OMV-Wasserstofftankstelle in Floridsdorf

Wasserstoff als Krafstoff der Zukunft

Wasserstoff wird maßgeblich zur Wende in Richtung erneuerbarer Energien beitragen: In Österreich fährt bald die erste Schmalspurbahn damit, auch Energiekonzerne und Autohersteller setzen darauf.

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Anmutig hebt sich das Flugzeug in die Luft. Seine Kreise über Stuttgart zieht es lautlos wie ein Segelflieger, ähnlich filigran sind seine schlanken weißen Flügel. Anstatt eines Rumpfes hat es zwei, dazwischen surrt der Propeller. Hinter ihm verbirgt sich der Antrieb: Eine Brennstoffzelle vermischt den Wasserstoff an Bord mit Sauerstoff aus der Luft und erzeugt damit Strom. Aus dem Vier-Personen-Flugzeug entweicht nur Wasserdampf, sonst nichts. „Im Cockpit ist es fast lautlos, man kann sich normal unterhalten. Wenn man anschließend in ein Flugzeug mit Verbrennungsmotor umsteigt, fühlt sich das ein bisschen an wie in einer Dampfmaschine“, sagte Pilot Johannes Anton nach diesem Jungfernflug, der an einem strahlenden Herbsttag 2016 stattgefunden hat. Der Flieger namens HY4 ist ein Prototyp des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, in dem vier Personen Platz haben. In den nächsten Jahren sollen größere Maschinen folgen. „Es wäre durchaus möglich, einen 10-Sitzer, maximal einen 40-Sitzer zu bauen. Das wären dann Flugzeuge, die im Regionalverkehr eingesetzt werden könnten und eine Reichweite von bis zu 1000 Kilometer hätten“, sagt Josef Kallo, der den eleganten Flieger entwickelt hat.

Könnte Wasserstoff (H) der Energielieferant der Zukunft werden und helfen, das Klima zu retten? Viele Wissenschaftler und Techniker glauben daran. Bereits in den 1990er-Jahren setzte man große Hoffnungen in die Technologie, nun könnte ihre Zeit tatsächlich gekommen sein. Die Weltkonzerne Daimler, BMW, Toyota, Honda, Hunday, Shell und andere haben sich zu einer Allianz namens Hydrogen Council zusammengeschlossen und investieren jährlich 1,4 Milliarden Euro in die Weiterentwicklung des Wasserstoff-Antriebs. Hyundai-Chef Chung Mong-koo war beim Weltwirtschaftsforum in Davos vergangenes Jahr zuversichtlich, dass „die Technik Benzin- und Dieselantrieben schon bald Konkurrenz machen wird“. Erste Wasserstoffautos von Hyundai, Toyota und Honda sind bereits auf den Straßen unterwegs – auch in Österreich.

Brennstoffzelle als Antrieb

Es sind im Prinzip Elektroautos, aber anstatt einer langwierig aufzuladenden Batterie steckt in ihrem Inneren eine Brennstoffzelle. Deren Kraftstoff ist Wasserstoff, der wie beim Flugzeug HY4 in der Zelle mit Sauerstoff reagiert und Strom direkt im Auto erzeugt. Der Auspuff spuckt lediglich Wasserdampf in die Umwelt. Im Gegensatz zu Batterien ist das Wasserstoffgas ähnlich schnell im Tank wie Benzin oder Diesel, die Reichweite von H-Autos ist mit bis zu 800 Kilometern zudem größer als bei herkömmlichen Elektrofahrzeugen.

