Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Inteam Stronach

Inteam Stronach

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Frank war dabei, mit jener Hand, die gerade nicht von der neben ihm knieenden Kathrin Nachbaur manikürt wurde, den Bonus für die Mitarbeiter seiner Parteiakademie abzuzeichnen – die braven Burschen hatten in ihrer jüngsten historischen Forschungsarbeit herausgefunden, dass Franks Vater keineswegs „Anton“ geheißen habe, sondern „Gott“ –, als er eine Idee hatte.

„Du!“, sagte er, weil er sich die Namen seiner Blondinen einfach nicht merken konnte, wozu denn auch?, „Du! Ich habe eine Idee!“ Die Klubobfrau hörte kurz auf, den unter den Fingernägeln hervorgekratzten Dreck zwischen zwei Bleikristallplättchen mit goldenem Rahmen zu versiegeln, um ihn an der Wand ihres Parlamentsbüros der dankbaren Nachwelt erhalten zu können, und strahlte den größten Denker, von dem sie jemals gehört hatte, haltlos an.

„Schon wieder!“, rief sie mit zart geröteten Wangen aus. „Super!“
Wenn Frank ein Wort in seiner Nähe gern hörte, dann dieses.
„Dos kaunnst du laut sogen!“, sagte er laut. Die Idee war nämlich, wie nicht anders zu erwarten, schlicht großartig. Manchmal wunderte sich Frank ja ein wenig, dass diese Ideen immer weltexklusiv ihm zuflogen. Aber andererseits war er nun einmal auch weltexklusiv Frank. Sowas wurde ja heute gar nicht mehr gebaut.

Die Idee war sogar noch besser als die, Österreich zum Fußballweltmeister 2006 zu machen. Dabei war dieser in seiner schlichten Eleganz fürwahr bestechende Plan ja schlussendlich nur hauchdünn daran gescheitert, dass das damalige Team Stronach wegen lächerlicher zehn Punkte Rückstand in der Qualifikation gar nicht zur WM fahren hatte dürfen. Also am für jedermann leicht erkennbaren Unwillen der ferschelnden Mitarbeiter, Franks Genie wenigstens ansatzweise zu verinnerlichen.

Die Idee war wohl auch besser als die, mit der Enterprise nach Alpha Centauri zu fliegen, um mit den dortigen Außerirdischen über die Ansiedelung eines Magna-Werkes zu verhandeln. Dieses Vorhaben hatte Frank dann allerdings wegen der fehlenden Garantie der Alpha Centaurier, auf einen Betriebsrat zu verzichten, verworfen. Und natürlich auch aus Zeitgründen, weil Frank ja schon an der Umsetzung seines nächsten Coups arbeiten musste: auf dem unaufhaltsamen Weg zur politischen Weltherrschaft zunächst einmal mit Österreich anzufangen.
Dass hiebei allerdings ein bisschen was schiefgegangen war, das konnte auch Frank nicht bestreiten. Aber er wusste wenigstens sofort, wer daran schuld war: alle anderen.

Und er hatte durch dieses bedauerliche Kollektivversagen rund um ihn auch einen neuen Lieblingsfilm für sich entdeckt. Bisher war das ja „Doktor Schiwago“ gewesen. Nicht zuletzt deshalb, weil Frank, seit dieser Klassiker ins Kino gekommen war – und das musste, wie ihm sein untrügliches Zeitempfinden verriet, auch schon wieder ein, zwei Jahre her sein –, keinen anderen mehr gesehen hatte. Aber jetzt stand ihm der Sinn mehr nach Handfesterem: dem „Oberwaltersdorf-Kettensägenmassaker“.

Er hatte ja gar keine andere Wahl, als in seinem Team ordentlich aufzuräumen. Manche von diesen moralischen Bankrotteuren, die im Lauf ihrer sogenannten Karriere schon bei mehr Parteien gewesen waren, als der durchschnittliche Stronach-Wähler zählen konnte, und die Frank allesamt bei den Treffen der Anonymen Abgehalfterten eingesammelt hatte, glaubten auf einmal, sie könnten sich eine eigene Meinungssilbe erlauben. Oder ihm seinen Kredit nicht zurückzahlen.

Und wenn er dann ungehalten werden musste und sie hinauswarf, beschwerten sich diese Figuren auch noch! Statt froh zu sein, dass sie nicht von einem, im Gegensatz zu ihnen an beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten sehr interessierten, tschetschenischen Berufskiller besucht wurden. Oder ersatzhalber, falls ihnen diese Aussicht noch nicht ausreichend kalte Schauer über den Rücken jagte: von Peter Westenthaler.
Aus einem ihm nicht verständlichen Grund konnte er allerdings jetzt, wo ihn sein nach dem Auspacken doch entschieden zu klein ausgefallenes Polit-Spielzeug nicht mehr interessierte, die paar Pfeifen, die neben ihm und dieser Blonden in den Nationalrat gewählt worden waren, nicht durch seinen Chauffeur, seinen Masseur und seinen Coiffeur ersetzen. Obwohl er doch die Johannistriebfeder hinter allem gewesen war! Da sah man wieder einmal, in welch unglaublich verrottetem Zustand sich diese sogenannte Demokratie befand. Gut, wenigstens musste er diese Hohlhippen nicht auch noch bezahlen. Das tat ja nun, für die nächsten fünf Jahre, nicht zu knapp und voll im Sinne der Fairness, die Frank meinte, der Steuerzahler.
Jetzt hatte Nachbaur aber lange genug gewartet.

„Frank“, bettelte sie, nach der langen Pause, die ihr Mentor, Tutor, Nestor – also eigentlich ihr Universal-Tor – eingeschoben hatte, vor Spannung innerlich schon fast zerrissen, „sag doch endlich: Was hast du denn für eine Idee?“

Frank lächelte das gute Kind mit der gesamten ihm in die Wiege gelegten Freundlichkeit an und sagte dann: „Jetzt hab ich’s vergessen.“

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort