"Die Grünen sind das Spießigste"

Schauspieler Gregor Bloéb: "Die Grünen sind das Spießigste"

Sommergespräch. Schauspieler Gregor Bloéb über Motorräder und die "Spießigkeit" der Grünen

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profil: Herr Bloéb, in Ihren Interviews geht es meist um Ihre Ehe mit Nina Proll und um Ihr Motorrad …
Gregor Bloéb: Mehr gibt es auch nicht zu sagen (lacht).

profil: Ich habe eher den Eindruck, man traut einem Kerl wie Ihnen nicht zu, dass er gerne Vater-Mutter-Kind spielt.
Bloéb: Da müssen Sie mit Ihrer Zunft reden. Ich kann auch nur die Fragen beantworten, die man mir stellt.

profil: Man hat jedenfalls das Gefühl, dass Ihnen das Herz aufgeht, wenn sie übers Motorradfahren sprechen.
Bloéb: Natürlich geht einem das Herz auf, wenn man über Leidenschaften spricht, und dazu gehört nun mal das Motorradfahren oder überhaupt der Sport. Ich habe durch diese Leidenschaft viele großartige Sachen erlebt und viele Menschen kennengelernt. Spitzensportler sind Menschen, mit denen ich viel anfangen kann. Ihre Kompromisslosigkeit erzeugt bei mir eine Art Bewunderung.

profil: Spitzensportler müssen sich stark auf sich selbst konzentrieren und verlieren dadurch oft den Blick auf die Außenwelt.
Bloéb: Ja, das stimmt. Deswegen bin ich auch als Spitzensportler gescheitert.

profil: Bei Paris-Dakar sind Sie immerhin Siebenter geworden.
Bloéb: Es war ein Projekt mit langer Vorbereitung, und ich durfte mit den Besten der Besten trainieren. Dieses Resultat war dann das Ergebnis, wobei auch Glück eine große Rolle spielte.

profil: Wenn Sie wochenlang mit dem Motorrad durch die Wüste fahren, und es tut Ihnen alles weh - stellen Sie sich da nicht die Sinnfrage?
Bloéb: Sinnfragen sind überflüssig. Der einzige Sinn, den das Rallyefahren hat, ist es, meiner Leidenschaft und Freude nachzugehen und dadurch neue Erfahrungen zu gewinnen. Es ist die Konzentration auf das absolute Jetzt und der perfekte Ausgleich zu meinem Beruf. Ich habe noch keinen Tag erlebt, an dem ich nicht an meinen Beruf gedacht habe - außer beim Rallyefahren.

profil: Da denken Sie an nichts als an die Strecke?
Bloéb: Nicht einmal an die Strecke, sondern nur an den nächsten Stein, der mich abwerfen könnte.

profil: Bei der Sinnfrage meine ich etwa den Absprung von Felix Baumgartner aus der Kapsel. Das hat viel Geld gekostet, kein wissenschaftliches Experiment war damit verbunden. Er ist einfach nur einige hundert Meter höher als sein Vorgänger abgesprungen. Macht das Sinn?
Bloéb: Nein. Das ist mir zu klein. Aber was macht schon Sinn, und wer darf es beurteilen? Für Red Bull machte es großen Sinn. Das hat einen lächerlichen Betrag gekostet, im Vergleich mit dem, was es eingebracht hat. Für Felix hatte es großen Sinn, denn er hat sich einen Traum erfüllt. Warum soll ich das beurteilen, auch wenn es für mich selbst wenig Sinn hat? Mein Reiz besteht beim Sport aus den drei Komponenten Technik, Mut und Kraft. Wenn eine von diesen Komponenten fehlt, interessiert es mich nicht mehr. Bungee-Jumping ist für mich nichts. Das ist nur Überwindung. Oder diese Wurfpfeilweltmeisterschaften auf Eurosport: fette Männer in Jogginganzügen. Das hat mit Sport nichts zu tun, und über die Sinnfrage brauchen wir nicht zu reden.

profil: Sie spielen bei den Salzburger Festspielen "Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus. Haben Sie eine Lieblingsszene?
Bloéb: Wie Ganghofer auf Kaiser Wilhelm II. trifft, finde ich ganz großartig. Oder die Conrad-von-Hötzendorf-Szene - das liegt auch an Elisabeth Orth. Sie ist meine absolute Lieblingsschauspielerin.

profil: Im Stück geht es um den Ersten Weltkrieg. Haben Sie sich vorher mit dem Krieg beschäftigt?
Bloéb: Ich hatte keine bis wenig Ahnung. Dadurch, dass ich mit meiner Frau - da wären wir wieder beim Thema - eine 1920er-Jahre-Revue im Repertoire habe, haben wir uns zumindest mit den Nachwehen des Ersten Weltkrieges auseinandergesetzt.

profil: Die Österreicher haben ja eine etwas verkitschte Sicht der Monarchie …
Bloéb: Mit Sicherheit. Aber es gibt ein großes Ost-West-Monarchie-Gefälle. In Tirol hat die Monarchie nie so eine Rolle gespielt. Da gab es quasi keine Habsburger, die waren nur Besucher. Der Kaiser Maximilian hat Tirol geliebt, und das war es. Diese Kaisertreue, das Aufschauen, das bekommt man erst mit, wenn man gen Osten wandert.