Wasserstoffauto: Der Hyundai ix35 Fuel Cell

Noch gibt es aber mehrere Nachteile: Erstens kommt Wasserstoff nur in gebundener Form vor, zum Beispiel in Wasser oder Erdgas. Daraus Wasserstoff zu gewinnen, kostet viel Strom. Der Traum vom sauberen Fahren und Fliegen wird demnach nur dann wahr, wenn der Strom zur Wasserstoffgewinnung aus erneuerbaren Energien, etwa Wind- oder Solarenergie, stammt. Zweitens sind Wasserstoffautos mit Kaufpreisen zwischen 65.000 und 100.000 Euro noch deutlich zu teuer, um massentauglich zu sein – selbst wenn hierzulande der Kauf eines H-Autos mit 4000 Euro gefördert wird. Hinzu kommt die fehlende Infrastruktur. In Österreich gibt es bisher nur vier Tankstellen: in Wien-Floridsdorf, Asten bei Linz, Innsbruck und Graz-Liebenau. Deutschland ist da schon etwas weiter: Knapp 40 Tankstellen stehen zur Verfügung, darunter eine in Hamburg, die den Wasserstoff zu großen Teilen selbst erzeugt. Bis 2023 sollen es 400 sein. In Köln und Hamburg kurven bereits H-Busse durch den Stadtverkehr, die Deutsche Bahn will demnächst Loks mit Brennstoffzellen auf die Schienen bringen. Eine EU-Richtlinie verpflichtet übrigens alle Mitgliedsländer, bis 2025 ausreichend viele Wasserstofftankstellen zur Verfügung zu stellen.

Weltweit führend im Bereich der H-Mobilität sind aber Kalifornien, Japan und China. In dem US-Bundesstaat baut Toyota derzeit ein Wasserstoffkraftwerk, das mit Biomasse betrieben wird und künftig auch Schwerlaster betanken soll. Bei den Olympischen Spielen in Tokio 2020 sollen 100 Busse mit Wasserstoffantrieb Zuschauer und Sportler transportieren. In der nordchinesischen Stadt Tangshan gleitet seit Herbst vergangenen Jahres die erste H-Straßenbahn über die Schienen.

Ertse Schmalspurbahn mit Brennstoffzellen

Aber auch in Österreich tut sich etwas: Im Tiroler Zillertal wird ab 2022 die weltweit erste Schmalspurbahn mit Brennstoffzellen über die Gleise gleiten. Das gaben der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter und die Leiter der Bahn vergangenen Freitag bekannt. Sie wird pro Tag 600 Kilogramm Wasserstoff verbrauchen, der direkt im Zillertal hergestellt und in den Endbahnhöfen Jenbach und Mayrhofen in Tankstellen bereitgestellt werden wird. Die Entscheidung zwischen einem Stromantrieb mit Oberleitungen und Wasserstoff fiel leicht: „Beim H-Antrieb sind deutlich niedrigere Energiekosten zu erwarten“, sagte der technische Vorstand Helmut Schreiner.

Beim Durchschnittsösterreicher ist der Wasserstoffantrieb indes noch nicht angekommen. Einer aktuellen Umfrage des Klima- und Energiefonds zufolge verbinden nur sechs Prozent der Österreicher Wasserstoff mit umweltfreundlicher Energie. Die häufigste Assoziation mit dem Element ist „Brand- oder Explosionsgefahr“. Diese Angst ist unbegründet, wie Crashtests bereits bewiesen haben. In Versuchen mit Lecks im Tank haben die Brennstoffzellenautos ebenfalls gut abgeschnitten, sogar besser als benzinbetriebene Fahrzeuge. Forscher hatten dem Anschluss eines unter Druck stehenden Wasserstofftanks ein kleines Loch zugefügt. Aus dem Loch im Heck des Autos entwich eine meterhohe Stichflamme, die allerdings verlosch, bevor die Flammen auf das Fahrzeug übergingen. In der Realität dürfte so ein Fall ohnehin nicht eintreten: Die Elektronik würde den Druckabfall sofort erkennen und das Ventil zum Tank verschließen. Das Risiko einer Explosion ist laut Experten aufgrund der stabilen Metalltanks auch bei extrem schweren Unfällen äußerst unwahrscheinlich.

Stahlindustrie ohne CO2-Emissionen: Das ist die Vision von EU und den Konzernen Voestalpine, Siemens sowie Verbund – dahinter steckt wiederum Wasserstoff. In Linz wird zwischen den Hochöfen der Voest seit einem Jahr eine der weltweit größten Elektrolyseanlagen gebaut, die 2022 vollständig in Betrieb gehen soll. Der Verbund liefert Strom aus erneuerbaren Energien, Siemens die Technik, die Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt (Elektrolyse). Die Voest wird den Wasserstoff erstmals ins interne Gasnetzwerk schleusen und als Industriegas testen. Das niederländische Forschungsinstitut ECN übernimmt die wissenschaftliche Begleitung und wird deren Einsatz in anderen Industriezweigen prüfen. H2Future, so der Name des Projekts, kostet 18 Millionen Euro, einen Großteil der Finanzierung übernimmt die EU. „Es wird weltweit verfolgt, was hier in Österreich entwickelt wird“, sagte Bart Biebuyck von der EU-Kommission beim Spatenstich im vorigen Februar.

