Südburgenländische Kellergassen-Idylle.

Weinrarität: Der Uhudler bleibt!

Um seinen Ruf musste er immer schon kämpfen - doch nach kurzfristiger Bedrohung bleibt der Uhudler nun als Weinrarität erhalten. Die Geschichte eines kuriosen Burgenländers, der auch für den Landeshauptmann alles andere als ein Witz ist.

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Eigentlich steht es prächtig um den Uhudler. "Es bleibt nichts übrig, jedes Jahr verkaufen wir die gesamte Produktion", sagt Harald Kaiser, Winzer und Obmann des Vereins der Freunde des Uhudlers. Doch gibt es sehr wohl auch Probleme mit dem so erfolgreichen, allerdings geschmacklich mehr als gewöhnungsbedürftigen Wein. "Wir könnten noch viel mehr verkaufen, dürfen aber nicht mehr erzeugen, weil es vom Gesetz her ein Verbot zur Auspflanzung gibt", beklagt Kaiser. Zudem bewirkt die Popularität dieser österreichischen Weinrarität, dass immer wieder Produkte aus Nachbarregionen auftauchen, die den gebietsrechtlich geschützten und auf das Südburgenland beschränkten Namen zu usurpieren trachten. Wie zum Beispiel der nicht eben vorteilhaft benannte "Suhudler" oder "Juhudler" (klingt schon besser), Heckenklescher oder Isabella. Das ärgert natürlich Harald Kaiser, nur will er darüber im Moment nicht sprechen, schon gar nicht mit Vertretern der Presse. Denn seit Kurzem geht die Angst um in der Uhudler-Gegend rund um die Ortschaft Heiligenbrunn, die die einzig wahre ist, mit ihrer idyllischen Kellergasse. Seit Monaten hagelt es anonyme Anzeigen gegen Winzer, die das Verbot missachten und weitere Reben auspflanzen. Da hilft es auch wenig, dass während des burgenländischen Wahlkamps Lokalpolitiker aller Couleurs versichert hatten, sich für die Bewahrung des in mehreren Bereichen höchst eigenwilligen Weins einzusetzen - das Auspflanzungsverbot bleibt weiterhin bestehen.

Biologisch und "naturnah"

Und das, obwohl es genügend Argumente gibt, die eindeutig für den Uhudler sprechen. Da wäre zum Beispiel der derzeitige Trend zu biologisch und "naturnah" erzeugten Weinen. "Wenn den europäischen Winzern tatsächlich so viel an Umweltschutz liegt, an Vermeidung von Pflanzen-und Insektenschutzmittel und am Verzicht auf selektierte Hefen, dann frage ich mich, wieso sie nicht mehr von den Direktträgern oder Hybridreben auspflanzen und keltern", sagt Professor Hans Reiner Schultz, Pflanzenbauwissenschafter und Leiter des Fachgebiets Weinbau an der prestigereichen Forschungsanstalt Geisenheim in Deutschland. Eine Antwort auf seine Frage hat der Professor allerdings auch gleich parat: "Ich vermute, dass Marketingüberlegungen dahinterstecken."

Tatsächlich kommen Traubensorten mit unbekannten Namen wie Delaware, Isabella oder Concordia mit aller Wahrscheinlichkeit weniger gut beim Konsumenten an als so vertraute wie Cabernet Sauvignon, Riesling oder Blaufränkisch. Darum greifen wohl selbst die autochthon-besessensten Winzer lieber zu den gewohnten und konventionellen Rebsorten, auch wenn diese bei Weitem nicht so resistent sind wie die zuvor genannten; und folglich eines stärkeren Einsatzes an Chemie bedürfen.

Der populäre Uhudler ist da eine Ausnahme - denn die Rebsorten mit den exotischen Namen sind genau jene, die für seine Herstellung verwendet werden. Dazu ist zu wissen, dass der Name Uhudler eben nicht eine spezielle Rebsorte bezeichnet, sondern gleich mehrere, die unter den Begriff "Direktträger" fallen. Darunter versteht man Reben, die nach der Verwüstung des europäischen Weinbaus durch die Reblaus im 19. Jahrhundert aus Amerika importiert wurden.

Gegen die Reblaus immun

Tatsächlich gibt es verschiedene Spezies der Weinrebe, von denen nur eine einzige, die Vitis Vinifera oder Europäerrebe, in Europa heimisch ist. Zu ihr gehören alle gängigen und bekannten Rebsorten wie Grüner Veltliner, Cabernet Sauvignon oder Blaufränkisch. In Amerika indessen sind gleich mehrere Spezies heimisch, die von den ausgewanderten Europäern zum Teil untereinander, zum Teil mit Europäerreben gekreuzt wurden. Daraus entstanden Sorten, die gegen die Reblaus immun sind und deswegen anstelle der bislang vertrauten Sorten im 19. Jahrhundert auf dem ganzen europäischen Kontinent ausgepflanzt wurden. Allerdings beschlossen kurz darauf die Behörden überall in Europa, dass diese Direktträger-Reben zu ersetzen seien durch europäische Reben, die auf amerikanische Rebenwurzeln aufgepfropft werden. Durch das Pfropfen oder Veredeln sind sie ebenfalls immun gegen die Reblaus, bewahren aber ihre geschmacklichen Eigenschaften.

