YouTube-Star trifft Bundeskanzlerin: Angela Merkel im Interview mit Florian Mundt alias LeFloid
Wie YouTuber und Blogger ihre Fans beeinflussen

LeFloid und Co: Wie YouTuber und Blogger ihre Fans beeinflussen

Wie YouTuber und Blogger ihre Fans beeinflussen

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Hallo ihr Lieben! Willkommen bei meinem Kanal. Ich möchte heute mit euch über YouTuber und Blogger reden und wie sie die heutige Jugend intensiv prägen! Ach, Moment, wir sind ja in einem Printmedium. Etwas, das besagte Jugendliche - da sind sich die Studien einig - nur selten zur Hand nehmen. Die tummeln sich lieber auf YouTube und Internetblogs. Ist bequemer. Schneller. Direkter und im Ton flapsiger. Außerdem informiert und unterhält das Internet rund um die Uhr. Ohne Stundenplan. Persönlich und gratis.

Inzwischen nimmt die Beliebtheit von Fernsehen als Unterhaltungsquelle ab, rasant steigend hingegen - genau, das Internet. Allen voran die Video-Plattform YouTube: Laut der deutschen Jugend-Medien-Studie JIM von 2014 ist es die beliebteste Internetsite der 12- bis 19-Jährigen und rangiert damit noch vor Facebook.

Schon mal was von Smosh gehört? Wir auch nicht. Aber in einer kürzlich veröffentlichten Studie des Magazins "Variety“, dem führenden Branchenblatt der US-Unterhaltungsindustrie, wurde das Comedy-YouTube-Duo mit seinen 21 Millionen (!) Abonnenten zum Liebling der amerikanischen Teenager gewählt. Auch die weiteren vier Spitzenplätze gingen an Blogger-Berühmtheiten, erst danach kamen Retro-Hollywoodstars wie Jennifer Lawrence und Seth Rogen.

YouTuber haben sich zu Teenie-Ikonen mit unglaublicher Reichweite und Einfluss hochgebloggt. Höchste Zeit also, sich ernsthafte Gedanken darüber zu machen, welche Menschen da Wissen und Werte an junge Menschen vermitteln. In der Videodatenbank kann sich schließlich jeder zum Star hochstilisieren, der eine Videokamera und einen Internetzugang hat - Zertifikat, Pädagogikkurs oder sonstige Legitimation ist nicht vonnöten. Ob sich die Person, die Kurzclips in ihrem Wohnzimmer erstellt, über das Ausmaß ihrer Verantwortung bewusst ist, unterscheidet sich von Fall zu Fall. Manche betrachten die Videoplattform als Geschäftsmodell, mit dem sich problemlos ein fünfstelliger Betrag im Monat verdienen lässt. Andere erkennen in dem Medium, in dem sich viele Jugendliche bewegen, austauschen und Informationen holen, einen Bildungsauftrag. Denn Jugendliche lassen sich dort am besten abholen, wo sie am leichtesten erreichbar sind: in Sechs-Minuten-Clips auf YouTube.

Von wegen unpolitisch

Infotainmentclips und Nachrichtenkommentare sind ein beliebtes Format auf YouTube - vorausgesetzt, sie haben humoristischen Charakter.

Nicht alle YouTuber haben sich dem reinen Entertainment verschrieben. Laut einer Artworx-Studie suchen 65 Prozent der Österreicher auf YouTube und Blogs nach wissenserweiternden Informationen - und so boomt die Form des Infotainment. Star der neuen Bildungsgattung ist in Deutschland der 27-jährige LeFloid, alias Florian Mundt. Mit beinahe drei Millionen Abonnenten ist er der erfolgreichste YouTuber des Landes und dank grenzübergreifender Funktion des Internets auch hierzulande bestens bekannt. In den wöchentlich erscheinenden Clips "LeNews“ kommentiert er das Weltgeschehen zielgruppenorientiert mit derbem Slang und Spezialeffekten wie Zeichentrick-Dinosauriern, trashigen Sounds und schnellen "Jump-Cuts“. Die von ihm erreichte Masse soll beweisen: Die Jugend ist keineswegs politikverdrossen.

