Computer-Kaufhaus

Computer-Kaufhaus - Neue Technologien im Konsumleben

Zukunft der Technik. Wie die neuen Techniken die Abläufe im Konsumleben revolutionieren

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Von Christian Prenger

Klassische Geldbörsen wirken heute fast schon wie staubige Retro-Accessoires. Denn seit dem Höhenflug von iPhone und Co. soll sich das Smartphone auch als wichtige Zahlungszentrale etablieren. Für dieses Ziel steuert der IQ-Aufwand in den globalen Think Tanks auf einen Siedepunkt zu. Das Resultat bildet eine steigende Zahl von Payment-Lösungen für Endgeräte, die den jeweiligen Anbieterinnen die prognostizierte Goldmine bescheren sollen.

Bezahlen per Fingerabdruck
Die Profis haben bereits Stellung bezogen für den Wettbewerb um die monetäre Gunst der Kundin. Dafür werden alle Register gezogen: So testet das Bezahlsystem Yapital den Fingerabdruck-Scan. Jene Technik könnte dem Einkauf via Telefon den endgültigen Durchbruch bescheren, vorausgesetzt Security und Bedienungskomfort sind gegeben. "Mit dieser Anwendung spart sich der Konsument beim Bezahlen mittels Smartphone die PIN-Eingabe. Er muss nur mehr Fingerabdruck und QR-Code scannen und anschließend auf ‚bestätigen‘ klicken“, so Nils Winkler, CEO von Yapital. Nachsatz: "Aber wir prüfen erst einmal, ob diese Technologie spürbare Vorteile für den Nutzer bringt.“

Mittlerweile sind M-Commerce und E-Commerce feste Größen, wie deren mögliche quantitative Dimension zeigt: Mit Yapital können Verbraucherinnen etwa bei Rakuten zahlen, einer Mega-Online-Mall mit 90 Millionen Kundinnen weltweit, über 24 Millionen Produkten und mehr als 10.000 Marken.

Die Amazonisierung nimmt ihren Lauf
Solche Zahlen und Werkzeuge signalisieren einen Paradigmenwechsel. Wirtschaft und Konsumsphäre werden mit rasantem Tempo digitalisiert, das gewohnte analoge Business zwischen Warenregalen und Kassen scheint sich mit der Nebenfahrbahn anfreunden zu müssen. Die Amazonisierung nimmt jedenfalls ihren Lauf. Die Marktforscherinnen von TNS Infratest bringen es in der Studie "Connected Life“ auf den Punkt: E-Commerce-Plattformen spielen auf dem Path to Purchase eine Hauptrolle: Menschen entdecken Produkte, vergleichen Marken oder Preise, planen so ihren Kauf. Diese Entwicklung kann kaum eine Branche ignorieren, selbst wenn sie mit Technik an sich wenig am Hut haben sollte. Eine Blaupause hierfür liefert etwa das Bankwesen. Den Wettlauf um noch smartere Apps für Überweisungen, Konto-Verwaltung oder Sparen verlegen die Filialen schleichend in das Mobiltelefon. Video-Beratung ergänzt wiederum bei der Bank Austria das Angebot in Richtung Smart Banking. Über allen Bemühungen schwebt unsichtbar ein Basis-Credo: Analoge Methoden dürften bald nur mehr in homöopathischer Dosierung existieren.Allfällige Konsequenzen nennt die Managementberatung Bain & Company: Laut deren Prognose soll das Zusammenwachsen von realer und virtueller Hemisphäre bis 2025 nahezu jede Branche radikal verändern - auch wenn derzeit noch fast 80 Prozent der Firmen erst am Anfang der als unausweichlich betrachteten Transformation stehen. Das Resultat wird mit einem hippen Ausdruck bedacht: "Digical“ heißt das Zusammenwachsen digitaler und physischer (physical) Geschäftsmodelle.

