Nach getaner Arbeit

Pensionskonto: Eine gute Vorsorge ist gefragt

Arbeit Teil V. 2014 wird in Österreich das Pensionskonto eingeführt. Gefragt ist eine gute Vorsorge

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Von Peter Sempelmann

Ihren Lebensabend hatte sich Helga S. anders vorgestellt. Als sie vor vier Jahren als Personalchefin eines börsennotierten Unternehmens in den Ruhestand verabschiedet wurde, wollte sie die Welt bereisen. Dafür hatte sie gespart. Seit sie mit 40 wieder in das Berufsleben eingestiegen war, hatte sie monatlich in eine fondsgebundene Lebensversicherung eingezahlt. „Mir wurde eine Rendite von sechs Prozent in Aussicht gestellt. Aber dann ist die Wirtschaftskrise gekommen, und das Geld war weg“, sagt sie. Aufgrund ihrer langen Berufspause blieb ihr die nicht besonders üppige Pension. Auch ohne Reisen war das Ersparte bald aufgebraucht. Helga S. begann daher wieder zu arbeiten, um ihre Pension aufzubessern. „Viele kleinere Unternehmen suchen jemand für Personal- und Lohnverrechnung in Teilzeit. Das mache ich jetzt.“

Für Judit Havasi, Generaldirektor-Stellvertreterin der Wiener Städtischen Versicherung, treffen im Fall Helga S. zwei Probleme aufeinander: erstens die Krise des Jahres 2008 mit den ihr folgenden Verlusten am Aktienmarkt. Und zweitens die für viele Frauen typische Situation: „Erfahrungsgemäß sind Haushalt und Kindererziehung nach wie vor meist Frauensache“, so Havasi. „Viele Frauen arbeiten daher häufig in Teilzeitberufen und zahlen im Schnitt nur 25 Jahre für ihre Pension ein. Versorgungslücken sind somit vorprogrammiert.“
Dabei hatte Helga S. noch Glück. Sie wurde im Jahr 1947 geboren – daher wird für die Berechnung ihrer Pension das Durchschnittseinkommen der letzten 15 Jahre herangezogen. Ein Zeitraum, in dem sie relativ gut verdient hat.
Für alle nach dem 1.1.1955 Geborenen gilt die in der letzten Pensionsreform festgelegte Formel „80/65/45“. Demnach soll jemand, der mit 65 Jahren und 45 Versicherungsjahren in Pension geht, 80 Prozent seines gesamten durchschnittlichen monatlichen Lebenseinkommens als Pension erhalten.

Weniger Berufstätige, mehr Pensionisten
Christian Prantner, Finanzexperte der AK Wien und Mitglied der von der Europäischen Kommission eingerichteten Financial Services User Group, hält das für fair. Für einige Gruppen gäbe es allerdings klare Nachteile gegenüber der früheren Lösung: „Wer einige Jahre nur teilzeitbeschäftigt war und somit weniger verdient hat, kann den Verlust gegenüber einer Regelung, bei der nur die besten oder letzten 15 Jahre zählen, nie wettmachen.“

In der Pension muss jeder, der nicht entsprechend vorgesorgt hat, mit weniger Geld auskommen. Peter Eichler, Vorstand von Uniqa Österreich, erklärt: „Die Netto-Ersatzrate, also die Nettopension in Prozent des letzten Nettoeinkommens, liegt derzeit bei rund 69 Prozent. Das ist zwar im internationalen Vergleich hoch, bedeutet aber bereits einen deutlichen Rückgang gegenüber dem Aktivbezug.“ In Zukunft werde diese Lücke eher noch größer werden. „Dafür muss man kein Prophet oder gar Schwarzmaler sein. Wir werden immer älter, immer weniger Berufstätige müssen immer mehr Pensionisten finanzieren. Nur durch zusätzliche private Vorsorge für die Rente können im Alter größere Einschränkungen des Lebensstandards vermieden werden.“

