Die Zahl der Internet-Unternehmer, die versuchen, mit korrektem Verhalten gutes Geld zu verdienen, wächst.

Bio, Fairtrade und Co.: Herzenswärme aus der Brieftasche

Bio, Fairtrade und Co.: Herzenswärme aus der Brieftasche

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"Immer wieder hört man von Skandalen über Produkte, die giftige und zum Teil krebserregende Substanzen enthalten. Wir sind es unseren Kindern und uns selbst schuldig, auf gute Produktqualität und die Umwelt zu achten." - Hinweise wie jener von Elmar Frischmann dürften bei der Zielgruppe der ökologisch Besorgten wohlige Schauer auslösen - wie auch seine Warenpalette: Der Tiroler verkauft mit seinem Webshop 4betterdays.com spezielle Möbel aus den Alpen.

Wir zeigen hier Alternativen zu Alltagsprodukten auf.

Künstliche Stoffe wie Lacke, Öle oder Kleber haben bei seinen Sesseln oder Tischen nämlich exakt null Chancen. "Die Begeisterung für natürliche Möbel sowie die gesundheitsfördernde Wirkung von Zirbenholz führten zur Gründung von 4betterdays. Wir zeigen hier Alternativen zu Alltagsprodukten auf. Nicht der Preis steht dabei im Vordergrund, sondern die Wertschöpfung, die ich mit einer nachhaltigen Kaufentscheidung treffe", zimmert Frischmann, der über 6000 Bestellungen in 26 Monaten vermeldet, seinen Leitspruch des neuen Konsumbewusstseins.

Mit solch hehren Bemühungen und löblichen Zielen befindet sich Frischmann keineswegs alleine auf grüner Flur. Im Gegenteil: Die Zahl der Internet-Unternehmer, die versuchen, im globalen Datennetz mit korrektem Verhalten gutes Geld zu verdienen, wächst rasant. Schnöde Massenwaren sind natürlich ein No-Go. Geboten wird von fair gehandelten Büchern und Bio-Jeans bis hin zu veganen Süßigkeiten fast alles für jene, die vorzugsweise mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren oder zur Klimarettung morgens zwei Minuten kürzer duschen.

Der aktuelle Boom basiert aber keineswegs bloß auf hehrem Gedankengut. Nicht ganz unerwartet fungieren materielle Absichten ebenso als Katalysator. Denn gerade im Netz wittern manche Start-ups, die auf Nachhaltigkeit setzen, eine Goldmine. Analysen der deutschen PR-Agentur Edelman legen jedenfalls den Schluss nahe, dass sich E-Shoppingtempel zu gut frequentierten Basisstationen für Weltverbesserung wandeln könnten.

Die Kaufkraft ist überdurchschnittlich - im Gegensatz zur Loyalität

Im Rahmen einer Untersuchung gaben 71 Prozent der Befragten in Deutschland zu Protokoll, dass sie ein sozial engagiertes Unternehmen weiterempfehlen würden. 70 Prozent zeigten Bereitschaft, zu einer ähnlichen Marke zu wechseln, sofern sozialer Hintergrund bestehe, und 63 Prozent hätten kein Problem damit, Produkte werblich zu unterstützen, wenn diese mit einem guten Zweck verbunden sind. Tradierte Kaufimpulse wie Design und Innovation verlieren hingegen in Zeiten des Good Purpose Marketing an Anziehungskraft.

Entwarnung gibt es dafür auf anderer Ebene: Sollte einen CEO gar das schlechte Gewissen überkommen, weil er mit den erwirtschafteten Früchten des guten Gewissens seinen neuen Jaguar finanzieren kann - der Verbraucher nimmt es locker. Acht von zehn der in der Studie befragten Konsumenten finden es legitim, dass Marken sozial tätig sind und dabei Profit machen. Dieser könnte kontinuierlich steigen: Immer mehr Kunden wären bereit, für Produkte mit Verantwortung mehr zu bezahlen. Das Comeback der Umweltbewegung, die kritischere Haltung gegenüber Arbeitsbedingungen bei der Herstellung von Waren oder die Neuentdeckung verblasster gesellschaftlicher Werte haben für Sensibilisierung gesorgt. Der gezielte Appell an den Konsumenten zeigt heute mehr Wirkung als die üblichen Lockmittel klassischer Werbung: Geiz war einmal geil, jetzt ist es anregend, seinen Beitrag zum Allgemeinwohl zu leisten. Selbst wenn dieser nur aus der Brieftasche kommt.

