Integrationsarbeit: Jobs für Flüchtlinge
Ali arbeitet jetzt in einer Pizzeria im 20. Bezirk in Wien, seine Deutschkenntnisse verfeinert er bei einem Sprachkurs des Vereins Connection, außerdem will er die Matura machen. Ali ist vor einigen Jahren aus Pakistan nach Österreich gekommen, seine ersten Schritte auf dem österreichischen Arbeitsmarkt hat er als Mitarbeiter eines Kaffeehauses in Wien getan - dieses wird von besagtem Verein Connection betrieben und soll Migranten und geflüchteten Menschen jene Berufserfahrung ermöglichen, die Voraussetzung dafür ist, auf dem Jobmarkt Fuß zu fassen.
Im "Café Connection" in der Garnisongasse in Wien-Alsergrund erhalten junge Menschen für jeweils sechs Monate diese Chance. Dabei führen sie das Kaffeehaus selbst und tragen die volle Verantwortung für das Geschäft; sie kassieren selbst und rechnen die Tagesumsätze ab. "Es geht auch darum, Deutsch in einem realen Umfeld sprechen zu lernen", sagt Valerie Mühlenburg, Chefin des Vereins Connection. Seit dem Herbst betreibt dieser Verein in der ehemaligen Ankerbrot-Fabrik in Wien-Favoriten zudem eine sogenannte Lernfabrik, in der neben Deutschkursen der Umgang mit Geld, die richtige Vorbereitung auf Lehrstellen und andere Aspekte des beruflichen und privaten Lebens in Österreich vermittelt werden. Fast alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagieren sich ehrenamtlich.
Die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt ist ein gleichermaßen wichtiges wie politisch heikles Thema - aus Angst davor, die falschen Reaktionen zu provozieren, wird nicht viel darüber gesprochen und generell wenig unternommen. Private Initiativen sind aus diesem Grund eine wertvolle Ergänzung zu den staatlichen Angeboten. Tatsächlich findet sich in Österreich eine Reihe solcher Projekte, die sich um eine bessere und langfristig stabile Integration geflüchteter Menschen in den Arbeitsmarkt kümmert.
Wie man lernt, ist wichtiger, als was man lernt. ("Connection"-Mitarbeiterin Iunia Martin)
So wie der Verein Connection: Ali kommt regelmäßig zu dessen offenen Deutschkursen, bei denen Vereinsmitarbeiter wie Iunia Martin weniger auf das sture Büffeln der Sprache achten als vielmehr eine Anleitung zum Selberlernen geben wollen. Sie selbst kommt aus Rumänien und ist heute Sprachlehrerin; sie ist auf alternative Unterrichtsmethoden spezialisiert: "Wie man lernt, ist wichtiger, als was man lernt", ist sie überzeugt. Während aus dem CD-Player deutsche Sätze ertönen, versuchen sich die Schüler an praktischen Übungsaufgaben anhand von Karteikarten und Rätseln; Computer stehen ebenso zur Verfügung wie Lernmaterialien und eine Bibliothek. Zudem gibt es Sprachkurse und weitere Angebote für Mütter mit Kleinkindern. Dritter Baustein neben der Weiterbildung und dem Praxiseinsatz im Kaffeehaus sind Mentoring-Programme, wofür Mitarbeiterin Elisabeth Schönburg zuständig ist. Dabei werden Jugendliche von berufstätigen Erwachsenen begleitet, etwa bei Bewerbungen und Behördenwegen. "Durch dieses Buddy-System entwickeln sich Kontakte, die viele Jahre halten und generell für junge Menschen extrem wichtig sind", sagt Schönburg. Der Verein Connection finanziert sich durch Spenden, Sponsoren und den Einnahmen aus dem Kaffeehaus; die Räumlichkeiten in der Ankerbrot-Fabrik können kostenlos genutzt werden.
Flüchtlingen den Weg in den Arbeitsmarkt erleichtern, das will auch die Organisation "Chance Integration", die am 29. Juni im Wiener MuseumsQuartier die Berufsmesse "chancen:reich" für diese Menschen veranstaltet. Zielgruppe dafür sind Personen mit einem positiven Asylbescheid oder subsidiär Schutzberechtigte - allein in Wien sind im Moment rund 15.500 Personen dieser beiden Gruppen beim AMS gemeldet.