Eichlers Argumente sind durchaus nachvollziehbar. Angesichts der stetig steigenden Zahl von Pensionisten scheinen die Pensionen entgegen aller Beteuerungen alles andere als sicher zu sein. Bei der letzten veröffentlichten Zählung im September 2012 waren 2,24 Millionen Österreicher in Pension – um 240.000 mehr als zur Jahrtausendwende. Dem Pensionistenheer standen nur noch 4,32 Millionen Erwerbstätige gegenüber. Auf jeweils 1,9 Berufstätige entfiel daher bereits ein Pensionist. Kein Wunder, dass laut einer im Mai durchgeführten Umfrage von Gfk-Austria mittlerweile 77 Prozent aller Österreicher befürchten, dass es in den nächsten zehn bis 15 Jahren zu weiteren Kürzungen der gesetzlichen Pensionsansprüche kommen wird. Nur jeder Zehnte glaubt, dass die staatlichen Pensionen voll gesichert sind.

Wie groß das Defizit am Bankkonto tatsächlich sein wird, war bisher für viele vor dem Pensionsantritt ein großes Fragezeichen. Ab dem nächsten Jahr soll das jedoch jeder im Internet herausfinden können. Ab 2014 werden alle Pensionsansprüche eigenen Pensionskonten gutgeschrieben. Im Laufe des Jahres wird jeder einen Online-Zugang zum persönlichen Pensionskonto bekommen und dann feststellen können, wie hoch seine Altersbezüge ausfallen werden.

„Das Online-Pensionskonto wird den Österreichern die Augen öffnen, wenn sie sehen, wie hoch der tatsächliche Einkommensrückgang mit dem Pensionsantritt sein wird“, ist sich Heinz Schuster, Vorstandssprecher der s Versicherung, sicher. Er erwartet daher ab 2014 einen Run auf Lebensversicherungen und Zukunftsvorsorgeverträge. Schuster: „Derzeit gibt es davon in Österreich etwa 1,6 Millionen. Das erste Ziel muss die Verdoppelung der Zukunftsvorsorgeverträge sein.“

Auch Uniqa-Vorstand Eichler erkennt österreichweit einen großen Nachholbedarf in der privaten Altersvorsorge und sieht Lebensversicherungen als probates Mittel, diesen sinnvoll umzusetzen. Während im westeuropäischen Durchschnitt rund 5,3 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) in die private Lebensversicherung fließen, sind es in Österreich mit 2,7 Prozent nur knapp mehr als die Hälfte. Wiener Städtische Generaldirektor-Stellvertreterin Havasi präzisiert: „In den EU-15 beträgt der Jahresaufwand für Versicherungsprämien pro Person 2500 Euro. In Österreich sind es derzeit 2000 Euro. In den EU-15 entfallen zwei Drittel auf die Lebensversicherung, in Österreich nur die Hälfte.“

„Da liegt noch vieles im Argen“
Die Konsumentenschützer von der Arbeiterkammer und dem Verein für Konsumenteninformation (VKI) raten allerdings, vor Vertragsabschlüssen alles genau zu überlegen. „Nicht jeder muss vorsorgen“, betont etwa AK-Mann Prantner. Wer sich dafür entscheidet, sollte Angebote und Verträge genau studieren. „Die AK hat im Jahr 2012 die privaten Rentenversicherungen analysiert. Da liegt noch vieles im Argen. Die Anbieter lassen die Kosten gerne unter den Tisch fallen. Dabei sind diese gerade bei Produkten wie Lebensversicherungen doch recht beträchtlich.“
Prantner kritisiert außerdem, dass Lebensversicherungen als sicher und ertragreich dargestellt werden. Zweiteres sei allerdings bei den derzeitigen Zinsen eher anzuzweifeln: „Die Garantiezinsen werden oft durch die Kosten aufgefressen.“ Auch Produkte, die monatliche Zusatzpensionen garantieren, sieht der Finanzexperte kritisch: „Wenn man bei diesen Produkten, die ein monatliches Extra ausweisen, nicht ein biblisches Alter erreicht, rechnen sich diese eigentlich nicht. Die Kosten fressen mehr oder weniger den Gewinn auf.“

