Smart Home: Der Mensch als Schwachstelle des intelligenten Wohnens

Smart Home: Der Mensch als Schwachstelle des intelligenten Wohnens

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Geht es um intelligentes Wohnen, wird immer wieder ein Beispiel bemüht: jenes des „mitdenkenden“ Kühlschranks, der darauf hinweist, dass es Zeit geworden ist, die zu Ende gehende Milch nachzukaufen. „Für uns ist so ein Kühlschrank nichts weiter als Schnickschnack, denn in Wahrheit sind die Anwendungsbereiche denkender Wohnsysteme vielfältiger und ihre Vorteile bedeutungsvoller“, meint indessen, etwas pikiert, Claudia Egginger von dem oberösterreichischen Unternehmen Loxone, das sich auf sogenannte Smart Homes spezialisiert hat. Erst im vergangenen Januar war das Wohnen der Zukunft eines der zentralen Themen bei der International Consumer Electronics Show (CES), einer der weltweit größten Fachmessen für Elektronik, die alljährlich in Las Vegas stattfindet.

Internet der Dinge

Unter dem Begriff „Smart Homes“ versteht man denkende Wohneinheiten, bei denen Geräte, Technik und Kommunikation miteinander vernetzt werden, weswegen bisweilen auch vom „Internet der Dinge“ die Rede ist. Beleuchtung, Jalousien, Heizung, Alarmanlagen, aber auch der Herd, die Waschmaschine und besagter Kühlschrank stehen miteinander in Verbindung und können von einer zentralen Schalteinheit wie einem Computer, Tablet oder Smartphone via Internet – und damit nicht nur zu Hause – erreicht, gesteuert und programmiert werden. In den kommenden Jahren, so zeigen sich die Experten in Las Vegas überzeugt, werden solche Smart Homes fixer Bestandteil unseres Lebens sein.

„Natürlich gibt es Anwendungen, bei denen es in erster Linie um Wohnkomfort für Lifestyle-affine Menschen geht“, erklärt Egginger, „so kann man zum Beispiel in jedem Raum eine andere Musik oder eine andere Radiostation spielen, die gemeinsam mit der passenden Beleuchtung von einem Präsenzmelder eingeschaltet wird, etwa wenn man in der Früh das Badezimmer betritt oder abends das Schlafzimmer.“ Skeptiker, räumt die Sprecherin von Loxone ein, könnten solche Anwendungen ruhig als Schnickschnack für Technofreaks bezeichnen: „Für die weniger Verspielten gibt es ernsthaftere Ansätze, die sich um Themen wie die Sicherheit oder den Energieverbrauch drehen.“

Was Letzteren betrifft, könne in einem intelligenten Haus etwa die Beschattung mithilfe von GPS-Koordinaten so eingestellt werden, dass den ganzen Tag über die maximal energiesparende Temperatur in allen Räumen herrscht. „Dabei wird etwa die Beschattung an der Ostseite des Hauses am Morgen, wenn die Sonne aufgeht, heruntergefahren und im Laufe des Tages, wenn die Westseite beschienen wird, an der gegenüberliegenden Seite wieder hinaufgezogen“, erklärt Egginger. Wer alle Möglichkeiten ausschöpfen will, kann ­Außentemperatur und Wettervorhersage bei der Regelung der Jalousien, der Heizung und der Klimaanlage ebenso einspeichern wie Uhrzeiten sowie die An- und Abwesenheiten von Personen. Auf diese Art wird ein Heizzeitplan erstellt, der dank Temperaturfühlern die Öffnung von Heizventilen steuert. So wird etwa die Temperatur im Schlafzimmer nachts abgesenkt, während das Badezimmer, das in den meisten Fällen ohnehin nur am Morgen und am Abend genutzt wird, auch nur zu diesen Tageszeiten beheizt wird. „Und wenn ich einmal verkühlt bin und früher aus dem Büro nach Hause fahre, kann ich die Einstellungen auch von unterwegs ändern und die Heizung im Voraus starten“, ergänzt Egginger.