"Der Computer und mobile Endgeräte machen es möglich, dass sich immer mehr Menschen in der virtuellen Welt bewegen. Dem kann sich heute kein Betrieb entziehen, wenn sich Erfolg einstellen soll“, betont Robert Hadzetovic, Country-Manager von Klarna Austria, Anbieterin für rechnungsbasierte Online-Handel-Zahlungslösungen.

Zukunftsmodell Augmented Reality
Wer diese Revolution nicht bloß hilflos von der Tribüne aus verfolgen möchte, benötigt Innovationen wie Augmented Reality: Dieser Fachbegriff bezeichnet eine computergestützte, erweiterte Realität, in der die Wirklichkeit mit virtuellen Zutaten vermengt wird. Zu diesem Zweck wird ein von einer potenziellen Kundin betrachtetes Szenario auf einem Bildschirm mit Daten, Informationen oder Grafiken angereichert. Lego erprobt derzeit die Technik in seinen US-Stores: Die Besucherin hält die Verpackung eines Bausatzes vor eine Kamera, sieht auf dem Monitor das fertig gebastelte dreidimensionale Modell, kann es nach allen Seiten drehen und weiß somit Bescheid, was sie da erwirbt. Solche Optionen erzeugen laut einer Analyse des Kreditinstitutes Commerz Finanz Begeisterung: Bereits 64 Prozent der Verbraucherinnen wünschen sich beim Shoppen eine individuelle Produktgestaltung durch Augmented-Reality-Funktionen.

Wohin der Weg gehen könnte, demonstriert etwa AkzoNobel, Herstellerin von Farben und Lacken, mit einer vom Spezialunternehmen String kreierten Technologie. Ein hochladbarer "Dulux Visualizer“ erweist sich als Augmented-Reality-App, die es Kundinnen ermöglicht, Wände virtuell in den unterschiedlichsten Farben zu streichen und das Resultat live auf ihren mobilen Devices zu sehen, während sie durch ihre Wohnung spazieren. So muss niemand mehr angesichts von frisch behübschten, pinkfarbenen Wänden im Nachhinein weiß im Gesicht werden.

Kopfarbeit wird gleichfalls in Wearables investiert: Dabei handelt es sich um Computersysteme, die wie Accessoires oder Kleidungsstücke am Körper getragen werden. Nach Berechnungen der Beraterinnen von Deloitte soll noch in diesem Jahr der Globalumsatz von drei Milliarden Dollar überschritten werden. Der Großteil des Absatzes entfällt auf Smart Glasses: Bis zu vier Millionen intelligenter Datenbrillen, bei denen im Sichtfeld der Trägerin Informationen aufscheinen, sollen heuer Abnehmerinnen finden.

Avatarin als Beratungshilfe
Hier entsteht gleichzeitig ein Einsatzort für standortbezogenen Dienste: Während man in die Auslage eines - zum Beispiel - Möbelgeschäfts schaut, würde dann im Blickfeld plötzlich eine Ankündigung von Sonderaktionen auftauchen. Die wundersame Brille avanciert somit zur Marketing-Direktverbindung mit der Verbraucherin, sofern diese Spaß findet an Techno-Gadgets. Selbst für nähere Auskünfte, etwa über einen günstigen Einbauschrank, muss nicht zwingend eine menschliche Fachkraft antreten. Diesen Job könnten flexible, digitale Hilfsdienste erledigen wie eine hilfsbereite 3D-Stellvertreterin: "Eine sogenannte Avatarin, die auf Wunsch körperlich so aussieht wie man selbst, kann im Netz erstellt werden. Mit ihr besucht die Kundin virtuelle Malls, schlendert an Schaufenstern vorbei und wählt Waren. Sticht der Shopperin ein Teil ins Auge, probiert die Avatarin das Kleidungsstück stellvertretend und führt der potenziellen Kundin vor, ob ihr dieses passt oder nicht“, beschreibt Klarna-Chef Robert Hadzetovic das Prinzip.

