüst von Medien gerade jetzt essenziell -in dieser zerfallenden, digitalisierten, individualisierten, Fake-News-bedrohten Gesellschaft. Es ist richtig, dass man Überlegungen anstellt, aber die Antwort kann nicht sein, alle in öffentlich finanzierte Unternehmen zu verwandeln. Ich freue mich ja, wenn wir kommerzielle Konkurrenz haben. Das ist eben ein duales System. Es zu vermischen, halte ich aber nicht für sinnvoll. Was man hingegen braucht, ist eine breite Allianz zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Medien, auf österreichischer und europäischer Ebene.

profil.bestseller: Über alle Mediengattungen hinweg? Wrabetz: Ja. Im Sinne dessen, dass man zwar nicht alles, aber vieles gemeinsam macht. Dem jüngsten VÖP-Papier ist zu entnehmen, dass die Privatsender zwar vieles gemeinsam mit uns machen wollen, aber davor soll der ORF aus dem Markt verschwinden. Das ist nicht diese Form von Gemeinsamkeit, die ich mir vorstelle.

profil.bestseller: Sie haben dieses Papier als "medialen Putschversuch" betitelt. Wrabetz: Ich habe es auch Chuzpe genannt, wahrscheinlich der passendere Begriff, weil es ein Zwiesprech ist. Der VÖP sagt darin etwa: Man möchte einen großen, starken ORF, aber er soll mindestens um zwei Drittel kleiner werden. Der ORF soll werben können, aber nicht nach 20 Uhr. Der ORF soll eine Radioflotte haben, aber zwei Sender sollen ins DAB+-Nirwana und damit aus dem Radiomarkt verschwinden. Der ORF soll Ö3 machen können, aber so, dass es niemand hören will. Um auf das vorige Thema der Zusammenarbeit zurückzukommen: Es gibt bereits Bereiche der Kooperation zwischen TV -und damit meine ich nicht nur den ORF, sondern auch manche Privatsender -und Verlagen, wie etwa die Videoaustauschplattform der APA. Darüber haben Printmedien Zugriff auf unser Bewegtbild, vermarktet wird gemeinsam. Wir diskutieren jetzt die Frage, wie wir mit dem Ansteigen von Programmatic Advertising umgehen und ob wir einen Austrian Marketplace schaffen, um das Abwandern österreichischer Werbung zu den Googles und Facebooks wenigstens zu bremsen. Zudem würde ich eine österreichische F&E-Allianz vorschlagen, zum Beispiel gemeinsam mit der FH Hagenberg und eventuell österreichischen Start-ups.

profil.bestseller: Um was zu entwickeln? Wrabetz: Zum Beispiel bei der Entwicklung gemeinsamer Log-in-Lösungen für unsere Produkte. Es geht um den Zugang, den wir Medien allesamt künftig zu unseren Kunden haben. Österreich steht bei der Ausschreibung von 5G vor einer Richtungsentscheidung. Ich plädiere sehr dafür, dass das jetzt nicht wieder versteigert wird an den Höchstbieter, sondern ein Beauty-Contest durchgeführt wird. Als Kriterien sollten, neben dem Geld, auch bundesweites Roll-out und Zugang für österreichische Medien festgelegt werden. Zuerst wurden zwei Milliarden für Breitbandfrequenzen erlöst und dann wurde eine Milliarde als Breitbandmilliarde wieder zurückgegeben. Trotzdem rutschte man in der Infrastruktur weit nach hinten. Es sind Qualitätskriterien bei Themen wie Netzneutralität, Auffindbarkeit, Unveränderbarkeit und Inhalten festzulegen, damit wir hier aufholen können und österreichische Medienanbieter einen fairen Zugang haben.

profil.bestseller: Wir diskutieren also, was wir mit dem 5G-Projekt machen werden oder ob es ein bisschen Presseförderung geben kann. Möglicherweise wird das aber nicht reichen. Die Auflage der Tageszeitungen in Deutschland hat sich in den vergangenen zehn Jahren halbiert. Gefragt als Medienmacher, nicht als ORF-Generaldirektor: Wo sehen Sie die Printmedien in zehn Jahren? Wrabetz: Wir sind im deutschsprachigen Raum immer noch Printkaiser, aber auch dieses Segment wird sich verändern und sich zum Teil rein digitalisieren. Wahrscheinlich wird es zu einer Konzentration des Markts kommen.