profil: Hat Österreich-Ungarn Schuld auf sich geladen, oder war das eine allgemeine Entwicklung in Europa, die zum Krieg führte?
Bloéb: Schuldfragen bei Weltordnungsänderungen dieses Ausmaßes kann man nicht auf Einzelne übertragen. Das ist schon ein Konglomerat aus verschiedenen Geschichten. Im Zuge der Proben hab ich mit einem Militärhistoriker gesprochen, der noch viel weiter zurückgegangen ist. Irgendwann waren wir bei den Türkenkriegen und dem Spanischen Erbfolgekrieg, und mir sind die Puzzle-Teile aus den Händen geglitten. Da hör ich mir doch lieber was von Ihnen an, der uns profil-Lesern gerade wöchentlich eine Serie zum Ersten Weltkrieg schenkt.

profil: Sie haben im Theater öfter historischen Stoff bearbeitet. In der Josefstadt spielen Sie "Jägerstätter“. Da gab es schon große Vorlagen, wie etwa den Film von Axel Corti. Was hat Sie daran gereizt?
Bloéb: Den Corti-Film habe ich in meiner Pubertät gesehen. Ich hatte in dieser Zeit große Schwierigkeiten mit der Obrigkeit und hab in Franz Jägerstätter einen Verbündeten entdeckt, einen Menschen, der genau die Konsequenz trägt, die ich gerne getragen hätte. Und als ich später draufgekommen bin, dass er - obwohl Mesner - nicht so ein Kerzerlschlucker war, sondern ein uneheliches Kind hatte, zu dem er sich auch bekannte, dass er der Erste war, der im Dorf ein Motorrad hatte; dass er wegen einer Schlägerei im Gefängnis saß - da dachte ich mir, das ist eine ziemlich interessante Figur fürs Theater, und habe Felix Mitterer gebeten, ein Stück zu schreiben.

profil: Schauspieler hatten es mit dem Nazi-Regime nicht einfach: Sie mussten sich arrangieren, oder sie hatten bestenfalls keinen Job mehr. Gustav Gründgens hat sich arrangiert, Paula Wessely auch. Marlene Dietrich ist weggegangen und hat für die alliierten Truppen Theater gespielt …
Bloéb: Darunter musste sie ein Leben lang leiden, weil sie in Deutschland geächtet wurde.

profil: Haben Sie sich überlegt, wie Sie sich verhalten hätten?
Bloéb: Ich finde derartige Vergleiche hinfällig, weil man es sich nicht im Geringsten vorstellen kann. Ich bin doch ohne jegliche Gewalt vom Staat aufgewachsen und hatte als Zwölfjähriger keine Angst, einen Polizisten nach seinem Dienstausweis zu fragen. Somit hinkt jeder Vergleich.

profil: Kann man als Nachgeborener über ein Verhalten zu dieser Zeit urteilen?
Bloéb: Nicht wirklich. Wir sicher nicht, die das Gefühl des Widerstands komplett verloren haben: Wogegen kämpfen wir denn? Ich drück die "Gefällt mir“-Taste und fühl mich als Revolutionär. Wir kämpfen erbost um das Binnen-I, während sich vor Lampedusa täglich Tragödien abspielen. Wir verhängen ganz arge Sanktionen gegen drei Großneffen von Putin und berichten stolz über ein neues Gasgeschäft mit Russland. Sollten wir nicht nach dem Hypo-Debakel schon längst in den Steuerstreik gehen? Wir haben verlernt aufzubegehren. Wir haben keinen Bezug dazu. Wir dürfen sicher nicht urteilen.

profil: 1968 wurde durchaus aufbegehrt, und es wurde einiges erreicht.
Bloéb: Davon hab ich nicht viel mitbekommen, da wurde ich gerade geboren. Als mein großer Bruder Christoph 1984 von der Hainburg-Demonstration zurückkam, wurde er als Hero gefeiert. Die Geburtsstunde der Grünen. Und jetzt sind sie das Spießigste überhaupt. Was bei uns damals die urbane Jung-ÖVP war, sind heute die Grünen. Das ist geblieben vom letzten Aufbegehren: eine kleinkarierte, spießige Verbotspartei.

profil: Sie sind ins Wahlalter gekommen, als Jörg Haiders Aufstieg begann. Hat Sie der fasziniert?
Bloéb: Nein, nie und in keiner Weise. Aber ich bin auch mit 18 nach Deutschland und habe die österreichische Politik nur am Rande verfolgt. Die FPÖ war für mich immer ein rotes Tuch, das hat sich unter Strache erst recht nicht verändert. Ich kann nicht begreifen, wie man den wählen kann. Allein sich vorzustellen, dass so etwas Österreich vertritt, das ist grauenhaft. So frustrierend die Politik ist, zu einer Bierzeltveranstaltung darf sie nicht reduziert werden.