Ein paar Kilometer weiter arbeitet der Chemiker Günther Knör in seinem Labor an der Universität Linz daran, Wasserstoff klimaneutral herzustellen. Seine Zutaten: Wasser, Sonnenlicht, Farbstoff und eine Salzlösung. Die Methode hat sich Knör von Grünalgen abgeschaut, die bei der Photosynthese Wasserstoffgas produzieren. Ein grüner Farbstoff funktioniert dabei wie das Chlorophyll bei Pflanzen. Er spaltet mithilfe des Sonnenlichts Wasser in Wasserstoff, der gespeichert wird, und Sauerstoff. Letzterer wird in einer Salzlösung zu harmlosem Sulfat. Im Labor funktioniere das schon prächtig, berichtet Knör – von einer Anwendung im großen Maßstab sei man aber noch weit entfernt.

Wasserstoffheizung als Zukunfstrend

Eignet sich Wasserstoff auch zum Heizen? 200.000 japanische Häuser haben bereits Brennstoffzellen, die sowohl Strom als auch Wärme spenden. Noch sind diese ziemlich teuer, dürften aber sukzessive billiger werden. In Deutschland kostete eine H-Heizung vor einigen Jahren noch 48.000 Euro, derzeit ist sie für 30.000 Euro zu haben. 500 Häuser hat die deutsche Bundesregierung im Rahmen eines Projekts mit Brennstoffzellenheizungen verschiedener Hersteller bestückt und getestet, deren Leistung ist zufriedenstellend. Der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie bezeichnete die Wasserstoffheizung kürzlich als Zukunftstrend. Im Regierungsprogramm der schwarz-blauen Koalition in Österreich ist eher vage von einer „Energieforschungsoffensive“ in puncto Speichertechnologien die Rede, worunter auch Wasserstoff fallen soll.

Im niederösterreichischen Auersthal erzeugt eine Pilotanlage der OMV seit gut zwei Jahren Wasserstoff aus Windstrom. Eines der Ziele: Das Speichern von Strom bei Überproduktion. Vor allem Solar- und Windkraftanlagen liefern Energie nur sehr unregelmäßig – je nach Wetterlage. Noch immer gibt es in Österreich zu wenige Pumpspeicher, Wasserstoff könnte als Speichermedium Abhilfe schaffen. Die OMV speist hierzu den gasförmigen Wasserstoff aus Auersthal ins Erdgasnetz. Derzeit ist das erlaubt, solange der Wasserstoffanteil im Gasnetz vier Prozent nicht übersteigt. Diese Menge würde ausreichen, um etwa ein Drittel des gesamten österreichischen Windstroms im Erdgasnetz zu speichern. In anderen europäischen Ländern ist ein höherer Wasserstoffanteil im Gasnetz erlaubt. Zudem könne eine Elektrolyseanlage, wie sie in Auersthal steht, auch direkt in einer Tankstelle Wasserstoff erzeugen. Derzeit produziert die Anlage täglich 33 Kilogramm Wasserstoff, was einem Tagesbedarf von 85 H-Autos entspricht.

Wie teuer aber ist der Betrieb eines solchen Autos? Wasserstoff wird in Kilogramm berechnet, wobei ein Kilo drei Liter Benzin entspricht und neun Euro kostet. In einen Tank passen fünf Kilo, die Hersteller versprechen, dass damit 500 Kilometer weit gefahren werden kann. Im Stadtverkehr geht sich das nicht ganz aus, wie eine Testfahrt der deutschen Zeitschrift „Die Zeit“ zeigte: Der Hyundai ix35 Fuel Cell verbrauchte 1,3 Kilo auf 100 Kilometer. Fazit der Testfahrt: Die Spritkosten eines Autos mit Benzinmotor wären ähnlich gewesen, ein Diesel hätte den Fuel Cell in dieser Disziplin geschlagen. Das Fahrzeug sei allerdings extrem leise, das Fahrgefühl angenehm, und beim Ampelstart hätten selbst starke Sportwagen das Nachsehen. Und in puncto Abgasen hat das Wasserstoff-Auto seine Konkurrenz ohnehin längst abgehängt.