Sollte dann aufgrund all dieser Bequemlichkeiten der Bewegungsradius des Menschen in Richtung null tendieren, sorgt vielleicht ein Wearable für Ausgleich. Die französische Unterhaltungselektronik-Herstellerin Withings bringt im Herbst die Uhr "Activité“ auf den Markt. Sie gibt nicht nur Auskunft über die Zeit, sondern zeichnet auch Faktoren wie Schrittzahl, verbrannte Kalorien und zurückgelegte Distanz auf.

Verantwortlich dafür ist ein integrierter Sensor, der nicht zuletzt auf die Erholung Einfluss nimmt. Das Helferlein registriert einzelne Schlafphasen unter Bezugnahme von Richtwerten wie Einschlafzeit, Tageslichtlänge und Tiefschlaf. In der Früh "vibriert“ sie via Alarmfunktion für ihre Trägerin den neuen Tag ein. Das Modell synchronisiert sich außerdem mit der Withings Health Mate App, die es Userinnen ermöglicht, persönliche Aktivitätspläne zu entwerfen. Oder als Trainerin für andere zu fungieren, Fortschritte zu überwachen und - wie üblich im Social Media-Mundus - die Resultate mit anderen zu teilen.

Trotz aller Glückshormone aus dem Rechner bestehen bei manchen Expertinnen auch Zweifel über die Realisierbarkeit der flächenübergreifenden Digitalisierung. Abseits der diversen Mantras von E-Prophetinnen lauern Unwägbarkeiten, wie das in technikaffinen Kreisen gern unterschätzte Trägheitsmoment von Verbraucherinnen, die vielleicht noch Jahrzehnte benötigen, um ihr einzementiertes Verhalten zu verändern. Oder die überhaupt vom Schnellzug abspringen, weil sie keinen echten Mehrwert in den neuen Möglichkeiten erkennen. Denn die durch eine App gewonnenen Sekunden an der Supermarktkasse lösen nicht bei allen den Wunsch nach "Digital Total“ aus.

Das Problem mit den Retouren
Die wesentlichste Variable im großen Aufbruch bleibt ohnehin der Return on Investment. Eine Analyse der Managementberatung BearingPoint gibt durchaus Anlass zu denken, dass die massive E-uphorie ein Ablaufdatum haben könnte. Zum einen sei nach wie vor nicht geklärt, wie Online-Anbieterinnen Bestände und Retouren besser in den Griff bekommen können. Zusätzlich würden auch die Ansprüche von Kundinnen wachsen, die es leid sind, sich über matt organisierte Onlinerinnen zu ärgern. "Händlerinnen ohne Ladengeschäft sollten vermehrt den Kundinnengeschmack oder die Passgenauigkeit des Produkts antizipieren, um Retouren zu vermeiden“, fordert BearingPoint-Partner Matthias Loebich.

BearingPoint verweist in diesem Zusammenhang auf einen relativ jungen, aber zunehmend angebotenen Service im Schuhbereich. Die 3D-Vermessung des Innenraums von neuen Modellen generiert Kennzahlen zur Passform, die über Größenangaben hinausgehen. Durch die Verknüpfung mit Kundinnendaten lernt die Elektronik stetig dazu, sowohl beim Kauf eines feinen Stücks als auch bei Flops. Im Ernstfall erspart dann eine Warnung oder die Alternativempfehlung am Monitor leere Kilometer.

All jene Entscheiderinnen, die über diese möglicherweise skurril anmutenden Ideen hinwegblicken, könnten ihr blaues Wunder erleben: "Wir stehen erst am Anfang eines neuen Dienstleistungsbereichs“, meint Bain & Company-Deutschland Chef Walter Sinn. "Noch hat die Digitalisierung nur wenige Branchen wie Medien oder Telekommunikation mit der voller Wucht erfasst. In zehn Jahren wird die Welt anders aussehen.“