Die Web-Anlaufstellen für ethisch orientierte Käufer wissen jedenfalls, wie sie ihre Community aufrütteln: plasno beispielsweise bezeichnet sich als Europas erster plastikfreier Online-Shop für nachhaltige Geschenkideen. Motiviert durch triste Szenarien wie vermüllte Ozeane und Plastikabfälle in den Mägen von Meerestieren reagiert das Start-up mit "anständigen" Waren. Das Sortiment sollte Fans der reinen Lehre beglücken und reicht vom Kindernachttopf bis hin zur Holzarmbanduhr. Jeder dieser Artikel wird natürlich stilgerecht in Recycling-Kartonagen verpackt und in einem Kraftpapierbodenbeutel vernäht auf Reise geschickt. "Öko-Online-Shops sind die Nachfolger der stationären Weltläden, die sich vor allem an postmaterialistische und besser gebildete Gruppen richten. Die Kaufkraft ist überdurchschnittlich - im Gegensatz zur Loyalität", warnt allerdings Peter Schnedlitz, Vorstand des Instituts für Handel und Marketing an der Wirtschaftsuniversität Wien, vor überbordender Euphorie. Lockt ein neuer Anbieter mit attraktiven Modellen, zieht die Öko-Karawane weiter.

Green Shopping ist zwar groß in Mode, das Potenzial scheint jedoch überschaubar zu sein.

Damit aber können einige Akteure recht gut leben. "Rita bringt’s" ist ein vegetarischer Lieferdienst in Wien mit einem Stamm von rund 2000 Kunden, der nach eigener Angabe täglich bis zu 400 Fans fleischloser Nahrung versorgt. Diese sind zwischen 30 und 50 Jahre alt und rekrutieren sich vorwiegend aus weiblichen Büromitarbeitern. Interessantes Detail am Rande: 80 Prozent der Kunden gehören gar nicht zur erklärten Fraktion der Schnitzel-Verabscheuer. Es ist eher der Wunsch nach Abwechslung vom ständigen Leberkäsesemmel-Kompromiss, gepaart mit zu viel Berufsstress, der in den magenschonenden Netzladen führt. "Viele, die sich gesund ernähren wollen und auf Fair Trade, Bio oder die Herkunft von Produkten achten, finden oft nicht genug Zeit, um sich mit der Materie intensiver zu beschäftigen. Statt einer langwierigen Suche nach solchen Alternativen in der gesamten Stadt kommen diese Leute online zu uns", erzählt Geschäftsführerin Rita Huber.

Die Hardcore-Fraktion unter den Käufern mit sozialem Gewissen würde es hingegen kaum goutieren, sollte das Geschäft ihres Web-Vertrauens nicht auch ideologische Festigkeit mitliefern. "Gutes einfach entdecken", lautet das unmissverständliche Motto der Gemeinschaftsplattform Fairmondo: Hinter dieser Konsumanlaufstelle, die von Mode über Lebensmittel bis zu Büchern oder sogar Musikinstrumenten randvolle Regale präsentiert, stehen über 2000 private sowie gewerbliche Händler, die sich an der elektronischen Genossenschaft aktiv beteiligen.

"Fairmondo möchte eine Alternative zu den Marktriesen im Online-Handel schaffen", lautet das Credo jener Shopping-Revoluzzer, die sogar ihre Geschäftskonten online sichtbar machen. Viele kleine Händler und Produzenten leiden unter dem harten Druck der großen Online-Marktplätze, die ihre monopolartige Stellung - häufig auch mit dem Vorteil der abgabenschonenden Gruppenbesteuerung versehen - ausnutzen und außerdem nicht immer den besten Ruf in Bezug auf Arbeitsbedingungen genießen.

