Österreich und Deutschland

Sind AfD und FPÖ rechtsextrem?

Die Parteien müssen sich dieselbe Frage gefallen lassen: Sind sie rechtsextrem? Die Antwort hat in Österreich und Deutschland völlig unterschiedliche Bedeutungen – und Konsequenzen.

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Wer „Österreich zuerst“ fordert, für den kommt das Ausland an letzter Stelle. Bis zu dem Moment, in dem man bemerkt, dass internationale Beziehungen doch ganz nützlich sein können. Im Fall von Herbert Kickl war dieser Zeitpunkt ein Dienstagabend, der 28. Jänner 2020. Da stand der damalige FPÖ-Klubobmann vor einem Rednerpult in der „Desiderius-Erasmus-Stiftung“ in Berlin und gestand dem Publikum: „Ich habe bisher alles gemacht – nur keine Auslandskontakte.“ Jetzt aber, mit seiner Reise nach Deutschland, ändere sich das. Die Freiheitlichen sollten noch enger mit der Alternative für Deutschland zusammenarbeiten. „Zu zweit ist man immer stärker.“

Davor musste die Gastgeberin der AfD-nahen Stiftung aber noch Übersetzungsarbeit für den fremden Vortrag leisten. „Wer weiß denn, dass Marillen Aprikosen und Semmeln Brötchen sind, und wer weiß, dass es sich bei Faschiertem um Hackfleisch handelt? Und ein Klubobmann, das ist ganz einfach ein Fraktionsvorsitzender“, sagte sie im Spaß. Aber die Art und Weise, wie AfD und FPÖ sprechen, sei genau die gleiche, fügte Herbert Kickl dann im Ernst hinzu. Das verbindet.

So geschmeidig wie Kickls Reise nach Berlin verlief die Annäherung der zwei Parteien nicht. Auf beiden Seiten forderten Funktionäre schon einmal mehr Distanz ein – je nachdem, welche Partei gerade den größeren Erklärungsbedarf hatte. 2015, die AfD gab es erst seit zwei Jahren, rühmte sich Gründungsmitglied Alexander Gauland noch damit, dass seine Alternative keine Kontakte zur FPÖ pflege. Damals sahen sich Teile der AfD noch als wirtschaftsliberale, eurokritische Partei der Professoren. Gauland war nicht überzeugt davon, dass sich die FPÖ vom Antisemitismus distanziert hatte, und wollte deswegen nichts mit den Freiheitlichen zu tun haben. In Österreich mahnte der Oberösterreicher Manfred Haimbuchner 2016 hingegen mehr Distanz zur AfD ein, und in Vorarlberg kommentierte man Kickls Berlin-Reise mit einem abschätzigen: „Unnötig wie ein Kropf.“

Am Ende standen die zwei Schwesterparteien dann doch zu ihrer Familie. Die FPÖ, weil sie einen internationalen Verbündeten braucht, vor allem im deutschsprachigen Raum. Die AfD, weil sie von den regierungserfahrenen Freiheitlichen einiges lernen kann.

Jugend gesichert, Partei Verdachtsfall

Jetzt müssen die engen Bande zeigen, wie strapazierfähig sie wirklich sind. 

Iris Bonavida

Iris Bonavida

ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.