Uber-isierung: Ungesunder Wettbewerb in der Transportbranche
Das Weihnachtsgeschäft steht unmittelbar bevor, und nicht wenige müssen wieder darauf hoffen, dass die bestellten Geschenke rechtzeitig zum Fest eintreffen. Aber nicht nur im Dezember, das ganze Jahr über sind Handel und andere Wirtschaftsbereiche von gut organisierten Transportleistern abhängig - und damit letztlich auch die Konsumenten. Vor allem bei Straßentransporten ist allerdings ein ungesunder Wettbewerb im Gange, der zwar die Kunden freuen dürfte, die Branche selbst aber unter gehörigen Druck setzt und die Debatten um gesetzliche Vorgaben, faire Arbeitsbedingungen für die Fahrer und höhere Umweltauflagen weiter aufheizt (siehe auch Reportage in profil Nr. 43/2016). "Mittlerweile entscheiden Cent-Differenzen, ob man einen Transportauftrag bekommt“, sagt Peter Tropper, Geschäftsführer des Fachverbandes für das Güterbeförderungsgewerbe der Wirtschaftskammer. Die Transportunternehmen seien "oft in der Geiselhaft der Auftraggeber“, während andererseits ihre Ausgaben beständig steigen.
76 Prozent der Warentransporte auf der Straße werden von Lkws durchgeführt, die im Inland zugelassen sind.
Das Mitleid in der Bevölkerung dürfte sich in Grenzen halten, denn das Image des Güterverkehrs auf der Straße ist zweifellos nicht das beste. Das liegt nicht nur am Unmut, den sich die Lkws im täglichen Verkehr seitens der übrigen Verkehrsteilnehmer unvermeidlich zuziehen, sondern auch an der Umweltbelastung durch die überwiegend mit Diesel fahrenden Fahrzeuge und den oftmals kritisierten Arbeitsbedingungen in der Branche. Kein Wunder, dass der Job als Fahrer nicht mehr so begehrt ist wie vor einigen Jahren. So beklagt die Branche heute einen eklatanten Fachkräftemangel. Quantitativ sei man zwar in der Lage, entsprechende Stellen zu besetzen, sagt Peter Tropper. "Aufgrund der immer höheren Hürden verlieren aber immer mehr Personen das Interesse daran, als Fahrer zu arbeiten.“
Aus Sicht der Arbeitgeber sind mit diesen Hürden nicht nur die verpflichtenden Ausbildungen gemeint, sondern unter anderem die rigiden Vorgaben zur Arbeitszeit - selbst kleinste Vergehen würde schon mit hohen Geldstrafen geahndet werden. Andererseits sind gerade die Arbeitsbedingungen immer wieder Anlass für heftige Diskussionen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern. Während etwa die Gewerkschaft moniert, die Frächter würden durch Anstellung von billigen Arbeitskräften aus Osteuropa selbst schuld sein an der Misere, verweist man seitens der Kammer auf den Gesetzgeber - dieser sei gefordert, neue Regulierungen im Sinne von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu gestalten. Unternehmer könnten schließlich nur innerbetrieblich für gute und sichere Arbeitsbedingungen sorgen. Eine Spazierfahrt ist der Job jedenfalls nicht, vor allem im Fernverkehr - ständige Abwesenheit von der Familie, Nächtigungen im Fahrzeug und andere längerfristige Begleiterscheinungen dieses Berufs, wie etwa Gesundheitsschäden, sind nicht wirklich begehrenswert.
Faktum ist aber auch, dass einige österreichische Frächter dem Preisdruck mit einer Art von Kreativität begegnen, die nicht gerade zur Imageverbesserung beiträgt: Laut einer Studie der Technischen Universität Wien ist bereits jeder zweite schwere Lkw heimischer Transportunternehmen im Ausland angemeldet - mit entsprechenden Folgen für die Steuergebarung und die Arbeitsbedingungen der Fahrer, die auf Österreichs Straßen unterwegs sind. Dies sei die Reaktion auf den Druck auf die Branche, etwa hohe Standortkosten und unternehmerfeindliche Rahmenbedingungen, heißt es dazu seitens der Wirtschaftskammer. Die Gewerkschaft wiederum will unter anderem verhindern, dass in Zukunft die Stehzeiten der Fahrer nicht mehr bezahlt werden. Immerhin: Im Vergleich zu anderen Ländern sind die gesetzlichen Vorgaben hierzulande strenger und die Löhne deutlich höher als im Ausland - was andererseits erst recht wieder den Trend zum verstärkten Ausflaggen (Anmelden der Lkw im Ausland) und zur Kabotage (das Durchführen von Inlandsfahrten durch ausländische Anbieter, siehe Kasten "Grenzenlos“) verstärken könnte.
454 Millionen Tonnen betrug das Transportaufkommen des Straßengüterverkehrs 2014 in Österreich - eine Zunahme von 6,7 Prozent gegenüber 2013.
Das alles wird durch die Digitalisierung in den kommenden Jahren weiter verschärft: Experten sehen eine Art Uber-isierung der Branche voraus, denn wie der US-Konzern Uber in der Taxibranche in vielen Ländern für einen Umbruch und für Ärger bei den traditionellen Anbietern sorgt, könnten digitale Plattformen zu noch größerem Preisdruck und zu neuen Konkurrenten führen. Dabei gibt es Frachtbörsen bereits seit vielen Jahren, zum Beispiel Teleroute oder Timocom. Auf Online-Marktplätzen werden Angebot und Nachfrage auf einfache Art zusammengebracht. Die Digitalisierung in den Fabriken selbst wird diesen Trend weiter verstärken, denn damit können Produktion und Logistik noch enger verzahnt werden - gefertigt und geliefert wird dann, wenn es der Markt will. Nicht nur im Business-to-Business-Bereich hat das Folgen. Ein Beispiel, wie sich digitale Plattformen für die Transport- und Logistikbranche auch bei Konsumenten auswirken werden, ist das Wiener Start-up Byrd: Dieses bietet Privatkunden an, sich um die Verpackung und den möglichst günstigen Transport von Gegenständen zu kümmern. Der ganz große Umbruch steht der Branche indes erst bevor: Wenn autonomes Fahren zur echten Alternative geworden ist, wird man weniger Personal brauchen, und die Kosten können somit weiter minimiert werden. Die große Hürde werden dann allerdings die gesetzlichen Bestimmungen sein. Bis es so weit ist, wird daher noch etliche Male Weihnachten gefeiert werden.