Edel und gut sei das Handy

Verbesserungswürdig: Das Fairphone kommt mit neuem Modell auf den Markt

Mobilfunk. Ambitioniert, aber verbesserungswürdig: Das Fairphone kommt 2015 mit neuem Modell auf den Markt

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Von Georges Desrues

Unmittelbar, nachdem Anfang des Monats das heiß ersehnte iPhone 6 vorgestellt worden war, kam es, wie es kommen musste: Kommentatoren auf der ganzen Welt analysierten die technischen Neuerungen an dem Gerät, beanstandeten oder begrüßten das Design und die Qualität des Displays, kritisierten Benutzerfreundlichkeit und Lebensdauer des Akkus, bewerteten CPU- und Grafik-Performance und die Sinnhaftigkeit des neuen Landscape-Modus. Kaum Beachtung fanden hingegen Kriterien, die bei anderen Konsumgütern für viele Verbraucher sehr wohl eine Rolle spielen: zum Beispiel Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit der verwendeten Materialien. Oder Arbeitsbedingungen der Arbeiter, die am Herstellungsprozess der Geräte beteiligt sind. Dabei hat die Erzeugung von Smartphones zumindest in drei Bereichen Auswirkungen, die Anlass zu ernsthaften Bedenken geben sollten.

Zum einen werden Materialen verwendet, die großteils aus afrikanischen Ländern stammen, wo sie häufig unter menschenverachtenden Bedingungen und bisweilen von Kindern aus Minen geschürft werden. Deren Erlöse dienen nicht selten der Finanzierung von lokalen Kriegen oder sie fließen in die Taschen örtlicher Warlords. Dazu kommen die schlechten Arbeitsbedingungen der Menschen, die die Geräte zusammenbauen – ein Aspekt, um den sich die meisten Handy-Produzenten kaum kümmern, weil Herstellungsprozesse an Vertragspartner in China oder andere Niedriglohnländer ausgelagert wurden. Dritter kritischer Punkt ist die Kurzlebigkeit der Geräte, die dem rasanten technologischen Fortschritt zu schulden ist. Denn auch das nagelneue iPhone 6 wird spätestens in zwei Jahren technologisch überholt sein und auf dem medialen Schrottplatz landen. Was wegen der schwer abbaubaren Materialien, aus denen es zusammengesetzt ist, für eine wachsende Belastung der Umwelt sorgt.

Diskussion anregen
Um all diesen Missständen entgegenzuwirken, hat ein niederländisches Unternehmen namens Fairphone Ende vergangenen Jahres ein gleichnamiges Smartphone auf den Markt gebracht, bei dem das Hauptaugenmerk auf sozialem und ökologischem Verantwortungsbewusstsein liegt. Doch kann es überhaupt ein richtig faires Smartphone geben?

„Natürlich hat der Begriff ‚fair‘ eine unterschiedliche Bedeutung, je nachdem, mit wem man spricht“, sagt Fairphone-Sprecherin Roos van de Weerd. „In erster Linie wollten wir mit dem Namen unseres Geräts eine Diskussion anregen. Gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass es so etwas wie ein 100-prozentig fair erzeugtes Smartphone vermutlich niemals geben kann.“ Die kommerziellen Strategien von Fairphone sind daher nicht auf die Bereicherung der Teilhaber ausgerichtet, sondern zielen darauf ab, Veränderung zu bewirken. „In diesem Sinne dient unser Gerät einem höheren Ziel, nämlich jenem, auf Missstände in den Lieferketten hinzuweisen und dagegen anzukämpfen“, so van de Weerd.

Zumindest auf den ersten Blick scheint es, als würde sich das Unternehmen an seine selbst auferlegten Anforderungen nicht so genau halten, etwa wenn es Mineralien aus dem Kongo bezieht – einem Staat, in dem ein Bürgerkrieg wütet. Damit ist dieser keineswegs als konfliktfrei einzustufen. Dafür mussten die Niederländer bereits heftige Kritik einstecken. Doch van de Weerd kontert: „Der Kongo ist bekanntlich ein Land, das sehr reich an Rohstoffen ist, in dem jedoch bittere Armut herrscht. Das sogenannte Dodd-Frank-Gesetz, das sicherstellen soll, dass keine Rohstoffe für die Erzeugung elektronischer Geräte aus dem Kongo bezogen werden dürfen, hat etliche ausländische Firmen aus dem Land vertrieben. Nun beziehen sie die Mineralien aus Ländern wie Indonesien oder Australien. Wir aber halten diese Vorgehensweise für sehr kurzsichtig, denn die Menschen in Kongo haben kaum andere Einkommensmöglichkeiten als durch ihre Arbeit in den Minen.“

