Bericht von einer Krise

Bericht von einer Krise: "Abschied von den Eltern"

Die Filmkünstlerin Astrid Johanna Ofner bringt ihre Peter-Weiss-Adaption zur Premiere.

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Es ist ein hauchzarter Film geworden, der ganz direkt und zugänglich erscheint, obwohl er in seinen Erzählweisen, Assoziationswegen und Bildmaterialmischungen de facto experimentell gearbeitet ist: "Abschied von den Eltern", Astrid Johanna Ofners erster abendfüllender Film, wird am Donnerstag dieser Woche im Rahmen des Filmfestivals in Locarno - in der Schiene "Concorso Cineasti del presente" - zur Uraufführung kommen. Das bisherige Werk der Regisseurin, die somit als einzige Österreicherin im Locarno-Wettbewerb auftritt, ist schmal: 1989 fiel sie mit der kurzen Duras-Hommage "Savannah Bay" auf, 1993 mit zwei Arbeiten zu Sadomasochismus ("Ins Leere") und Klosterleben ("Jetzt und alle Zeit"), schließlich 2007 mit der sublimen Kafka-Annäherung "Sag es mir Dienstag".

Seither hat Ofner an "Abschied von den Eltern" recherchiert, jene Briefe, Bücher, alten Filmstücke und Fotografien gefunden, die Platz in ihrem Film gefunden haben. Die 1961 erstmals erschienene Erzählung des deutschen Schriftstellers und Künstlers Peter Weiss (1916-1982), auf der dieser Film basiert, ist ein ohne Absätze formulierter, autobiografischer Krisenbericht: 113 Seiten Blocktext über das Leiden an den Eltern und sich selbst, über das Gefühl der Isolation und den Ausbruch aus der Misere. Sven Dolinski, seit 2007 am Burgtheater, ist die melancholische Figur, die durch den Film führt. Er liest die Auszüge der Icherzählung aus dem Off, bisweilen auch im Bild, was Distanz herstellt: Denn Dolinski "spielt" hier nicht Peter Weiss, auch wenn er ihm auf dessen Jugendporträts erstaunlich ähnlich sieht; er ist ein später Stellvertreter, der noch einmal durch die Orte und Ideen eines verschwundenen Lebens streift.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.