Michaela Ernst: Dressed to kill

Anfang der 1980er-Jahre war Österreichs Modewelt noch simpel gestrickt.

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Da konnte ein Vizekanzler zu einem Empfang des US-Botschafters (Dresscode laut Einladung: "black tie“) noch im Zentralfriedhofsbegräbnis-Outfit, also im dunklen Anzug mit schwarzer Krawatte, erscheinen, ohne Verwunderung auszulösen - mit Ausnahme beim Gastgeber. Außer ein paar tanzbeinschmetternden Elmayer-Jüngern oder frühen Stilosophen wusste hierzulande fast niemand, was die seltsamen Formeln "black tie“, "cravate noire“ oder "Gesellschaftsanzug“ (Smoking) oder "white tie“, "cravate blanche“ oder "großer Gesellschaftsanzug“ (Frack) zu bedeuten hatten. 30 Jahre später ist man fast erleichtert, wenn einer dieser heute gängigen Codes überhaupt noch ausgegeben wird.

Ganz schlimm aber wird es, wenn ‘morning coat‘ auf der Einladung steht.

Denn während die Alltagssprache immer mehr abzuflachen droht, wie linguistische Wutbürger gern beklagen, wird die der Modewelt immer ausgetüftelter: Zum festlichen Anlass erscheint man im "cocktail attire“, in der "tenue foncée“ oder im "dunklen Anzug“, zum Geschäftstermin in Banker-Kreisen "business formal“ (klassischer Anzug). Die etwas legerere Variante davon, "smart casual“, gilt wiederum in Werber-, Architekten- oder Kreativkreisen als angebracht. Zum förmlichen Freizeit-Event trägt man "club casual“ (Poloshirt, keine Jeans) oder "posh casual“ (da werden auch Jeans geduldet). Ganz schlimm aber wird es, wenn "morning coat“ auf der Einladung steht. Wird diese nicht eindeutig mit einem Ascot-Besuch, der Gartenparty bei der Queen oder einer Hochzeit in Adelskreisen in Verbindung gebracht, droht bei Nicht-Auskennern schwerer Pyjamaparty- oder Morgenmantel-Alarm. Dies jedoch könnten die (korrekt) in Cutaway und gestreifte Hosen Gewandeten als entzückende Extravaganz durchgehen lassen.