Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Denkblockaden

Denkblockaden

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Die SPÖ hat Recht, wenn sie fordert, dass die Masseneinkommen zumindest im Ausmaß der kalten Progression entlastet werden müssen und dass sich als Gegenfinanzierung eine Erhöhung der vermögensbezogenen Steuern anbietet. Das erfüllte ansatzweise auch die von der OECD seit Jahren erhobene Forderung, dass Österreich seine extrem niedrigen Vermögenssteuern anheben sollte, um die extrem hohen Steuern auf Arbeit zu senken.

Die ÖVP hat freilich ebenfalls Recht, wenn sie fordert, vorhandenes „Sparpotenzial“ in der Verwaltung auszuschöpfen.
Die EU (Angela Merkel) hat zwar in meinen Augen massiv Unrecht, wenn sie inmitten einer Absatzkrise staatliches Sparen fordert (weil nicht mehr verkauft werden kann, wenn weniger gekauft wird), aber wir sind leider zu diesem Sparen verpflichtet.

Wie lassen sich diese drei Forderungen gleichzeitig erfüllen?

Zuerst einmal, indem man sie gedanklich auseinanderhält. Am einfachsten zu erfüllen ist die Forderung der OECD, das Missver­hältnis von vermögensbezogenen Steuern zu Steuern auf Arbeit zu beseitigen. Steuern auf Arbeit machen in Österreich 57 Prozent der Gesamtabgaben aus – um zehn Prozent mehr als im Schnitt der EU. Steuern auf Vermögen machen hingegen bloß 1,2 Prozent aller Abgaben aus – gegenüber 3,5 Prozent im EU-Schnitt.

Auch wenn er es diversen recht wirtschaftskundigen Millionären von Hannes Androsch bis Hans Peter ­Haselsteiner nicht auf Anhieb glaubt, sollte Michael Spindelegger am Ende doch intellektuell in der Lage sein, zu begreifen, dass höhere Steuern auf Grundstücke das Wirtschaftswachstum weniger beeinträchtigen als zu hohe Lohn­­­­steuern. Damit könnte er sich vielleicht doch bereitfinden, dieses Missverhältnis aufkommensneutral zu beseitigen: die Lohnsteuern in dem Ausmaß zu senken, in dem man die Grundsteuern anhebt. Dabei gibt es zwar eine Zeitverschiebung – die Steuersenkung entfaltete ihre Wirkung sofort, die höheren Grundsteuern gingen erst später ein – aber alles, was voran Geringverdiener bei dieser Steuerreform dazubekämen, verkonsumierten sie sofort, sodass die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer und aus Unternehmenssteuern stiegen. Man könnte diesen Reformschritt also ohne viel Risiko setzen. Denn Grundstücke kann man auch nicht ins Ausland transferieren.

Um Angela Merkels in meinen Augen höchst kontraproduktiven (in den Augen der Deutschen aber höchst sinnvollen) Sparpakt zu erfüllen, sind jedoch gleichzeitig Einsparungen bei den Staatsausgaben unvermeidlich. Sie werden die Absatzkrise umso weniger vertiefen, je weniger sie die staatlichen Investitionen vermindern. Weniger Tunnels zu bauen, wäre daher vom konjunkturellen Standpunkt her falsch – auch wenn mehr Schulbauten besser wären.

Einen wirklich großen, konjunkturpolitisch unbedenklichen Einsparungsbrocken sehe ich nur im Zusperren der viel zu vielen Kleinspitäler.

Alles andere ziffernmäßig Gewichtige – Vermindern der budgetären Pensionszuschüsse oder der Förderungen – ist in Wirklichkeit kein „Sparen“, sondern ein „Wegnehmen“ und daher allenfalls bei den Förderungen, nicht aber den Pensionen vertretbar. Denn deren Verminderung (sofern es sich nicht um Luxuspensionen handelt) verringerte sofort die konjunkturell so wichtige Massenkaufkraft.

Natürlich gibt es Möglichkeiten, bei der Verwaltung zu sparen. Aber sie werden sich als kleiner als erhofft (und von Franz Fiedler, Georg Kapsch oder Christoph Leitl behauptet) herausstellen. Denn dass schon bloße Verwaltungsvereinfachung große Einsparungen erbrächte, ist rea­litätsfremd – so sinnvoll solche Vereinfachungen auch sind. Große Beträge erspart man sich nur bei den Personalkosten. Und da wiederhole ich, was ich hier kürzlich im Detail erläutert habe: Im Gegensatz zu einem weit verbreiteten und höchst populären Vorurteil hat Österreich die nach Deutschland schlankste Verwaltung der EU (1).

Jedenfalls sollte man sich im Klaren sein: Was immer man an Beamten einspart und/oder Beamten wegnimmt, vermindert wahrscheinlich die Effizienz von Behörden und mit Sicherheit die Massenkaufkraft – und damit die Einkäufe bei den von Kapsch und Leitl vertretenen Unternehmen und Betrieben.

Merkels Sparpakt angesichts der aktuellen Konjunkturschwäche zu verwirklichen, wird daher tatsächlich intensiven Nachdenkens und großen Fingerspitzengefühls bedürfen, wenn es nicht furchtbar nach hinten losgehen soll.

Meines Erachtens gibt es nur folgende wenig originelle Lösung:
Sowohl die relativ harmlosesten (konjunkturneutral­sten) Einsparungen der Staatsausgaben durchzuführen, wie die ÖVP das fordert.

Als auch, wie die SPÖ das fordert, die vermögensbezogenen Steuern zu erhöhen, um eine steuerliche Entlastung im Ausmaß der kalten Progression gegenzufinanzieren.

Alles andere kann sich nicht ausgehen. Beziehungs­­weise ginge zulasten von Österreichs derzeit noch relativ passabler Konjunktur.

(1) Laut OECD liegt Österreich mit 11,4 Prozent Beschäftigten, deren Gehalt aus dem Budget bezahlt wird, im letzten Viertel der Mitgliedsländer. In der EU hat nur Deutschland mit 10,8 Prozent einen schlankeren Staat.

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