Die Kritik von Gabi Kreindl, der Projektleiterin für Finanzdienstleistungen beim VKI, stößt in die gleiche Richtung. „Die Angaben zu den Kosten sind äußerst mangelhaft. Man erfährt nicht, welcher Anteil der Prämien tatsächlich veranlagt wird und welcher an Kosten abgezogen wird“, sagt sie.
Ein besonderer Dorn im Auge sind ihr die teuren Unterjährigkeitszuschläge. Sie werden dann eingehoben, wenn die Prämien immer nur in Monatsraten abgestottert werden. Vertraglich geht das in Ordnung, denn die Prämien würden den Versicherern bereits in voller Höhe zu Beginn des Versicherungsjahres zustehen. Kreindl: „Der Unterjährigkeitszuschlag kann aber effektiv mehr als zwölf Prozent ausmachen. Darauf sollten Versicherungsnehmer hingewiesen werden und die Zahlungsweise abgeändert werden, was bei bestehenden Verträgen absolut sinnvoll ist.“
Trotz aller Kritik gestehen die Verbraucherschützer jedoch ein, dass Lebensversicherungen recht probate Mittel zur Altersvorsorge sind. Zumindest gelten sie als sicher. Ob es am Ende auch den erwarteten Ertrag gibt, ist dann allerdings eine andere Frage. Wer eine fondsgebundene Lebensversicherung abschließt, muss sich eben bewusst sein, dass diese an die Schwankungen der Aktienmärkte gebunden ist.

Die Finanzkrise 2008 war sowohl für die Versicherungen als auch für deren Kunden ein Desaster. Angesichts der hohen Einbußen, verloren viele Versicherte die Nerven und kündigten ihre Verträge, um zu retten, was noch zu retten war. Eine fondsgebundene Lebensversicherung anzubieten oder gar abzuschließen, galt danach lange als ein absolutes No-Go. Mittlerweile empfehlen Versicherungen diese Produkte wieder. Uniqa-Sprecherin Carolina Burger erklärt etwa: „Die lange Laufzeit spricht für diese Form der Veranlagung. Da bei fondsgebundenen Lebensversicherungen monatlich angespart wird, kommt der sogenannte Cost-Average-Effekt (Durchschnittskosteneffekt) zum Tragen. Als Faustregel gilt: Je jünger die Person ist, die eine fondsgebundene Lebensversicherung abschließt, desto höher ist der Anteil, den sie in Fonds investieren kann, weil Schwankungen aufgrund der langen Laufzeit besser ausgeglichen werden können.“

Die Wiener Städtische Generaldirektorin Havasi sieht die fondsgebundenen Lebensversicherungen hingegen als Produkte, die sich nur unter bestimmten Voraussetzungen zur privaten Altersvorsorge eignen – und zwar „nur dann, wenn der Ansparvorgang langfristig konsequent betrieben werden kann und man im Sinne einer langfristigen Planung auch gewillt ist, Phasen mit negativer Performance durchzuhalten“. Im Sinne eines Vermögensaufbaus punkte die fondsgebundene Lebensversicherung außerdem im Vergleich zu Depotlösungen durch steuerliche Vorteile.
Bei der staatlich geförderten Zukunftsvorsorge, den sogenannten Prämienpensionen gäbe es eine Menge weiterer Steuervorteile. So entfallen dabei die KESt, die Einkommenssteuer und die Versicherungssteuer. Auch gäbe es eine 100-prozentige Kapitalgarantie bei Antritt der Alterspension sowie 4,25 Prozent staatliche Förderung bis zu einer Jahresprämie von 2445,55 Euro im Jahr 2013 und das gesamte Kapital als Hinterbliebenenvorsorge, bei einem Unfalltod sogar bis zu 150 Prozent (je nach Versicherungsmodell).

„Das stimmt alles“, gesteht AK-Mann Prantner ein, „Lebensversicherungen sind sichere Produkte. Sie kosten aber auch etwas. Jeder muss sich darüber im Klaren sein, was er sich leisten kann und wie viel Prämie jährlich in die Altersvorsorge investiert werden soll.“ Im Falle einer fondsgebundenen Lebensversicherung kommt außerdem die Frage hinzu, ob man einen Totalverlust wirtschaftlich tragen kann. Prantner: „Ist das so, dann kann man das Risiko eingehen.“