Reinhold Mitterlehner

ÖVP: Mitterlehner tritt zurück – kommt jetzt Kurz?

"Kein Platzhalter auf Abruf": Mit 15. Mai zieht sich Reinhold Mitterlehner als Vizekanzler und ÖVP-Parteichef zurück.

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ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner hat heute seinen Rücktritt aus der Politik angekündigt. In einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz kündigte er an, von allen Funktionen abzutreten. Einen Parteivorstand soll es voraussichtlich am Wochenende geben. Als Vizekanzler und Minister will er mit 15. Mai gehen.

Reinhold Mitterlehner zieht die Konsequenzen aus den Entwicklungen der vergangenen Monate und vor allem Tage. Er habe "keinen Sinn" mehr gesehen in den "Inszenierungen auf der einen Seite", Stichwort "Plan A", und in gegenseitigen Provokationen auf der anderen Seite, so Mitterlehner in der Parteizentrale.

Vizekanzler Mitterlehner (ÖVP) tritt zurück - Geier (ORF) über Mitterlehners Rücktritt

"Ich bin kein Platzhalter auf Abruf", sagt Mitterlehner in der Pressekonferenz. Auch brauche er keine Doppelfunktionen oder "gar verdeckte Strukturen". "Ich lege daher alle Funktionen in der Partei und der Regierung zurück", meinte Mitterlehner. Wichtig sei ihm dabei gewesen, diesen Schritt selbst zu definieren. Der "letzte Mosaikstein" sei dann die Anmoderation in der ORF-ZIB2 gewesen, wo erklärt wurde, dass auf "Django" bereits die Totengräber warten würden. Zu seinem "Selbstschutz" und dem der eigenen Familie ziehe er nun die Konsequenzen.

Zuletzt war öffentlich über Mitterlehners Rücktritt spekuliert worden. Nachfragen in diese Richtung wurden vorerst von der ÖVP nicht beantwortet.

Bundeskanzler Kern will mit ÖVP und Kurz weiterregieren

Bundeskanzler Kern denkt auch nach dem Rücktritt von Vizekanzler Mitterlehner nicht daran, die Koalition mit der Volkspartei zu beenden. Die nun anstehende Klärung bei der ÖVP könne auch eine Chance für Österreich und die Regierung sein. Er biete der ÖVP und Außenminister Sebastian Kurz eine "Reformpartnerschaft für Österreich" an, so Kern bei einem kurzen Statement.

Wie der SPÖ-Vorsitzende weiter ausführte, lägen ausreichend Konzepte vor, um das Land weiter nach vorne zu bringen. Jetzt gehe es ausschließlich darum, diese auch umzusetzen. Sein Ziel sei es, gemeinsam mit der ÖVP etwas für das Land und die Kinder weiterzubringen.

Der Abgang Mitterlehners freut Kern freilich nicht: "Ich bedaure seine Entscheidung, wiewohl ich sie natürlich verstehen und akzeptieren kann." Aus Sicht des Kanzlers habe sich die einjährige Zusammenarbeit mit dem Vizekanzler durchaus bewährt. Zwar sei das Ziel in der Koalition durchwachsen gewesen, die Ergebnisse aber herzeigbar.

Zur Person Mitterlehner:

Reinhold Mitterlehner, geboren am 10. Dezember 1955 in Helfenberg (Oberösterreich), verheiratet, Vater von drei Kindern. Promovierter Jurist, 1980-1992 in der Wirtschaftskammer Oberösterreich tätig, im Anschluss bis 2000 Wirtschaftsbund-Generalsekretär, danach bis 2008 stellvertretender Generalsekretär der Wirtschaftskammer, ab 2008 Wirtschafts- und Familienminister, seit Dezember 2013 zusätzlich Wissenschaftsminister, dafür nicht mehr für Familienagenden zuständig. Ab August 2014 Vizekanzler, ab November 2014 ÖVP-Obmann.