Es geht uns um eine intelligente Form der Überwachung

Bei der CES in Las Vegas wurden energieoptimierende Systeme vorgestellt, die anhand von GPS-Daten Smartphones „verstehen“ können. So registrieren diese etwa, wann die Bewohner eines Hauses dieses verlassen, um es dann in eine Art Standby-Modus zu versetzen. Auf gleicher Basis, nur mit anderen Daten versorgt, funktioniert auch der „intelligente“ Geschirrspüler, der sich erst dann einschaltet, wenn die Stromkosten am niedrigsten sind. Noch einen Schritt weiter geht der japanische Autokonstrukteur Honda mit seinem „Honda Smart Home“. Bei diesem Entwurf handelt es sich um ein Einfamilienhaus, das mit einem intelligenten System ausgerüstet ist, das die über Sonnenreflektoren gesammelte Energie zum geeignetsten Zeitpunkt in ein Elektroauto in der Garage einspeist. Es wählt also für den Vorgang Tageszeiten aus, zu denen der CO2-Ausstoß am geringsten ist. So würden auf möglichst effiziente Weise jene beiden Bereiche zusammengeschlossen, die am meisten für CO2-Ausstoß verantwortlich sind: Wohnen und Verkehr.

Auch im Bereich der Sicherheit rüsten die neuartigen Wohnungen auf. „Genau genommen ist eine Sirene dumm“, sagt ­Egginger: „Deswegen geht es uns um eine intelligente Form der Überwachung, die keine zusätzlichen Geräte benötigt, sondern mit den vorhandenen arbeitet.“ So könne man über bereits installierte Miniserver verschiedene Komponenten zusammenschließen und diesen „Intelligenz“ einhauchen. In der Praxis sähe das so aus: Im Fall eines Einbruchs würden die Musikanlage zu spielen, die Lichter zu blinken, die Jalousien hinauf- und hinunterzufahren beginnen. So wäre die Nachbarschaft alarmiert. Gleichzeitig würden Nachrichten an die Besitzer und/oder die Polizei versendet.

„Alle Daten sind verschlüsselt“

Weit mehr als technische Spielereien zeichnen sich im Bereich des betreuten Wohnens ab. Ältere und gebrechliche Personen könnten von automatisch angehender Beleuchtung profitieren, von Leuchtdioden im Boden, die den Weg vom Bett zum Bad weisen, von Bewegungsmeldern, die Stürze registrieren oder Alarm aussenden, wenn über eine gewisse Zeit keine Bewegung mehr registriert wird. Die Möglichkeiten seien hier nahezu unbeschränkt, sagt Egginger. Zusätzliche Audio- und Videosysteme könnten Dauerkontakt zu pflegenden Familienmitgliedern, Ärzten, Betreuungspersonal oder zu Freunden herstellen. Smart Homes bieten ihren betreuungsbedürftigen Bewohnern die Möglichkeit, ihre Privatsphäre und ihren eigenen Wohnraum zu bewahren und gleichzeitig die Annehmlichkeiten eines Alters- oder Pflegeheims in Anspruch zu nehmen. Gut möglich, dass diese Gruppe von Menschen von intelligenten Wohnsystemen am meisten profitiert. Wesentliche Voraussetzung dafür wäre allerdings die Bereitschaft der Betroffenen, sich mit elektronischen Geräten wie Smartphones oder Tablet-Computern zu beschäftigen. „Wir haben da beispielsweise ein Kundenehepaar in der Schweiz, der Mann ist 85, die Frau 83 Jahre alt, die das ganze System mit ­einem iPad steuern, den sie sogar dazu verwenden, um die Türen zu öffnen und zu verriegeln“, erzählt Egginger.

Den Einwand, dass die Systeme fehleranfällig sein könnten oder einer intensiven Wartung bedürfen würden, lässt die Loxone-Sprecherin nicht gelten. „Vor allem, wenn die Systeme bei einer Erstinstallation verbaut werden, sind sie überhaupt nicht anfällig“, beteuert sie: „Und bei Stromausfall werden konventionell ausgerüstete Häuser ja genauso lahmgelegt.“ Auch die Gefahr eines Hackerangriffs sei gering, betont Egginger: „Alle Daten sind verschlüsselt, und natürlich halten wir unsere Kunden auch dazu an, möglichst sichere Passwörter zu verwenden. Zudem sind die Systeme so konzipiert, dass ein unerlaubtes Eindringen keinerlei Zugriff auf relevante Informationen liefert.“

Kritiker des intelligenten Wohnens hinterfragen – wohl nicht ganz zu Unrecht –, ob unser Leben von noch mehr künstlicher Intelligenz geprägt sein soll. Sie befürchten, dass die Intelligenz im Wohnraum allzu weit gehen und Konsumverhalten und Lebensstil bis hin zur Verdauung der einzelnen Hausbewohner kontrollieren könnte. Andere kritische Geister wiederum betonen, dass die Energieeffizienz eines Hauses weniger mit der Technologie als vielmehr mit dem Verantwortungsbewusstsein seiner Bewohner zu tun hat. So könnten heizungssteuernde Präsenzmelder zwar feststellen, ob sich jemand in einem gewissen Raum befindet – nicht aber, ob er einen Pullover trägt.