Ein wenig ernster nimmt Mirko Drotschmann seinen Auftrag, der bei seinen 220.000 Abonnenten besser bekannt ist als Mr.Wissen2go. Dass gerade der Platz, an dem rechtsradikales Gedankengut und Verschwörungstheorien blühen, zum Hauptaufenthaltsort seiner Generation geworden ist, bereitet ihm Sorgen. Daher ist es sein erklärtes Ziel, diese fundiert zu informieren. Zu diesem Zweck versammelte er kürzlich über 30 bekannte Videoblogger unter dem Hashtag #YouGeHa - YouTuber gegen Hass.

Begonnen hat Drotschmann vor drei Jahren mit Nachhilfevideos, inzwischen versorgt er seine Fangemeinde in seinen "News2go“ mit politischem und wirtschaftlichem Hintergrundwissen. Der 29-jährige deutsche ARD- und ZDF-Journalist eröffnet seinen Videoblog mit einer Nachricht an jugendliche Zuseher: "Ihr seid schlecht in Geschichte? Von Politik habt ihr keine Ahnung? Und was in der Zeitung steht, habt ihr noch nie verstanden? Macht nichts, dafür habt ihr jetzt ja mich.“

YouTube, so Drotschmann, schließe eine Lücke, die das reguläre Fernsehen nicht bedient: "Die Fernsehbeiträge für Teenies sind meist reines Entertainment. Für Informationen gibt es bei uns nur die Kindernachrichten mit einer Zielgruppe bis zu zwölf Jahren und dann die normale Tagesschau.“ Erwachsenen-Nachrichten aber setzten viel Wissen voraus: "Was ist los in Syrien und wie kam es eigentlich zur Griechenlandkrise? Solche Inhalte möchte ich leicht verständlich und mit Biss vermitteln“, erklärt Drotschmann. Auf sein Bestreben hin eröffneten die Fernsehsender ZDF und ARD (Durchschnittsalter der Zuseher: 60 Jahre) einen eigenen, zielgruppengerechten YouTube-Kanal.

Der Großeintritt in die Öffentlichkeit erfolgte jedoch spätestens, als Angela Merkel auf das von der Politik ungenutzte YouTube-Potenzial aufmerksam wurde. Um bei den rund acht Millionen als weitgehend politisch unerreichbar geltenden 15- bis 24-Jährigen in ihrem Land anzudocken, trug die deutsche Kanzlerin dem YouTuber LeFloid im Juli dieses Jahres an, sie zu interviewen. Mit bescheidenem Erfolg für den jungen Mann - er erntete für seine sanfte Vorgehensweise massenhaft Kritik -, aber stolzem Ergebnis für die Kanzlerin: Bislang sahen sich vier Millionen Menschen das Interview im Internet an. Damit scheint die Berührungsangst zwischen Politik und YouTube gebrochen. Ende September startet nun ein Projekt der deutschen Bundeszentrale für politische Bildung: junge YouTube-Größen, darunter MrWissen2go und Le Floid, nutzen ihre Internetpräsenz, um der wachsenden IS-Propaganda im Netz entgegenzutreten.

Auch Ben Bode hat sich der Allgemeinbildung seiner Zuseher verschrieben. Seinen Informationskanal "So und So gesehen“ hat der studierte Philosoph aus einem gefühlten Bildungsauftrag begonnen: "Junge Menschen informieren sich fast ausschließlich über YouTube; da ist es wichtig, einen Gegenpol zu den hetzerischen Verschwörungstheorie-Programmen zu setzen. Wir erreichen damit Leute, die sonst von niemandem mehr erreicht werden.“

Der 28-jährige Kölner möchte der nächsten Generation das Bewusstsein mitgeben, dass es "immer mehr Facetten gibt als Schwarz und Weiß und dass es auch okay ist, nicht immer eindeutige Antworten zu haben. Demut vor der Komplexität macht immun gegen allzu einfache Wahrheiten.“