profil.bestseller: Konzentration heißt: Printmedien sterben? Wrabetz: Ja, aber nicht alle. Es werden einige übrig bleiben, und die werden weniger Leser oder verkaufte Exemplare haben. Eine geringere Zahl an Printmedien wird Modelle finden, mit denen sie überleben können.

profil.bestseller: Würde es aber eine Haushaltsabgabe geben, käme es zu Mehreinnahmen. Diese könnten dann ja umgelenkt werden, um den Printsektor zu stärken. Wrabetz: Diese Modelle des Umlenkens gibt es ja jetzt schon. Unter dem Titel "ORF-Gebühren" laufen 300 Millionen an verschiedene öffentliche Kassen. Niemand hindert die Politik daran, zu sagen, dass die Österreicher hier Dinge finanzieren, die mit Medien nichts zu tun haben - und diese Summe fortan wahren Medienzwecken zuzuführen, muss nicht mit einer Haushaltsabgabe verknüpft werden.

Es geht nicht darum, ein Wahlergebnis abzuwarten. Es ist vielmehr so, dass ich solche Positionen nicht in einer Zeit besetze, in der so viel zu tun ist.

profil.bestseller: Also Schluss mit der Täuschung der Gebührenzahler? Wrabetz: Ich sage nur, es wäre einfacher. Außerdem haben wir ja gesehen, welche großen Diskussionen eine Gebührenanpassung ausgelöst hat - bis hin zur Thematik der Abschaffung des ORF. Insofern geht das bis zur Frage der Existenz. Deshalb bin ich für eine laufende Valorisierung. Da geht es dann um sehr kleine Beträge pro Gebührenzahler. Und ein noch zu definierender Teil der Mehreinnahmen z. B. des Bundes im Zuge einer Gebührenvalorisierung könnte in einen Medienförderungstopf wandern.

profil.bestseller: Zusätzlich zur Gebührenanpassung stiegen vergangenes Jahr die Werbeerlöse des ORF, die Enterprise schloss mit einem Plus ab. Auf der anderen Seite wird ein Sparpaket geschnürt. Wie viel Geld braucht der ORF eigentlich noch? Wrabetz: Wir haben eine Mittelfristplanung, die wir erfüllen müssen, weil ich nicht davon ausgehe, dass wir zusätzlich noch Geld bekommen werden. Das heißt, um unseren Auftrag zu erfüllen, müssen wir gut haushalten. Das ist wegen einiger Entwicklungen wie laufender Kostensteigerungen oder teurer Sportrechte extrem schwierig. Daher müssen wir das kompensieren. Wir müssen einsparen.

profil.bestseller: Mitunter wird beim Personal gespart. Wie hoch war der Rücklauf Ihres Schreibens an die Mitarbeiter, in dem es Angebote für Handshakes und vorzeitige Ausstiege gab? Wrabetz: So, dass wir unsere Ziele erreichen werden. Nicht aber beim missverstandenen Frühaussteiger-Programm - das ist überschaubar.

profil.bestseller: Wäre die Formulierung verbesserungsfähig gewesen? Wrabetz: Ja.

profil.bestseller: Kommen wir zu weiteren Interna. Es scheint einen Reformstau zu geben. Manche meinen, das hänge mit der Wahl zusammen. Andere sagen, Sie als Generaldirektor würden Entscheidungen stets verschieben. Die Themen reichen von Channel-Managern über den Chief Digital Officer bis hin zu Hierarchie- und Durchgriffsrechten. Werden Sie diese Punkte Ihrer Agenda nach der Wahl noch durchziehen? Wrabetz: Ja. Ich werde Channel-Manager für ORF eins und ORF 2 bestellen. Den Chief Digital Officer habe ich ja realisiert, wenn auch in leicht veränderter Form. Die Idee im Digitalbereich war, diesen Teil der Technikdirektion zu mir zu ziehen - unter der Führung von Thomas Prantner. Jetzt ist es zwar in der technischen Direktion geblieben und die Position heißt "stellvertretender technischer Direktor". Aber inhaltlich ist dieser Punkt umgesetzt, auch mit mehr Digitalkompetenzen als zuvor.