Stephanie Cox, auf Start-ups spezialisierte Beraterin, und der Jungunternehmer Leo Widrich, Entwickler der Buffer-App - einer zentralen Schaltstelle für Facebook, Twitter und Google+ -, haben die Messe ins Leben gerufen. Ihre Motivation dafür entstand bei einer Begegnung mit Flüchtlingen in Wien. Sie wollen konkret etwas für deren Leben tun. "Das Thema Arbeit ist da zentral", meint Stephanie Cox. Bei der Messe selbst wird es neben den Ständen von Unternehmen und Institutionen wie dem AMS auch Workshops und Informationen geben, etwa rund ums Thema Wohnen. "Wir erwarten bis zu 3000 Flüchtlinge und 50 Unternehmen bei dieser Berufsmesse", sagt Widrich; zugesagt haben unter anderem Spar, Rewe, T-Mobile, Lenzing und die Post AG. Die beiden chancen:reich-Organisatoren wissen aber auch: Mit einer einmaligen Veranstaltung wird es nicht getan sein, wichtig sind langfristige Konzepte für eine Integration in den Arbeitsmarkt. Aber nicht nur als Angestellte oder Lehrlinge könnten Flüchtlinge in Österreich tätig werden -sie könnten selbst Unternehmen gründen. Das zumindest erhofft sich die Wiener Wirtschaftsagentur (vormals WWFF), die ebenfalls bei chancen :reich mit an Bord ist. "Wir werden nicht sofort Hunderte Start-ups haben, aber wir müssen dieses riesige Potenzial nützen", sagt Gabriele Tatzberger, Leiterin des Start-up-Services der Wirtschaftsagentur. Flüchtlingen das Gründen schmackhaft zu machen, sei eine "kleine Pflanze, die langfristige Pflege braucht".
Perspektive auf lange Sicht
Nicht nur an den kurzen Effekt denken, sondern jungen Flüchtlingen auf lange Sicht eine Perspektive geben - das ist auch Ziel des Projekts work:in, das vom Verein "Vielmehr für alle" durchgeführt wird. Sechs ehrenamtliche Mitarbeiter führen Kurse zur Berufsorientierung und Einzelberatung durch, helfen bei der Suche nach Jobs und Praktika und begleiten die jungen Menschen bei ihrem Leben in ihrer neuen Heimat. Manuel Lackner, einer der work:in-Mitarbeiter, wurde dazu durch ein Treffen mit einem Flüchtling motiviert, der unbedingt arbeiten wollte, aber wenig Chancen dazu sah. "Wir wollen generell eine andere Atmosphäre in der Gesellschaft schaffen." Das klingt abgehoben, doch was work:in für die Flüchtlinge und damit für die österreichische Gesellschaft tut, ist denkbar bodenständig und geht über Lippenbekenntnisse hinaus: Sie leisten Hilfe zur Selbsthilfe, damit Flüchtlinge auf eigenen Beinen stehen können.
Petra Draxl, Chefin des AMS Wien, weiß um die Bedeutung solcher Projekte: "Das ist eine wichtige Ergänzung zu dem, was wir machen." Dabei sei die Zusammenarbeit zwischen privaten Initiativen und öffentlichen Stellen wichtig. "Der Vorbildeffekt spielt eine Rolle." Besteht da nicht die Gefahr, dass sich österreichische Arbeitslose im Gegenzug benachteiligt fühlen, zumal sich bestimmte Parteien und Boulevardmedien auf jedes Flüchtlingsprojekt stürzen und in diesem Zusammenhang auch hin und wieder Fakten gern verdrehen? In Wien machen Asylberechtigte rund zehn Prozent der AMS-Klientel insgesamt aus; entsprechend sind Aufwand und Mittel verteilt. Wenn dennoch Flüchtlingsprojekte in den Medien mehr im Mittelpunkt stehen, liegt das an der derzeitigen Brisanz der Thematik . "Wir machen für alle Gruppen viel, zum Beispiel Jobbörsen speziell für Frauen und für ältere Menschen. Doch da ist das Medieninteresse eben nicht so groß", sagt Draxl. Andererseits könnte man aus den unterschiedlichen Bereichen etwas lernen, zum Beispiel kann der bei Flüchtlingen verwendete Kompetenz-Check für andere Zielgruppen wichtig sein.