Darum unterstütze man jene Initiativen vor Ort, die mit sogenannten konfliktfreien Minen arbeiten und garantieren, dass die Erlöse nicht zur Finanzierung von Kriegen dienen. Das funktioniere, so räumt van de Weerd ein, allerdings lediglich bei zwei der 30 angewandten Materialien, nämlich beim Zinn in der Lötpaste und dem Tantal in den Kondensatoren. Alle anderen 28 Materialen können also nicht als „fair“ bezeichnet werden. Dennoch bleibe man zuversichtlich, dass die Veränderungen, die man eingeleitet habe, dazu führen, dass sich auch andere Hersteller ein Beispiel an Fairphone nehmen – und dem Konzept folgen.

„Gerechte Arbeit gibt es in China nicht“
Und wie sieht es mit den Arbeitsbedingungen in China aus, wo Fairphone, genau wie andere Unternehmen, seine Geräte zusammensetzen lässt? Seit Beginn des Projekts habe man mit Experten im Bereich Gehälter und Arbeitsrecht zusammengearbeitet, erzählt van de Weerd. Mit deren Hilfe sei man schließlich auf eine kleine Fabrik namens A’Hong gestoßen. „Gerechte Arbeit nach unseren westlichen Maßstäben gibt es in China nicht. Für die Firmen dort ist es sehr ungewöhnlich, Auftraggebern ein Mitspracherecht in sozialen Fragen einzuräumen“, fährt die Fairphone-Sprecherin fort, „aber wir haben unserem asiatischen Partner klargemacht, dass es ohne gewisse Standards nicht geht.“ A’Hong sei so ein Vorzeigeunternehmen, das für Gespräche offen steht und seine Arbeitszeiten von den gängigen, ausbeuterischen 80 auf immer noch grenzwertige, aber bewältigbare 60 Stunden herabsetzte. Außerdem wird ein Mindestlohn bezahlt.
Bleibt noch die Umweltverträglichkeit des Geräts. „Zum einen haben wir uns bemüht, so viele Teile des Fairphones wie möglich austauschbar zu machen“, sagt van de Weerd. „Teilweise können die Kunden das Gerät im Schadensfall sogar selbst reparieren und auf unserer Website die Ersatzteile bestellen. Außerdem arbeiten wir mit Unternehmen wie iFixit zusammen, die Reparaturanleitungen anbieten, etwa um das Display auszutauschen.“ Zum anderen wurde ein Rücknahmesystem eingerichtet, das es ermöglicht, ein kaputtes Handy an die Firma zurückzusenden, die es entsorgt und recycelt. Denn in kaputten Geräten seien Elemente enthalten, die für den Zusammenbau neuer Telefone verwertet werden können. „Wir arbeiten mit einer Initiative zusammen, die alte Smartphones einsammelt und diese in Belgien entsprechend entsorgt. Dafür zahlen wir pro Gerät drei Euro“, so van de Weerd.

Ihre wirtschaftlichen Ziele haben die Holländer bisher erreicht. So wurden im laufenden Jahr 30.000 Stück des korrekten Handys abgesetzt, das 325 Euro kostet und preislich in der Mittelklasse liegt. Auch technisch scheint es vergleichbaren, jedoch ökologisch weitaus weniger durchdachten Produkten um nichts nachzustehen. So bietet es etwa ein vorinstalliertes Android-Betriebssystem und die üblichen Verbindungsmöglichkeiten wie WLAN, 3G und Bluetooth, ein GPS-Navigationssystem und zudem eine Dual-SIM-Funktion, die ein zweites Gerät überflüssig macht.

In Österreich wurden im laufenden Jahr bisher 1150 Stück verkauft, im Vorjahr waren es 914 Stück. Erhältlich ist das Fairphone via Internet. Dass keiner der heimischen Telefonanbieter es im Programm hat, liegt daran, dass die Fairphone-Leute bisher keine Zeit gefunden haben, mit entsprechenden Entscheidungsträgern in Kontakt zu treten.

Mitte 2015 soll bereits die zweite Generation des Fairphones auf den Markt kommen, bei dem noch stärker auf Lebensdauer und Wiederverwendbarkeit der Komponenten Wert gelegt werde. Hätte dies nicht zur Folge, dass ein gerade einmal zwei Jahre junges, faires Handy auf dem Altmüll landet? „Nicht zwingend“, meint van de Weerd, „aber wir müssen wachsen, mehr Leute erreichen, denn nur so können wir unseren Einfluss auf unsere Lieferanten verstärken.“