profil.bestseller: Ist es nicht eigenartig, dass man bei einem unabhängigen ORF die Channel-Manager nicht völlig unabhängig von einer Wahl einsetzen kann? Wrabetz: Das wird leider - manchmal wohl bewusst - missverstanden. Es geht nicht darum, ein Wahlergebnis abzuwarten. Es ist vielmehr so, dass ich solche Positionen nicht in einer Zeit besetze, in der so viel zu tun ist. Wir bereiten so viele Wahlsendungen vor wie noch nie. Da möchte ich nicht, dass die wesentlichen Entscheidungsträger, insbesondere im Informationsbereich, tagelang in Hearings sitzen und mitten in einer sensiblen Zeit Verantwortlichkeiten unklar sind.

profil.bestseller: Stattdessen haben Sie aber eine andere Strukturänderung umgesetzt und die Info-Verantwortung von Programmdirektorin Kathrin Zechner übernommen. Soll das so bleiben? Wrabetz: Das war seit knapp einem Jahr klar und öffentlich bekannt. Bei der Ausschreibung der Funktionen der Direktionen im August 2016 war der Informationsbereich bei der Programmdirektorin nicht angeführt und alle Funktionen, die nicht explizit angeführt sind, sind beim Generaldirektor. Der Plan ist, dass diese Informationsbereiche dann im Zusammengang mit der Einführung des Channel-Management-Prinzips neu strukturiert werden. Bis dahin bin ich direkt zuständig. Nachdem unsere Verantwortlichen ihre Arbeit sehr gut machen, ist es aber auch keine wesentliche zusätzliche Belastung für mich.

profil.bestseller: Im Umkehrschluss könnte daraus der Eindruck entstehen, Frau Zechner hätte in diesem Bereich keine Arbeit gehabt. Wrabetz: Auch in der Fernsehdirektion war die Information bisher eine von zwölf Hauptabteilungen und ich sage ja nicht, dass ich nichts zu tun habe. Nur finde ich es richtig, dass Chefredakteure und Sendungsverantwortliche ihre Bereiche selbstständig führen und auch verantworten.

profil.bestseller: Formal unterstehen die Journalisten aber immer noch der Programmdirektorin. Wie funktioniert die Hierarchie dann, wenn die Ebene der Channel-Manager zusätzlich eingezogen wird? Wrabetz: Die Channel-Manager werden eine große Selbstständigkeit haben. In strategischen Fragen stimmen sie sich mit mir ab, in programmlichen Fragen mit der Programmdirektorin.

Natürlich nutzen wir die Synergien. In Summe müssen wir ja 300 Millionen Euro einsparen.

profil.bestseller: Strategie und Programm hängen aber zusammen, nicht zuletzt auch im budgetären Bereich. Wer entscheidet dann was? Wrabetz: Das wird ganz genau festgelegt sein.

profil.bestseller: Gibt es stattdessen im Bereich des trimedialen Newsrooms Neuigkeiten? Das Projekt verzögert sich nicht nur, sondern scheint ganz verschwunden. Wrabetz: Wenn wir bis Jahresende die bauliche Genehmigung für das notwendige Gebäude nicht bekommen, werden wir Plan B umsetzen.

profil.bestseller: Wie sieht diese Alternative aus? Wrabetz: Dass wir ab November einen bimedialen Newsroom einrichten. Die Teams von ORF-On in Heiligenstadt und von der ORF eins Info werden dann im dritten Stock des Hauptgebäudes am Küniglberg zusammengeführt. Auch der Teletext, der jetzt im Radio ist, soll hier konzentriert werden.

profil.bestseller: Klingt danach, als wäre der trimediale Newsroom nicht mehr Ziel des Generaldirektors. Wrabetz: So ist es nicht. Aber es hat ja keinen Sinn, uns bis 2023 im Trockentraining zu beschäftigen. Wenn wir nicht zusätzliche Raumkapazitäten haben, können wir am Ende des Tages auch nicht alle hier konzentrieren. Das betrifft Ö1 und FM4.