Natürlich waren schon damals nicht nur geschmackliche, sondern auch marketingtechnische Überlegungen im Spiel. Denn viele Weinhändler und Konsumenten in den Städten verlangten wieder nach ihren gewohnten Sorten, obgleich zahlreiche Winzer und Bauern wohl gerne weiterhin mit den pflegeleichten Direktträgern gewirtschaftet hätten. Der als Uhudler bekannte Wein kann also aus verschiedenen, aus Amerika stammenden Direktträger-Sorten gekeltert werden. In den allermeisten Fällen handelt es sich bei ihm um einen gemischten Satz aus den Rebsorten Concordia, Delaware, Elvira und Ripatella. Diese vier sind die einzigen unter den Direkträgersorten, die nach dem österreichischen Weingesetz angebaut werden dürfen. Othello, Noah und Isabella wären weitere, die zwar in dieselbe Kategorie fallen, deren Anbau ist allerdings verboten. Weshalb?"Das weiß allerdings kaum jemand", sagt Andrea Pfeiffer, selbst Tochter eines Uhudler-Winzers und Verfasserin einer Universitätsarbeit über das zumeist rosafarbene, nach Walderdbeere duftende Getränk. "Zuerst sollte der Anbau aller Sorten verboten werden, dann hat man sich vermutlich als Kompromiss darauf geeinigt, zumindest diese vier zuzulassen", sagt sie. Doch auch ihnen droht ein Verbot, und zwar ab 2030, wenn im Weingesetz die nur vorübergehend erteilte Zulassung ausläuft.

Anfeindungen in der Vergangenheit

"Im Wahlkampf vor den Landtagswahlen im Mai versprachen so gut wie alle Politiker, sich für den Wein einzusetzen", sagt Pfeiffer. "Uhudler gerettet", titelt damals noch die Burgenländische Volkszeitung, vermutlich etwas verfrüht. Vonseiten der Politik gab es zumindest zwei Lösungsvorschläge. Einige wollten den Wein als Obstwein deklarieren, um dieserart die EU-Verordnung zu umgehen. Andere schlugen vor, ihn als immaterielles Weltkulturerbe bei der Unesco anzumelden. Doch gegen die Einstufung als Obstwein wehrte sich Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl höchstpersönlich. In der Bezeichnung sehe er eine Abwertung, die sich der Uhudler nicht verdient habe, erklärte er im Fernsehen. Die Sache mit der Unesco sollte indessen im Herbst gestartet werden. Doch wie dem auch sei -"kaum waren die Wahlen vorbei, habe man von den Politikern nichts mehr gehört", betont Andrea Pfeiffer. Inzwischen bleiben die Rodungsbescheide aufrecht und einige Winzer müssen sich vor Gericht dafür verantworten, zusätzliche Reben ausgepflanzt zu haben. Angefeindet wurde der Wein schon in der Vergangenheit. So zitiert etwa Pfeiffer in ihrer Bachelor-Arbeit aus einem Fachbuch von 1929: "Die spezifischen Giftwirkungen sind: Zornexzesse bei Männer (sic!), Hysterie bei Frauen, Neigung zu Halluzinationen, geistige und körperliche Degenerationserscheinungen bei Kindern." Und: " dass Leute, die regelmäßig Noahwein (eine der Uhudlersorten, Anm.) trinken, eine fahle, blasse Gesichtsfarbe bekommen, am ganzen Körper zittern und dahinsiechen, während Bauern mit veredelten Weingärten kinderreiche Familien haben, gesund und arbeitsam sind". So schrieb Professor Fritz Zweigelt, der bekannt ist für die von ihm durch Kreuzung geschaffene Rotweinsorte, die seinen Namen trägt - und weniger dafür, dass er überzeugter Nazi und leidenschaftliches NSDAP-Mitglied war.

Dass der Wein, selbst wenn über Geschmack bekanntlich gestritten werden kann, wohl kaum zu den großen Gewächsen Europas zu zählen ist und Weinliebhaber bestenfalls ratlos lässt, macht ihn nicht weniger erhaltenswert. Zumindest als Kuriosität, als historische und regionale Besonderheit, die eng verwachsen ist mit der Gegend, aus der sie stammt. Aber auch als Beispiel einer umweltfreundlichen Alternative zu jenen Weinen, die unter massivem Einsatz von Chemie im Weingarten und Keller erzeugt werden. "So gibt es für den Uhudler beispielsweise keine selektierten Reinzuchthefen, weswegen so gut wie alle Weine daraus per Spontanvergärung durch natürliche Hefen erzeugt werden", sagt der Obmann des Uhudler-Vereins, Harald Kaiser.

Das neben Umweltschutz und Naturnähe wohl beste Argument für den Uhudler und gegen die Bürokratie, die ihn verbieten will, zeigt sich aber bei einem Besuch des Kellerviertels in der Ortschaft Heiligenbrunn im strukturschwachen Südburgenland. Es ist ein verwunschenes und außergewöhnliches architektonisches Ensemble, das um den Uhudler entstanden und so einzigartig ist wie der Wein selbst. Pittoreske Kellerstöckel mit Dächern aus Stroh, die alle in Privatbesitz sind, manche leider etwas vernachlässigt, andere indessen liebevoll gepflegt. Einige haben ausgesteckt und bewirten Einheimische wie extra angereiste Besucher. Man sitzt im Schatten von Weinlauben bei belegten Brote und Brettljausen. Und wundert sich, dass irgendetwas verwerflich sein soll an dem bizarren Wein, der hier in seinem angestammten Rahmen, plötzlich und völlig unerwartet, sogar zu schmecken beginnt.