Schreckensort Theresienstadt

Schreckensort Theresienstadt

Theresienstadt. Zuerst eine Gefängnisfestung des Kaisers – später ein von den Nazis eingerichtetes Ghetto

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Die Kasernenstadt Theresienstadt im Norden Böhmens war eine Schöpfung der Aufklärung. Kaiser Joseph II. ließ sie zwischen 1780 und 1790 als Festung gegen den damaligen Hauptfeind Preußen errichten. Wälle, Gräben und Bastionen mit mathematisch ausgetüftelten Winkeln machten sie beim zeitgenössischen Stand der Militärtechnik uneinnehmbar.

Nur veränderte sich diese Technik rascher als gedacht, und der letzte Krieg Österreichs gegen Preußen im Jahr 1866 zog an Theresienstadt ereignislos vorbei. Die entscheidende Schlacht wurde bei Königgrätz geschlagen. Theresienstadt wurde primär Garnisonsstadt. In der Kleinen Festung richteten die Österreicher ein Militärgefängnis ein. Dort waren Gavrilo Princip und die anderen Sarajevo-Verschwörer eingekerkert.

Nach der Einverleibung der Tschechoslowakei durch Hitler-Deutschland machten die Nazis Theresienstadt zu einem riesigen jüdischen Ghetto. Die Kleine Festung wurde zum Gestapo-Gefängnis, in dem tausende Menschen durch Hinrichtungen, Folter, Hunger und Krankheiten zu Tode kamen. Das Ghetto gaukelten Hitlers Propagandis-ten der internationalen Gemeinschaft als „jüdisches Selbstverwaltungsgebiet“ vor. Eine Delegation des Internationalen Roten Kreuzes fiel darauf herein. In Wahrheit wurden 90.000 jüdische Insassen nach Auschwitz deportiert, wo die meisten von ihnen im Gas umkamen.

Die Sarajevo-Attentäter wurden in Einzelhaft gehalten, waren in den ersten eineinhalb Jahren permanent angekettet und durften weder Post noch Besuche empfangen. Dem österreichischen Militärarzt Dr. Martin Pappenheim, der dem Garnisonsspital in Theresienstadt dienstzugeteilt war, gelang es allerdings, die Genehmigung für Gespräche mit Princip zu erwirken.

Die insgesamt vier Unterredungen im Jahr 1916 stenografierte Pappenheim mit. Erst zehn Jahre später veröffentlichte er sie, auf Drängen eines in Wien stationierten jugoslawischen Diplomaten, in Buchform. „Gavrilo Princips Bekenntnisse. Ein geschichtlicher Beitrag zur Vorgeschichte des Attentats von Sarajevo“ ist ein ebenso authentisches wie erschütterndes Zeugnis, in dem der todgeweihte Todesschütze von Sarajevo Einblicke in sein Leben und Denken gibt.

Das tschechische Terezin ist heute eine nationale Gedenkstätte, die vor allem an die Gräuel der Nazi-Zeit erinnert. Doch die Kammer Nr. 1 im Einzelzellentrakt des 1. Hofes der Kleinen Festung, in der Princip schmachtete, ist teilweise erhalten. Zu sehen ist der in die Wand eingelassene Eisenring, an dem die Kette für den Gefangenen festgemacht war. Serbische Patrioten pflegen dort Kränze zu deponieren. Nicht mehr erhalten ist die Inschrift eines Gedichts, das Princip während seiner Haft an die Wand gekritzelt hatte: „Unsere Geister werden durch Wien ziehen, durch die Hofburg wandern, die Herrschaften erschrecken.“