ÖVP-Obmänner seit 1945

Nach zermürbenden Monaten, in denen Vizekanzler und VP-Chef Reinhold Mitterlehner nur noch als Platzhalter für den aufstrebenden Sebastian Kurz gesehen wurde, hat der 61-Jährige das Heft selbst in die Hand genommen und seine Posten geräumt. Auch dem selbstbewussten Mühlviertler blieb damit die in der ÖVP übliche Obmann-Demontage nicht erspart.

Diese Rolle des wankenden Parteichefs entspricht so gar nicht dem Selbstbild und eigentlich auch nicht dem Fremdbild Mitterlehners. Zeit seiner politischen Karriere galt der scheidende Vizekanzler als ausnehmend selbstbewusst, einer, der zwar in Wirtschaftskammer und Heimatbundesland fest verankert war, sich aber immer den Luxus einer eigenen Meinung leistete.

Selbst in der Ära Wolfgang Schüssels, als die Partei vor ihrem Obmann erstarrte, war Mitterlehner selten um offene Worte verlegen. Parteiinterne Irritationen erregte Mitterlehner auch, als er sich im Eurofighter-Untersuchungsausschuss durchaus am kritischen Hinterfragen der Opposition beteiligte - eine Haltung, die ihm bis heute Respekt im Hohen Haus einbringt.

Es dauerte lange, bis Mitterlehner eine politische Spitzenposition bekam. Viele Jahre galt er als Talent, zu mehr als den Posten des Wirtschaftsbund-Generalsekretär sowie des stellvertretenden Wirtschaftskammer-Generalsekretärs reichte es aber dann doch nie. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass Mitterlehner manchmal unnahbar ist, vielleicht auch ein wenig stur. Manchen gilt er als arrogant, dafür hat er Humor, ist pragmatisch und ohne Zweifel kompetent.

Erst unter Josef Pröll kam Mitterlehner 2008 in der Regierung an, und auch das nicht auf Wunsch des damaligen Parteichefs, sondern, weil Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl und Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer ihren Einfluss geltend machten.

Ab da war es mit dem kecken Mitterlehner allerdings im wesentlichen vorbei. Gemeinsam mit Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) bildete er über viele Jahre das Regierungsduo, das am wenigsten durch Streit und große Worte, dafür aber immer wieder durch sachorientierte Lösungen auffiel. Die Auflösung des Wissenschaftsressorts, das ihm zufiel, meisterte Mitterlehner nach der letzten Wahl souverän. Die Proteste, dass die Agenden im Wirtschaftsministerium abgelegt wurden, waren rasch verhallt.

Schon als es Josef Pröll mit der Partei reichte, wäre Mitterlehner wohl parat gestanden. Damals entschied man sich für Michael Spindelegger. Als es diesem reichte, war Mitterlehner im August 2014 dann wirklich an der Reihe. Am Beginn herrschte noch große Euphorie. Mitterlehners "Couleur"-Name "Django" diente als Werbevehikel, die Schwarzen fühlten sich wieder einmal im Aufwind.

Freilich herrschte bald wieder Flaute. Die Umfragen blieben im Keller, die Regierungszusammenarbeit verlief zäh. Immer deutlicher kristallisierte sich heraus, dass die Partei lieber mit Kurz als mit Mitterlehner in die Wahl gehen würde. Dem Obmann wurde das Leben saurer und saurer gemacht, Sacharbeit gestaltete sich gerade zuletzt beinahe möglich: "Ich finde, es ist genug", befand Mitterlehner sodann Mittwochmittag und schmiss hin - wohl von viel Verständnis begleitet.

Da Mitterlehner all seine Funktionen zurücklegt, endet mit hoher Wahrscheinlichkeit eine sehr lange politischen Karriere. Der promovierte Jurist heuerte schon 1980 in der oberösterreichischen Wirtschaftskammer an, später kamen diverse Kammer-Funktionen dazu, ab 2000 saß er bis zu seinem Regierungseintritt im Nationalrat.

Was seine Zukunft betrifft, gab es schon die diversesten Gerüchte. Möglich, dass er fürs erste eine Auszeit nimmt und sich seinen Hobbys wie dem Tarockieren und dem Radfahren widmet. Privat ist Mitterlehner verheiratet und Vater von drei Kindern. Eine Tochter starb im Vorjahr.