Spa und Wellnessurlaub: Die neue Romantik
Von Michaela Ernst
Früher war es romantisch, in andere Welten aufzubrechen. Was ließen sich da noch für Bilder zeichnen: Sonnenuntergänge am Meer oder überm Hügelland, versteckte Parkbänke in Paris oder Florenz, händchenhaltende Paare in plüschigen Kinosesseln. Weit weg von Finanzhaien und anderen fiesen Gestalten.
Heute ist alles anders. Romantik bedeutet, sich in sichere Häfen zurückzuziehen. Und da kommen nun Körper und Seele ins Spiel. Um Lust allein geht es dabei nicht, sondern auch um die Optimierung des Selbst. Das ist die unromantische Seite der neuen Romantik, von der immer mehr junge Menschen befallen sind.
Davon profitiert vor allem die Wellnessindustrie. Denn sie spiegelt all das wider, was uns im Leben erstrebenswert erscheint: Gesundheit, Luxus auf Zeit und eben den introspektiven Blick auf die leicht verbesserbaren Seiten des Ich. Ein Wochenende in einem Spa-Hotel hat daher nur mehr wenig mit dem Kurzzeit-Eskapismus von erschöpften 50-Jährigen zu tun, sondern mit dem allgemein verbreiteten Bedürfnis, sich in gepflegter Atmosphäre Gutes zu tun.
Wir erleben heute eine Renaissance des Romantikhotels mit all seinen körperpflegenden Einrichtungen, denn die Welt da draußen wird nur mehr in ihrer Brüchigkeit wahrgenommen, beleuchtet der deutsche Psychologe und Marktforscher Stephan Grünewald, Verfasser des Buches Die erschöpfte Gesellschaft, das Phänomen. Vor allem Jugendliche erfreuen sich an dieser Form der Freizeitgestaltung: Die heute 20-Jährigen entstammen der experimentierfreudigen Generation der desertierenden Väter und alleinerziehenden Mütter, deshalb sehnen sie sich nach all dem, was Zuverlässigkeit bedeutet. Generation Biedermeier nennt Grünewald sie deshalb, weil wir da schon nah an der Romantik dran sind. Die Rückbesinnung auf konservative Werte würde deren Seele eher wärmen, als die schönen, flüchtigen Augenblicke, die dem ausschwärmenden Romantiker beschieden sind.
Dies bestätigt auch die jüngste österreichische Jugend-Wertestudie. In dem Kapitel Die wichtigen Dinge des Lebens werden Gesundheit, Freunde, Bekannte und die Familie an oberster Stelle angeführt. Die Erklärung: Der eigene Leib fungiert als Basis und Grundvoraussetzung für ein erfülltes Leben in allen möglichen Sinn- und Lebenswelten. Man kann ihm nicht entkommen, ohne ihn gibt es kein Fühlen und Erleben.
Die Ausführungen decken sich durchwegs mit dem, was Gerhard Gucher, Tourismusexperte und Marketingdirektor von Österreichs größtem Thermenressortbetreiber Vamed, erlebt. Junge Menschen haben ein ausgeprägtes Gesundheitsbewusstsein und empfinden Prävention als angenehm und bereichernd, da sie auf freiwilliger Basis erfolgt. Bestimmend bei der Festlegung der Urlaubsgestaltung wären oft die jungen Frauen: Bei ihnen rangiert der Wunsch, etwas für sich zu tun, ganz oben, und die jungen Männer gehen währenddessen Mountainbiken oder widmen sich einem anderen Outdoorsport.
Man kann aber auch den Kult um den eigenen Körper und das eigene Selbst, wie Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier, als eine Spielart des Narzissmus betrachten: Im Wellness vereinigen sich körperbezogene Optimierungsstrategien mit auf die Psyche bezogenen therapeutischen Optimierungsversuchen. Warum aber finden ausgerechnet so viele junge Menschen Gefallen daran? Weil sie mit sich und ihrem Körper unzufrieden sind und ihre versteckten Verbesserungspotenziale sichtbar machen und mobilisieren wollen, so Soziologe Heinzlmaier.
Stellt sich am Ende nur mehr die Frage nach der Finanzierbarkeit immerhin liegen, laut Relax Guide, die durchschnittlichen Kosten für einen Spa-Urlaub bei 111 Euro am Tag. Touristiker Gucher kennt die Antwort: Viele jungen Leute bekommen Gutscheine von ihren Eltern oder älteren Verwandten geschenkt. Oder sie sparen selbst für einen Wellness-Aufenthalt. Damit schließt sich wieder der Kreis zur Romantik: Für ein paar unvergessliche Momente haben Menschen schon immer gern kurz einmal ihren Kontostand vergessen. Was immer man darunter verstehen mag.