Nicht nur aus karitativen Gründen engagieren sich Unternehmen bei Projekten wie diesen. Und es ist auch nicht unbedingt die Möglichkeit, im Rahmen einer CSR-Strategie (Corporate Social Responsibility) etwas für das Image zu tun -gerade im Zusammenhang mit Flüchtlingsprojekten ist eine gewisse Scheu zu beobachten, entsprechendes Mittun in der Öffentlichkeit darzustellen. Vielmehr sehen die Unternehmen die nüchterne Möglichkeit, den Pool an potenziellen Mitarbeitern zu erweitern, und sie sagen das auch so klar. Handelskonzerne und Tourismusbetriebe beispielsweise tun sich aufgrund des viel zitierten "Fachkräftemangels" nicht immer leicht bei der Besetzung offener Stellen. Die Arbeitsbereitschaft der Flüchtlinge soll da nach und nach besser genutzt werden. Ob dies andererseits das Niedriglohnniveau in bestimmten Branchen festigen könnte, da diese Menschen für jeden Job dankbar sind? Für Petra Draxl ist das kein Thema:
Vermittlung via Karriere-Portal
"Diese Frage wird sich nicht an den Flüchtlingen entscheiden." Schon jetzt seien in Bereichen, in denen ein Mangel an Arbeitskräften herrscht, Mitarbeiter aus dem Ausland im Einsatz: In der Gastronomie zum Beispiel setzen viele Betriebe Arbeitskräfte aus Ungarn und Slowenien ein; Flüchtlinge werden in diesen Fällen gar nicht genommen, alleine der Sprachkenntnisse wegen. Davon abgesehen gibt es immer wieder Forderungen der Wirtschaft nach mehr staatlicher Unterstützung bei der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt, etwa in Form von Lohnsubventionierung - auch das ist ein politisch heikles Thema, das deswegen nicht offen debattiert wird. Vergleichsweise nüchtern, aber nicht minder motiviert, gehen die Betreiber der Vermittlungsplattform RefugeesWork.at an die Sache heran: Nach dem Vorbild der bekannten Karriere-Portale im Internet können Unternehmen dort Jobs anbieten oder direkt nach Mitarbeitern suchen. "Wir bieten Unternehmen einen vorgefilterten Bewerberpool, das gibt ihnen in rechtlicher Hinsicht die nötige Sicherheit", sagt Dominik Beron, der gemeinsam mit Christoph Hauer und Jacob Wagner diese Idee geboren hat. Seit rund sechs Wochen gibt es die Möglichkeit einer Registrierung, per 23. Mai geht das Portal in den Vollbetrieb; rund 1700 Flüchtlinge und 210 Unternehmen sind im Moment dabei. Finanziert wird das Ganze durch die Mitgliedsbeiträge von Unternehmen; die Palette der verfügbaren Jobs reicht von Lehrstellen über Praktika bis zu Vollzeitangeboten. "Unser Ziel sind 350 Unternehmen, das Interesse ist bereits groß", sagt Beron. Innerhalb des ersten Jahres sollen 500 Geflüchtete vermittelt werden, für diese ist die Nutzung des Portals kostenlos. Den Unternehmen wird nicht nur zu Mitarbeitern verholfen, es wird auch Hilfestellung bei der Überwindung bürokratischer Hürden geboten. Als Ergänzung zu den Jobangeboten werden auch Volontariate für Asylwerber vermittelt.
Von solchen Projekten sollen alle etwas haben: Flüchtlinge bekommen einen Job, der Staat neue Steuerzahler, die Unternehmen Arbeitskräfte. Die Frage ist aber, ob damit -bewusst oder unbewusst - eine Fixierung der geflüchteten Menschen auf jene Bereiche des Arbeitsmarktes betrieben wird, in denen niedrige Qualifikation und damit schlechte Bezahlung typisch sind. "Wir wollen verhindern, dass die Menschen in niedrigqualifizierten Jobs hängen bleiben", erläutert Valerie Mühlenburg, Chefin des Vereins Connection. So versuche ihr Projekt, weitere Ausbildungswege möglich zu machen.
