Doris Knecht im Café Eiles in Wien

Doris Knecht: Was ich vom Leben gelernt habe

Schreiben, schreiben, schreiben.

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Im Leben muss man alles ausprobieren. Bei mir ist es das Schreiben in allen möglichen Richtungen. Schriftstellerin wollte ich schon als Kind werden. Leider galt das damals nicht als Brotberuf. Mit Anfang Zwanzig bin ich im Journalismus gelandet und habe versucht, mir alle möglichen Genres anzueignen. Nach meiner gefühlten 5000. Kolumne habe ich mich an meinen ersten Roman gewagt.

Niemand muss perfekt sein. Perfekte Menschen finde ich langweilig. Daran glaube ich auch nicht. Für mich als Autorin ist es spannend, eine Figur zu erschaffen, die man unsympathisch findet, bei der man aber trotzdem wissen möchte, wie die Geschichte weitergeht. Bei meinen Kolumnen ist das nicht anders. Wer will schon lesen, wie man richtig lebt? Man schaut doch lieber anderen Menschen beim Scheitern zu und freut sich, dass man nicht der einzige Mensch ist, der hin und wieder in eine Niederlage stolpert.

Man muss sich Abgründe schaffen. Beim Schreiben kann ich mich wunderbar gehen lassen. Meine Romanfiguren kann ich so formen, wie ich sie gerne hätte – dabei lasse ich oft richtig unsympathische Person entstehen. In meinen Kolumnen ist das anders. Da kommen immer wieder die gleichen realen Personen vor, denen ich dann manchmal ein bisschen was andichte.

Beim Schreiben muss man sich einen Spaß gönnen. Ich schreibe daher fast lieber über Männer. Dabei muss ich nicht so genau sein und kann mir ein paar Flapsigkeiten erlauben. Ich kann eh nicht komplett in einen Mann schlüpfen, da bin ich dann ein bisschen lockerer. Bei Frauen bin ich sehr genau, da weiß ich, wie die ticken. Da gehe ich wie mit einem Skalpell vor.

Man muss seinen Grundsätzen treu bleiben. Beim Schreiben möchte ich Frauen nicht als Opfer darstellen. Ich will Frauen beschreiben, die starke und handelnde Charaktere sind, die autonom und deshalb auch frei sind, eigene Entscheidungen zu treffen. Die können durchaus fragwürdig sein. Schwache Weibchen wird man in meinen Büchern nicht finden.

Beim Schreiben muss man Gefühle zeigen. Um sich wirklich auf eine Romanfigur einzulassen, muss man sie richtig verinnerlicht haben – auch wenn man einem die Person selbst nicht geheuer ist. Das ist mitunter ein schmerzhafter, aber durchaus reinigender Prozess.

Man darf nicht zu empfindlich sein. Als Literaturkritikerin war ich es gewohnt, hart auszuteilen. Bei meinem ersten Roman habe ich mir dann die Frage gestellt: Wie gehe ich selbst mit schlechten Kritiken um? „Gruber geht“ war dann mein Versuchsobjekt, das glücklicherweise aufgegangen ist.

Man muss die Kunst stark erzwingen. Ich bin keine Schriftstellerin, die nur so vor Geschichten sprudelt. Ich schreibe Bücher vor allem, weil ich es kann, nicht, weil es mein Bedürfnis ist. Das Schreiben ist harte Arbeit. Man braucht genügend Sitzfleisch und muss ständig gegen alle möglichen Ablenkungen ankämpfen.

Altern ist nichts für Weicheier. Meinen 50. Geburtstag habe ich mir immer so schlimm vorgestellt, wie es sich jetzt anfühlt. Man fühlt sich peinlich, gehört nicht mehr dazu, fühlt sich jünger als man ist. Zumindest glaubt man das alles. Ich bin leider noch nicht in der Phase, wo mir das wieder egal ist. Jetzt ist alles noch so ein bisschen im Limbus zwischen Vorhölle und Hölle.

Man muss sich stets neue Ziele setzen. Ich komme aus einer robusten Familie. Die Chance, dass ich 100 Jahre alt werde, ist durchaus intakt. Nachdem ich in der ersten Lebenshälfte irre viel gemacht habe, stellt sich die Frage, wie es jetzt weitergeht. Ich möchte zumindest irgendwann wieder mehr Reisen. Soviel ist klar.

Man muss sein Leben nicht zwanghaft verändern. Wenn mir etwas gefällt, dann belasse ich es gerne so. Ich lebe gerne ein kleines, übersichtliches Leben, so wie es Joan Didion einmal beschrieben hat. Abenteuerlustig bin ich nicht. Ich leide unter einem gewissen Wiederholungszwang. Die gleichen Songs, dasselbe Café, das gleiche Essen. Auch mein Freundeskreis ist so ein festes Konstrukt. Da treffen wir uns alle in unserer kleinen Waldviertler Kolonie, und genau so gefällt es mir.

Als Künstlerin darf man keine Postings lesen. Da bin ich konsequent. Kritik von anonymen Heckenschützen nehme ich nicht an. Früher habe ich diese Kommentare noch gelesen – dabei geht es nur um Verletzung, Bedrohung und Einschüchterung. Das Schlimmste: Man lernt nichts daraus – und man kann auch nichts Positives mitnehmen. Letztlich hindern dich diese Attacken nur daran, ohne Angst weiterzuschreiben.

Man muss im Leben möglichst gelassen bleiben und die Fäden hin und wieder aus der Hand geben. Es ist gar nicht so leicht, den eigenen Kontrollzwang zu überwinden. Man muss Vertrauen entwickeln und darauf hoffen, dass dennoch alles gut wird. Eine gewisse Gelassenheit habe ich von Richard Ford gelernt – so eine Gewissheit, dass schon alles gut werden wird, auch ohne eigene Kontrollsucht.

Neue Buch. Doris Knecht: Alles über Beziehungen (Rowohlt Berlin)
Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.