profil: Sie kommen aus Tirol, das immer ein sehr katholisches, tief schwarzes Land war. Ist das immer noch so, oder hat sich was geändert?
Bloéb: Es hat sich nichts geändert. Es gibt zwar mehr Parteien mit ganz lustigen Namen wie "4you“ oder "Fritz“ oder "Vorwärts“, die aber samt und sonders egomanische schwarze Abspaltungen sind.

profil: In Tirol ist es immer noch strafbar, sich über die Landeshymne lustig zu machen.
Bloéb: Mit Recht! In Tirol und in Nordkorea - und das ist gut so (lacht).

profil: Es gibt einen merkwürdigen Wien/Tirol-Gegensatz. Die Wiener mögen die Tiroler, aber die Tiroler die Wiener nicht. Wieso?
Bloéb: Da kann ich nicht viel dazu beitragen. Meine Gattin ist ein Ostgerät. Hab ich jetzt gerade in einem profil-Interview meine Gattin als "Ostgerät“ tituliert? Um Gottes willen, sehn S’, da sieht man doch den Wien/Tirol-Gegensatz …

profil: Vielen Tirolern ist München nicht nur geografisch, sondern auch wegen der Mentalität näher.
Bloéb: Bei mir war es das Theater, das ich nicht nur geografisch als näher betrachtet habe. Deutschland, mit seiner Ernsthaftigkeit für meinen Beruf, habe ich als junger Schauspielschüler immer ehrlicher und wahrhaftiger empfunden. Das hat sich allerdings jetzt im Alter gewandelt. Wien hat mich mit seiner Liebe zur Kultur eingefangen. Ich bin verliebt in Wien.

profil: Und was ist mit Salzburg?
Bloéb: Ich meine nicht ausschließlich Hochkultur. Wien hat auch den Untergrund. Da weiß ich zu wenig über Salzburg.

profil: Sie leben auf einem Bauernhof in Tirol. Wäre das Stadtleben nichts für Sie?
Bloéb: Ich bin mir nicht so sicher. Vielleicht in der Pension. Eine kleine Stadtwohnung, und täglich spazier ich ins Theater. Dann aber reizt es mich auch wieder, auf einer Alm zu sein und einfach nur mit dem Motorrad herumzufahren und eine Gams zu jagen.

profil: Das klingt ein bisschen nach Eremitentum. Auf Ihrer Mailbox sagen Sie: "Rufen Sie mich nie wieder an, sprechen Sie mir keine Nachricht auf Band, das wird alles nicht abgehört.“
Bloéb: Diese Nummern verselbstständigen sich ja mit der Zeit, darum braucht es eine Abschreckung.

profil: Ihr Bruder Tobias Moretti und Ihre Frau Nina Proll sind Schauspieler, Ihre älteste Tochter scheint auch in die Szene einzutauchen, Ihre Ex-Frau ist ebenfalls Schauspielerin. Schauspieler scheinen zur Clan-Bildung zu neigen, siehe die Hörbigers.
Bloéb: Man befürchtet es fast, obwohl ich die Kinder nie dazu ermutige. Meine Tochter hat uns sogar bis zur dritten von vier Aufnahmeprüfungsrunden verschwiegen, dass Sie ans Reinhardt Seminar gehen will. Aber wir leben unseren Beruf natürlich vor und mit den Kindern aus. Für sie ist ein Filmset nichts Besonderes, und wenn Papa vor 800 Zuschauern auf der Bühne ausgelacht wird, auch nicht.

profil: Der Hörbiger-Spross Cornelius Obonya spielt schon im zweiten Jahr den Jedermann. Reizt Sie diese Rolle? Im richtigen Alter wären Sie.
Bloéb: Nein, Cornelius bleibt, bis man ihn von der Bühne trägt.

profil: Glauben Sie?
Bloéb: Ich hab gerade die Generalprobe gesehen, und er macht das wirklich gut, denn es ist kein einfaches Stück, auch wenn es einfach gestrickt ist. Ich vermute sogar, es ist nicht mal ein gutes Stück. Nein, ich werde da jetzt nicht vorsprechen gehen.

profil: Die Namen der von Ihnen gegründeten Bands waren bemerkenswert: "Die Gummistiefel“, "Gregor Bloéb und seine Tantiemen“. Was kommt da noch?
Bloéb: Da kommt nichts mehr. Meine musikalischen Ausflüge sind beschränkt. "Die Gummistiefel“ haben wir mit 13 Jahren in unserem Jugendzentrum gegründet und mit "Tantiemen“ mache ich alle sieben Jahre eine One-Man-Show, wenn es mich wieder reizt. Eigentlich bin ich relativ unmusikalisch, aber mit guten Musikern um einen herum fällt das nicht so auf. Ein alter Schauspielertrick.

Zur Person:

Gregor Bloéb, 46.
Zum ersten Mal wurde man Anfang der 1990er-Jahre in der "Piefke-Saga“ auf den Tiroler aufmerksam. Seither ist Gregor Bloéb fixer Bestandteil der deutsprachigen Film-, TV- und Bühnenwelt. 2013 wurde ihm der Nestroy-Preis verliehen. Er ist mit der Schauspielerin Nina Proll verheiratet.

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