YouTube ist keineswegs ein leichtes Format für Wissensvermittlung. Allzu ernsthafte und journalistische Beiträge stoßen auf Desinteresse, bemerkte Drotschmann: "Es besteht die Gefahr, dass wir immer amerikanisierter in der Berichterstattung werden - lauter, bunter, schriller und dabei persönliche Meinung kaum von objektiven Fakten trennen.“ Werden die Videos zu lange und somit nicht zu Ende angesehen, kehrt sie der gnadenlose Google-Algorithmus unter den Teppich. Die Konsequenz: Selbst komplexe Themen müssen auf die Maximalaufmerksamkeitsspanne von drei bis sechs Minuten heruntergebrochen werden.

Erschwerend käme der "extreme Personenkult“ auf YouTube hinzu. "LeFloid kann erzählen, was er will, seine Fans feiern das ab“, weiß Bode. "Welch unglaublichen Einfluss die Blogger dabei auf die sehr junge Zielgruppe haben, ist vielen vielleicht nicht ganz klar.“

So kann der Schuss schon mal nach hinten losgehen, wenn berühmte YouTuber beschließen, politisch zu werden - etwa 2014, als der damals 20-jährige "Dner“, der seine 1,5 Millionen Fans hauptberuflich mit Computerspielen unterhält, unvermutet tönte, die rechtsradikale Partei AfD wählen zu wollen. Oder der 18-jährige YouTuber "Clemens Alive“, der vor einiger Zeit der Idee verfiel, dass die Gleichschaltung der Medien existiert, und diese nun unter seinem Publikum propagiert.

In den meisten Fällen fungiert die Plattform als Korrektiv: Einer verbalen Entgleisung eines Bloggers im Zusammenhang mit dem deutschen Bahnstreik - er hatte gemeint, er würde die Bahnfahrer gerne nach Auschwitz fahren - wurde intensiv auf YouTube entgegengehalten und das Thema von anderen Videobloggern aufgenommen. "Doch je stärker die Öffentlichkeit von YouTube zunimmt, desto mehr entsteht Bewusstsein für das, was hier ausgelöst werden kann“, meint Ben Bode. "Auf kurz oder lang müssen Strukturen geschaffen werden, die ein Einschreiten erlauben. Im Moment geht es hier wie im Wilden Westen zu.“

Bloggen für die Bildung

Nicht nur der Wunsch nach Meinungsmache und sozialpolitischer Bildung boomt auf Blogs, Apps und YouTube - Das Internet nimmt eine wachsende Rolle in der Schulbildung und Nachhilfe ein.

Begonnen hat es mit der Khan Academy, einer amerikanischen Non-Profit-Organisation. Erziehungswissenschafter Salman Kahn, der sie 2006 ins Leben rief, nutzte das Internet, um Kindern und Jugendlichen auf der ganzen Welt kostenlosen Bildungszugang zu ermöglichen. Das Projekt, damals revolutionär, hat inzwischen über 2,3 Millionen Abonnenten weltweit und bietet 4000 YouTube-Nachhilfevideos in 65 verschiedenen Sprachen an. Die internationale Innovations- und Wissensplattform TED zog 2011 mit dem Kanal "Ted-Ed“ nach: In animierten Bildungs-Kurzclips, ein Resultat eines Gemeinschaftsengagements von Pädagogen, Drehbuchautoren und Trickzeichnern, unterhält Ted-Eds YouTube-Kanal wöchentlich 1,4 Millionen Kinder, Jugendliche, aber auch den einen oder anderen Erwachsenen.