Ob die Immunisierung des E-Commerce mit Botenstoffen moralischer Überlegenheit Erfolg haben wird, bleibt trotz aller rosa Brillen und teilweise blauäugigen Bemühungen umstritten. Manche Experten orten Schadstoffe in der ökonomischen Wirklichkeit: "Green Shopping ist zwar groß in Mode, das Potenzial scheint jedoch überschaubar zu sein. Das Problem bildet die fehlende Akzeptanz beim Großteil der Verbraucher. Der Trend wird über geringes Gewicht für den Umsatz nicht hinauskommen", meint Rudolf Trettenbrein, Geschäftsführer der Unternehmensberater Inverto Austria.

Insgesamt handelt es sich bei Green Shopping um ein Nischenphänomen

Für ein rasches Ablaufdatum der Herzenswärme aus der Brieftasche könnte noch ein anderes Argument sprechen: Der Verbraucher wird fast wöchentlich eingedeckt mit neuen, wichtigen Hypes aus allen Lebensbereichen. Daher liegt es auch im Bereich des Möglichen, dass der eben noch beschrittene Öko-Trip durch eine andere Option ersetzt wird, die Sein mit Heiligenschein vernetzt. "Insgesamt handelt es sich bei Green Shopping um ein Nischenphänomen mit Marktanteilen im einstelligen Prozentbereich", gibt Peter Schnedlitz eine wirtschaftliche Einschätzung der aktuellen Situation.

Tatsächlich müssen die Vertreter der "Gut ist besser“-Vermarktung echte Nehmerqualitäten aufweisen: Das edle Geschäft kann schnell zur Schlacht ausarten, wenn Glaubwürdigkeitsverlust ins Spiel kommt. Denn grüne Mäntelchen hängen inzwischen selbst in den Garderoben der härtesten Manager. Auch für große Handelsketten zählt es längst zum guten Ton, der geneigten Kundschaft zu erklären, wie weit Bio gehen muss oder dass gesundes Essen zum Hausverstand zählt. Deshalb muss jeder Händler auch im E-Commerce authentisch vermitteln, dass er kein Trittbrettfahrer ist. Oder noch schlimmer: Sollte auffliegen, dass die sündteuren, fair erzeugten Schuhe aus zarten Kinderhänden stammen, ist der Crash reine Formsache. Denn die neuen Bewussten vergeben nicht, da kann das CI-Make-up noch so grün strahlen.

Unübersichtlich ist der Online-Markt heute ohnehin: Konsumenten werden mit wohltönenden Botschaften und eindringlichen Argumenten überschüttet. Das Orten von Produkten, die tatsächlich hohen Ansprüchen entsprechen, wird zum Balanceakt. Schon warnen Profis, dass das Nachlesen all der Öko-Argumente den Käufern zu anstrengend werden könnte - mit dem Ergebnis, dass ihnen die neue vegane Eigenmarke im Supermarkt um die Ecke auch genügt, um dem Körper und der Umwelt etwas Gutes zu tun.

Trotz teils ungewisser Zukunftsaussichten geht der Boom munter weiter. Keineswegs im Verborgenen einer Sektierer-Nische: In der Nähe der US-Stadt Boston planen ehrgeizige Macher das größte grüne Online-Shopping-Zentrum, das es jemals gegeben hat. Im ClimateStore, finanziert über die Crowdfunding-Plattform Indiegogo, sollen bereits bis zu 1000 Produkte vorrätig sein, die den Glauben an eine verbesserte Welt vorantreiben. Dann will dieses Klimaschutz-Warenhaus endlich auch Kunden in aller Welt beliefern. Damit nicht genug: Wer nicht nur Bio-Schokolade benötigt, sondern auch Informationen zur globalen Erderwärmung, kann diesbezüglich relevante Daten auf der neuen Plattform abrufen. Oder einen Leitfaden, wie der Konsument sein eigenes Dasein klimafreundlicher gestalten kann. Und vielleicht kommt mancher User am Ende auf die Idee, seinen Stromverbrauch einfach durch viel weniger Online-Shopping zu reduzieren.