Endspieltheorie

Champions-League-Finale: Juventus Turin gegen Real Madrid

Heute findet das Champions-League-Finale in Cardiff statt. Juventus Turin gegen Real Madrid. Wer immer es gewinnt, ist der Richtige. Ballsaison - die profil-Fußallkolumne von Wolff-Christoph Fuss.

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Vielleicht muss ich vorausschicken, dass diese Zeilen vor dem Champions-League-Finale entstanden sind. Vielleicht ist das aber auch nicht nötig, denn wer immer es gewinnt, ist der Richtige. Juventus Turin gegen Real Madrid. Zwei Blaublüter im Weltfußball. Der italienische Rekordmeister gegen sein spanisches Pendant. Zwei amtierende nationale Titelträger. Sie sind nicht durch Zufall nach Cardiff gekommen.

Der italienische Fußball liegt am Boden, heißt es, nicht erst seit dieser Saison. Er sei im Moment international nicht konkurrenzfähig. Am vergangenen Wochenende nahm Francesco Totti vom AS Rom seinen Abschied. 70.000 im Stadio Olimpico in Rom weinten bitterlich. Die Arena war zum ersten und einzigen Mal in dieser Saison ausverkauft. Für Totti, wegen Totti. Der AS Rom wurde Vizemeister, vier Punkte hinter Juventus. Das gibt die Kräfteverhältnisse nur sehr unzureichend wieder. Juve kann als einzige italienische Mannschaft in der europäischen Spitze mithalten. Im Halbfinale ließen sie die Himmelsstürmer vom AS Monaco wie eine begabte Schülermannschaft aussehen. Das Viertelfinale gegen den FC Barcelona gewannen sie bereits im Hinspiel: 3:0 nach 90 Minuten. Eine Wiederauferstehung von Barça mag gegen Paris St. Germain möglich sein, nicht aber gegen die Silberrücken von Juventus Turin.

Insofern kann man schon vorher sagen: Die richtige Mannschaft hat gewonnen.

Buffon - Barzagli - Chiellini - Bonucci bringen es gemeinsam auf 137 Jahre. Das ist die härteste Tür im Weltfußball. Gegentore gibt es nur sehr ausgesucht. Drei kassierte diese Juve-Defensive in den zwölf Champions-League-Spielen in dieser Saison. Der FC Barcelona schaffte in 180 Minuten keinen einzigen Treffer. Nesthäkchen ist Paulo Dybala mit 23 Jahren. Ansonsten führt Juve alles ad absurdum, was wir über vermeintliche Altersgrenzen im Spitzenfußball wissen. Es ist eine Generation von Spielern, die es verdient hat, sich die europäische Krone aufzusetzen.

Auf der anderen Seite Real Madrid. Nach fünf endlosen Jahren gerade wieder spanischer Meister geworden und mit intakten Aussichten, als erste Mannschaft seit Einführung der Champions-League 1992/93 den Titel zu verteidigen. Das Selbstverständnis der Königlichen gibt das her. Wer denn sonst? Vielleicht ist es die letzte Möglichkeit für die Spielergeneration Ramos und Ronaldo, dieses Novum zu schaffen. Bei Real existiert die unsichtbare Altersgrenze nämlich noch.

Der Weg der Königlichen ins Finale war etwas ruckeliger: Das Viertelfinale gegen Bayern war geprägt von einer Fülle diskutabler Schiedsrichterentscheidungen, auf beiden Seiten. Bayern Vorstand Karl-Heinz Rumenigge ist bis heute der Meinung, "beschissen" worden zu sein. Er wird den Besuch des Finals boykottieren. Auch der Fernsehzuschauer Rumenigge wird sich voller Abscheu und in störrischem Protest für den Heimatfilm in der ARD entscheiden. Bayern hat insbesondere im Rückspiel nicht vom Schiedsrichter profitiert, das stimmt. Trotzdem sind zwei Platzverweise in zwei Partien gegen Real Madrid und zwei eigentlich verletzte Innenverteidiger in Madrid zu viel, um in der spanischen Hauptstadt bestehen zu können. Doch auch ohne diese Umstände sollten die Bayern demütig genug sein, um ein Aus nach Verlängerung gegen Real Madrid zu akzeptieren.

Das Halbfinale gegen den Stadtrivalen Atlético machten Los Blancos bereits im Hinspiel klar, sodass die einzige Niederlage im bisherigen Wettbewerb im Vicente Calderón verkraftbar war. Punktverluste hatte es vorher ausschließlich in der Gruppenphase gegeben, zweimal gegen Borussia Dortmund, deren Saison in der Königsklasse sich einteilen lässt in: vor dem Bombenattentat und danach. Die Spiele gegen Madrid hatten noch davor stattgefunden.

Real Madrid hat vor einigen Wochen den Clásico verloren. Messi traf in der Nachspielzeit zum Sieg. Im Bernabeu! Schlimm für die Seele, aber kein Wirkungstreffer. Die Königlichen spielten eine famose Saison souverän zu Ende und wurden verdient spanischer Meister. Für Barça blieb zum Abschied von Trainer Luis Enrique der spanische Pokal -ein Trostpreis. Real könnte das erste große Double seit 1958 gewinnen: Meisterschaft und Champions League. Zidane könnte Geschichte schreiben, Real könnte Geschichte schreiben. Ronaldo, Ramos, Bale, Kroos könnten Geschichte schreiben. Dazu müssen sie an der härtesten Tür der Welt vorbei.

Insofern kann man schon vorher sagen: Die richtige Mannschaft hat gewonnen.

Wolff-Christoph Fuss kommentiert wöchentlich die Topspiele der deutschen Bundesliga und der UEFA Champions League live auf Sky.