profil.bestseller: Ist der Verkauf des Funkhauses also gestoppt? Wrabetz: Wir haben eine vernünftige Lösung mit Rhomberg verhandelt und abgeschlossen, dass wir das Funkhaus in Modulen verkaufen können - aber nicht alle verkaufen müssen.

profil.bestseller: Welche Module werden die ersten sein? Wrabetz: Die Grünfläche, das ist schon in Umsetzung. Weitere Elemente können dann in Teilschritten später verkauft werden. Oder eben auch nicht. Wenn wir nicht alle Genehmigungen für den Zubau in angemessener Zeit erhalten, werden nicht alle vom Funkhaus auf den Küniglberg übersiedeln können.

profil.bestseller: Wie wirkt sich diese Umkehr aufs Budget aus, ist man hier noch im Plan? Wrabetz: Ja. Wir beginnen jetzt mit dem Bauteil zwei. Bei den weiteren Sanierungsteilen haben wir ein Konzept mit Architekten und Statikern entwickelt, das uns ermöglichen sollte, nicht nur innerhalb des Plans zu bleiben, sondern auch die bisher entstandenen Mehrkosten aufzufangen.

profil.bestseller: Trotz der aufwendigen Sanierungen? Wrabetz: Das ist das Ziel. Selbst der fertig geplante Neubau wäre nun kostenmäßig im Plan, aber wir haben eben noch keine Genehmigungen. Wenn wir ihn nicht bauen, sondern durch Umbauten hier im bestehenden Raumkonzept machen, werden die Kosten natürlich weniger.

profil.bestseller: Womit wir wieder beim Sparen wären. War das auch der Grund für die Umstrukturierung bzw. Ausweitung des Frühfernsehens in eine ganze Tagesschiene? Wrabetz: Ich bin mit der Frühzone sehr zufrieden, wir erreichen 300.000 bis 400.000 Menschen, die zumindest einen Slot des Programms sehen. Die Idee des Konzepts von "Guten Morgen Österreich", nämlich bei den Menschen im Ort zu sein, funktioniert. Deshalb legen wir das nun auch in der Vorabendstrecke um.

Sport gehört in der fragmentierten, digitalen Gesellschaft zu den wenigen Dingen, die Gesellschaften zusammenhalten. Dieses Verbindende darf nicht abwandern in eine Hand voll Pay-Kanäle der unterschiedlichsten Art.

profil.bestseller: Damit wurde allerdings ein ganzes Studio eingespart. Wrabetz: Natürlich nutzen wir die Synergien. In Summe müssen wir ja 300 Millionen Euro einsparen. Das ist jetzt ein erster Bereich dafür, den mein Transform-Team ausgearbeitet hat.

profil.bestseller: Kolportiert wurden zu Beginn des Frühfernsehens ca. sieben Millionen Euro pro Jahr an Kosten für das Format. Wie viel kostet es nun? Wrabetz: In Summe sparen wir in der Daytime vier Millionen ein.

profil.bestseller: Wer ist noch Teil dieses Transform-Teams? Wrabetz: Der stellvertretende Finanzdirektor Roland Weissmann, der stellvertretende Technikdirektor Thomas Prantner, außerdem Roland Brunhofer und Karlheinz Papst.

profil.bestseller: Dieses Quartett soll also nun Konzepte ausarbeiten, mit denen die 300 Millionen Euro eingespart werden können? Wrabetz: Das ist einer der Hauptpunkte. Es geht darum, wie wir mit 300 Mitarbeitern weniger und gesteigertem Output gleichzeitig eine Verbesserung der ganzen Abläufe erzielen können. Ein weiteres Projekt wird der Selbstfahrerbetrieb im Regiebereich sein. Hier werden wir bei kleineren Informationssendungen auf neue Systeme umsteigen. Wichtig ist auch die Personalentwicklung im Sinne der Ausbildung und richtigen Einsetzung der Mitarbeiter. Es ist eine Art Neuerfindung des ORF.