Mit ihrem Format, bei dem keine Person im Zentrum steht, unterscheiden sich die internationalen Großinstitutionen aber vom Erscheinungsbild der neuen Nachhilfeschulen à la YouTube. Dieses prägt etwa das erfolgreiche Duo Alexander Giesecke und Nicolai Schork - beide gehören der Agentur Mediakraft an, dem größten Netzwerk für YouTuber. In ihrem Nachhilfekanal "The Simple Club“ zeigen sie auch öfter unterhaltende Wissensclips. "Wir wollen die Schüler und Studenten so erreichen, wie sie erreicht werden wollen: als Freunde, nicht als Lehrer“, erklären die 20-Jährigen das Format. "Am Anfang wurde die Online-Bildungsbranche nicht besonders ernst genommen, da es meist unprofessionelle Inhalte gab. Allerdings entsteht im Moment eine Art Online-Education Blase, an der sich immer mehr Personen beteiligen.“ Deren Qualitätssicherung wird derzeit noch der Online-Community überlassen: "Sehr viele Zuschauer kommentieren einen Fehler im Video sofort. Nichtsdestotrotz ist es auf lange Sicht notwendig, Videos und YouTube-Kanäle nach Inhaltsqualität zu zertifizieren, vor allem wenn das Lernen mit YouTube immer mehr in den Tagesablauf integriert wird“, meinen die Bildungsblogger.

Eine Einzelgängerin hingegen ist die 26-jährige Miriam Müller, Begründerin des Kanals "School’s Easy“: In großschwesterlichem Ton weiht die ihre zehn- bis 16-jährigen Zuseher nicht nur in die Geheimnisse der Trigonometrie ein, sondern behandelt auch andere Themen, etwa wann jemand zu siezen sei, und sie warnt vor Drogen. Müller setzt da ein, wo sich Jugendliche allein gelassen fühlen: "Ich habe den Eindruck, dass das Interesse von Schülern an sozialpolitischen Themen heute größer ist als zu meiner Schulzeit. Es geschehen zur Zeit so viele Dinge, die Kinder und Jugendliche interessieren und angehen. Manche können zu Hause oder in der Schule darüber reden, andere nicht. Für die bin ich da“, erklärt Müller. In einem ihrer Videos vermittelt sie die vielleicht wichtigste Bildungsnachricht in der Star-hörigen YouTube-Welt: "Man glaubt zu schnell, was irgendjemand sagt. Wenn ein Simon Unge (berühmter YouTuber, Anm.) etwas behauptet, übernehmen das viele, ohne sich andere Meinungen anzuhören - sei es, weil er ihnen total ans Herz gewachsen ist, oder sie ihn cool finden. Das, was hier fehlt, nennt man, kritisches Hinterfragen‘.“

Make-up mit Sozialkritik

Beauty-Bloggerinnen geben ihren Zusehern Werte jenseits der besten Antifaltencreme mit auf den Weg.

Eltern jugendlicher Mädchen kennen es nur allzu gut, wenn der Nachwuchs plötzlich nach einem expliziten Sneakermodell oder Cremeprodukt verlangt. Manchmal steckt Werbung hinter dem Begehr, meistens aber eine Beauty-Bloggerin, die in Sachen Mode den Ton angibt. In Deutschland gehören "Dagi Bee“ und "Bibi“ zu den unbestrittenen Königinnen ihrer Art, in Österreich ist es Madeleine Alizadeh mit ihrem Lifestyle-Blog "DariaDaria“. Die 26-jährige Wienerin sorgte zuletzt für Aufsehen, als sie sich mit einem offenen Brief ans Innenministerium für Flüchtlinge einsetzte. Ansonsten basiert ihr daily business auf veganem Lifestyle, nachhaltiger Mode und tierversuchsfreier Kosmetik.

"Klar kommen immer wieder Kommentare wie ‚Tussi, bleib bei deiner Mode‘“, berichtet Alizadeh, "aber das fände ich schade. Politik findet ja nicht im luftleeren Raum statt, sondern geschieht auf vielen Ebenen im Leben. Oft kann man dort viel bewegen, wo man es nicht erwarten würde, wie zum Beispiel über die Lifestyle-Schiene.“ Viele Junge sähen heutzutage nicht die Notwendigkeit, sich zu engagieren, und Alizadeh möchte sie abfangen, ohne die Moralkeule zu schwingen: "Ich versuche zu zeigen, dass man beides sein kann: modeinteressiert und politisch engagiert. Es ist traurig, wenn man denkt, dass nur eines von beiden geht.“