Experten sind sich einig: Die drei wichtigsten Aspekte für den Arbeitsmarkt gelten für Flüchtlinge ebenso wie für Österreicher, für Junge ebenso wie für Alte: Bildung, Bildung, Bildung. Denn es ist zwar wichtig, dass Flüchtlinge zunächst einmal auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen, schließlich nehmen Unternehmen nicht gerne Bewerber, die in Österreich noch gar nicht gearbeitet haben. Außerdem lassen sich im Job die Deutschkenntnisse verbessern. Aber andererseits ist die Gefahr gegeben, dass diese Menschen aus den Jobs mit schlechter Bezahlung nicht mehr wegkommen und vom Markt in diese Richtung gedrängt werden. "Wir müssen vor allem junge Menschen nachhaltig gut qualifizieren", sagt Petra Draxl. Dabei ist es wichtig, bereits erworbene Bildung richtig einzusetzen und beispielsweise bei der Nostrifizierung zu helfen. Bildung verhindert, dass Flüchtlinge zu zukünftigen AMS-Kunden werden. "Und selbst wenn diese Menschen in andere Länder weiterziehen oder zurück in ihre Heimat gehen, haben wir ihnen für ihre eigene Zukunft etwas mitgegeben", sagt Draxl.
Ali will in Österreich bleiben, den Deutschkurs des Vereins Connection besucht er weiterhin regelmäßig, in den nächsten Wochen wird er sich nach weiteren Ausbildungsmöglichkeiten erkundigen. Am liebsten würde er einmal in einem Hotel arbeiten. "Aber jetzt bin ich mal froh, einen Job zu haben."
90.000 Flüchtlinge hat Österreich im Vorjahr aufgenommen. Heuer werden laut der umstrittenen Obergrenze höchstens 37.500 Flüchtlinge in Österreich bleiben dürfen.
Arbeit für Flüchtlinge
Asylberechtigte - also Menschen mit einem Asylbescheid - dürfen in Österreich arbeiten, sie sind auf dem Arbeitsmarkt Österreichern gleichgestellt und brauchen keine weitere Bewilligung. Für subsidiär Schutzberechtigte (Status wird für bestimmte Zeit nach abweisendem Asylverfahren zuerkannt, etwa weil das Leben im Herkunftsland bedroht ist) ist ebenfalls der Zugang zum Arbeitsmarkt erlaubt, sie brauchen keine Bewilligung -eine Bestätigung wird auf Wunsch vom AMS ausgestellt. Hingegen dürfen Asylwerber nicht von vornherein in Österreich arbeiten, sie brauchen dafür eine Beschäftigungsbewilligung, diese wird aber äußerst selten erteilt, und wenn, dann fast ausschließlich für Jobs in der Gastronomie oder in der Landwirtschaft für maximal ein halbes Jahr. Allerdings können Asylwerber in Form von Volontariaten unbezahlt arbeiten, etwa zu Ausbildungszwecken. Dazu ist aber eine Bewilligung des AMS notwendig.
Wohnraum für Flüchtlinge
Jährlich 300 Flüchtlingen Wohnraum geben -das ist das Ziel der Initiative "Flüchtlinge willkommen", die Plätze in Wohngemeinschaften und private Unterkünfte vermittelt und so wie die Bildungsinitiative Prosa und das Arbeitsmarktprojekt work:in Teil des Vereins "Vielmehr für alle" ist. David Zistl ist einer der Betreiber von "Flüchtlinge willkommen":"Durch die Schlagzeilen gibt es viele Vorurteile, das erschwert im Moment die Arbeit." Daher wird Beratung für Vermieter angeboten, um Ängste abzubauen und konkrete Hilfe zu bieten, etwa was die Formulierung von Mietverträgen betrifft. Finanziert wird das Projekt durch Spenden, zudem soll es eine Crowdfunding-Aktion geben. "Wir sind halt abhängig von den Angeboten von WGs und Wohnungsbesitzern", sagt Zistl. Das Interesse der Flüchtlinge ist jedenfalls groß, alleine auf dieser Plattform sind rund 2200 Suchende vermerkt. Im Fokus steht vorläufig Wohnraum in den Städten. Internet: fluechtlinge-willkommen.at
Internet-Links
Verein Connection (Café, Lernfabrik): theconnection.at Job-Portal für Flüchtlinge: refugeeswork.at Projekt work:in: workin.at Berufsmesse für geflüchtete Menschen am 29. Juni in Wien: chancenreich.org
15.500 Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte sind derzeit beim AMS Wien vorgemerkt.