profil.bestseller: Immer teurer werden indes die Sportlizenzen. Wie sehr würde es Sie als Rapid-Anhänger schmerzen, die Bundesliga aus Kostengründen nicht mehr im ORF ausstrahlen zu können? Wrabetz: Sehr. Aber ganz grundsätzlich: Sport gehört in der fragmentierten, digitalen Gesellschaft zu den wenigen Dingen, die Gesellschaften zusammenhalten. Zuletzt war das sehr schön am Erfolg des Frauenfußballs erlebbar. Dieses Verbindende darf nicht abwandern in eine Hand voll Pay-Kanäle der unterschiedlichsten Art, sondern muss in der Kernsubstanz öffentlich bleiben. Das muss nicht immer beim ORF sein, es kann auch im kommerziellen Fernsehen stattfinden. Aber es darf nicht hinter Pay-Schranken verschwinden. Das ist nicht mehr national lösbar, da ist jetzt Europa gefordert.

profil.bestseller: Als Gegenargument wird häufig genannt, Verbände lukrieren durch die höheren Lizenzen mehr Einnahmen und dies sei als Investment in den Sport zu betrachten. Wrabetz: Ich verstehe, dass Verbandsfunktionäre der internationalen Verbände ihre Einnahmen optimieren wollen. Aber es kann ja auf Dauer nicht sein, dass die öffentliche Hand die Stadien baut, die Infrastruktur und die Sicherheit bereitstellt, damit dann einige wenige Milliardäre dafür sorgen, dass nur rund zehn Prozent der Bevölkerung das Ereignis noch sehen können. Damit schadet man dem Sport. Das sehen auch viele weitsichtige Sportfunktionäre in Österreich so.

profil.bestseller: Aber wie kann man die Sportrechte dem freien Markt entziehen, so, wie Sie das gerade vorschlagen? Wrabetz: Es gibt jetzt schon EU-konforme Listen von Ereignissen besonderer Bedeutung, die im Free-TV bleiben müssen. Die gilt es auszuweiten.

profil.bestseller: Momentan geht es aber noch darum, wie viel Cash auf den Tisch gelegt wird. Im Fall der Bundesliga sollen angeblich nur ORF und Sky mitbieten. Sky soll mit 30 Millionen ins Rennen gegangen sein. Und der ORF? Wrabetz: Wir haben die Werte nie kommentiert.

profil.bestseller: Falls Sky den Zuschlag erhalten sollte: Ist es für Sie denkbar, mit dem Sender einen Deal zu vereinbaren, etwa in Form von Sublizenzen? Wrabetz: Wir haben derzeit bei der Bundesliga mit Sky keine direkte, aber eine indirekte Zusammenarbeit, die gut funktioniert. Es bringt aber nichts, wenn Sky alibihalber drei bis vier Spiele pro Saison einem Privatsender gibt.

profil.bestseller: Vorhin sagten Sie noch, es gehe in erster Linie darum, Sportereignisse nicht hinter Pay-Schranken zu setzen. Wrabetz: Derzeit ist ein Spiel pro Runde bei uns, und damit gewährleisten wir das. Alle anderen Spiele sind ohnehin schon bei Sky.

profil.bestseller: Wie steht es um Ski und Formel 1? Wrabetz: Das Rennen um die Skilizenzen ist ein laufendes Verfahren, das wollen wir natürlich sehr gerne fortsetzen. Bei der Formel 1 läuft der Vertrag noch einige Jahre. Die Gespräche mit den neuen Eigentümern haben aber schon begonnen. Und um auf Fußball zurückzukommen: Hier liegt der Ball jetzt bei der Bundesliga.

profil.bestseller: Und darum werden Sie kämpfen? Wrabetz: Ja.

ALEXANDER WRABETZ Der 57-jährige Wiener wurde vor etwas über einem Jahr in seine dritte Amtsperiode als ORF-Generaldirektor gewählt. Davor war er unter anderem Chef der früheren Voest-Tochter Intertrading und der zur ÖIAG gehörenden Vamed sowie Generalsekretär der Austrian Industries.