Home Office: Pro & Contra

Keine Staus, kein Büroklatsch, dafür ein Arbeitsumfeld nach dem eigenen Geschmack: Das Home Office bietet viele Vorteile, ist in Österreichs Arbeitswelt aber noch immer die Ausnahme.

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Die große Freiheit für die Mitarbeiter wird oft propagiert, aber selten erreicht: Nach wie vor ist das traditionelle Modell „Gleitzeit mit klar definierten Anwesenheitszeiten“ die häufigste Variante, während Alternativen wie Gleitzeit ohne Kernzeit oder Vertrauensarbeitszeit deutlich seltener angeboten werden – und wenn, dann nur für einen kleinen Teil der Belegschaft. Auch Teleworking ist eine eher theoretische Option: Zwar geben 90 Prozent der österreichischen Unternehmen an, diese Variante zu nutzen, in fast der Hälfte beschränkt sich die Möglichkeit, Arbeit außerhalb der firmeneigenen Räumlichkeiten zu erledigen, aber auf einige wenige Mitarbeiter. Lediglich in einem Fünftel der Betriebe hätte die Mehrheit der Belegschaft diese Option, und gerade einmal drei Prozent der Arbeitgeber bieten allen Mitarbeitern, deren Job an keinen bestimmten Ort gebunden ist, Home-Office-Lösungen. Das hat eine Umfrage von Deloitte Österreich, Universität Wien und FH Oberösterreich ergeben.

Für das Festhalten an klassischen Bürostrukturen sind verschiedene Ursachen verantwortlich. Eine davon ist für Barbara Kellner, Expertin von Deloitte Österreich, die Tatsache, dass „die Unternehmen solche Lösungen nur als Vorteile für Mitarbeiter sehen. Bei klaren Regelungen profitieren aber beide Seiten von der gesteigerten Flexibilität.“ Zudem gilt in Österreich Präsenz am Arbeitsplatz als wichtiger Indikator für gute Leistung, davon sind zumindest die meisten Führungskräfte überzeugt. Aber auch die Arbeitnehmer selbst sind skeptisch, was das Arbeiten außerhalb der Büroräume betrifft: Ein Fünftel der Erwerbstätigen glaubt, dass Kollegen im Home Office weniger arbeiten als im Büro, hat eine Umfrage von meinungsraum.at ergeben. Da wundert es nicht, dass selbst in Firmen, in denen theoretisch alle Mitarbeiter ihren Job extern erledigen könnten, dies in der Praxis nur wenige tun. Um dem Home Office zum Durchbruch zu verhelfen, brauche es „dringend die Etablierung einer Ergebnis- statt einer Anwesenheitskultur“, sagt Kellner.

Dem steht allerdings die Kontrollwut der heimischen Unternehmen gegenüber. Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – zumindest für die Masse der Mitarbeiter, bei Führungskräften sieht es ganz anders aus. „Richtlinien in Bezug auf Verfügbarkeit sowie Anwesenheit gibt es selten“, bestätigt Bettina Kubicek, Professorin für Organisationsentwicklung an der FH Oberösterreich. Geregelt werden meist nur Einzelfälle oder Rahmenbedingungen wie die maximale Zahl der Home-Office-Tage, sonst lasse man Führungskräften freie Hand. Gerade das führe zu einem Gefühl von Ungleichheit und damit zu Spannungen innerhalb der Belegschaft. Angesichts der aktuellen Trends am Arbeitsmarkt ist dennoch zu erwarten, dass auch in Österreich ein Umdenken stattfindet. „In Zeiten des Fachkräftemangels stehen Unternehmen vor der Herausforderung, individuellere Angebote zu schaffen, die sich an den jeweiligen Lebensphasen der Mitarbeiter orientieren“, glaubt Barbara Kellner. Das betreffe vor allem Ort und Ausmaß der Arbeitszeit sowie Möglichkeiten der mobilen Arbeit.

Aber das Home Office hat sene Tücken, wie eine vor Kurzem veröffentlichte Untersuchung der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) der Vereinten Nationen zeigt. Dafür wurden in 15 Ländern Menschen mit entsprechender Erfahrung befragt – einerseits jene, die ausschließlich oder teilweise von zu Hause oder mobil arbeiten, und andererseits jene, die nur im Büro werken. Das Ergebnis: Wer ausschließlich an seinem fixen Arbeitsplatz im Unternehmen arbeitet, scheint weniger gestresst zu sein. Das liegt daran, dass abseits der traditionellen Büros länger und intensiver gearbeitet wird und die Grenzen zwischen Arbeits- und Freizeit verschwimmen. Dazu kommt, dass Kommunikation und Abstimmung mit Kollegen zeitaufwendiger und komplizierter sind; zudem sind Teleworker häufiger von den technischen Problemen betroffen. Studienautor Jon Messenger befürwortet das Home Office trotzdem – aber nicht als Ersatz für das traditionelle Modell, sondern als Ergänzung. „Zwei bis drei Tage pro Woche von zu Hause aus zu arbeiten, scheint der ideale Mittelweg zu sein“, sagt er. Das biete direkten Kontakt zu Kollegen und gleichzeitig genügend Raum für ungestörtes Arbeiten.

Auch immer mehr Einzelunternehmer und Freelancer, die größte Gruppe innerhalb der Home- und Teleworker, sehen die Isolation ihrer eigenen vier Wände nicht nur als inspirierend, sondern auch als ein-engend und suchen nach anderen Möglichkeiten. Das zeigt sich unter anderem am wachsenden Angebot von Co-Working-Einrichtungen. Laut dem heuer erschienenen Global Co-Working Survey stieg die Zahl von rund 1100 Co-Working-Spaces im Jahr 2011 auf derzeit schon 13.800, die Zahl der registrierten Nutzer von 43.000 auf 1,2 Millionen. Gearbeitet wird in den Gemeinschaftsbüros der neuen Generation nicht neben-, sondern tatsächlich miteinander. Die Bandbreite reicht von kleinen Projekten bis zur Gründung gemeinsamer Unternehmen. Auch in Österreich wächst die Zahl der Co-Working-Center. Jüngster Neuzugang in Wien ist der im September eröffnete Orbi Tower im 3. Bezirk. Als wissenschaftlicher Berater fungierte Michael Bartz, Professor der FH Krems und Experte für die Arbeitswelt der Zukunft. „Der Orbi Tower fördert Flexibilität und Produktivität von Menschen und Organisationen.“ So sehe der Arbeitsplatz für die Generation Y aus, sagt Bartz. Bleibt zu hoffen, dass auch an andere Generationen gedacht wird.

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90 Prozent der österreichischen Unternehmen bieten flexible Arbeitszeitmodelle an. Das sagen zumindest 412 Personalleiter und Führungskräfte, die im Rahmen einer Studie von Deloitte Österreich, Uni Wien und FH Oberösterreich befragt wurden.

77 Prozent der befragten Führungskräfte halten die Anwesenheit ihrer Mitarbeiter für wichtig.

12 Prozent der Arbeitnehmer sind laut einer Umfrage von meinungsraum.at überzeugt, dass Teleworking als charmante Umschreibung für einen freien Tag dient.