Daniel Kahn (rechts) und Sasha Lurje im Rahmen des 13. KlezMORE Festival Vienna 2016.

"Ich habe zwei Heimaten"

Musiker Daniel Kahn über die USA und seine Emigration nach Berlin.

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profil: Sie interpretieren bekanntes jiddisches Liedgut neu, schreiben aber auch eigene Lieder auf Deutsch, Englisch und Jiddisch. Welche Bedeutung hat Klezmer für Sie? Kahn: Echter Klezmer ist das Gegenteil von Kitsch und Nostalgie. Diese Musik ist ansteckend und bringt die Menschen zusammen.

profil: Wie haben Sie diese Musikrichtung für sich entdeckt? Daniel Kahn: Klezmer ist die Musik meiner Vorfahren. Trotzdem bin ich nicht damit aufgewachsen. In einem Jazzclub in New Orleans habe ich zum ersten Mal Klezmer gehört. Durch meinen Umzug von Detroit nach Berlin, bin ich dann so richtig in die osteuropäisch-jiddische Kultur eingetaucht.

profil: Warum sind Sie nach Berlin ausgewandert? Kahn: Im Jahr 2005, bot mir einer meiner Lehrer seine Wohnung in Berlin an. Das war kurz nachdem in Amerika der schlechteste Kandidat erneut zum Präsidenten gewählt wurde. Also bin ich ausgewandert.

profil: Wie beurteilen Sie das diesjährige Wahlergebnis in den Vereinigten Staaten? Kahn: Was aktuell in den USA passiert, ist wie ein gigantischer Tumor als Teil einer Ganzkörperinfektion. Ich würde gerne noch einmal aus den USA auswandern.

profil: In Österreich wird aktuelle heftig über den Begriff "Heimat" diskutiert. Sie kommen aus den USA, leben seit einigen Jahren in Deutschland. Was bedeutet Heimat für Sie? Kahn: Der Begriff "Heimat" wird von Politikern instrumentalisiert um Menschen emotional zu manipulieren. Ich habe zwei Heimaten, die USA und Neukölln in Berlin. Und da ist nichts paradoxes oder kompliziertes daran.

profil: In einem Ihrer Lieder geht es um die Geschichte des Berliner Görlitzer Parks, der auf den Ruinen des ehemaligen Görlitzer Bahnhofs errichtet wurde. Warum ist Ihnen diese Geschichte wichtig? Kahn: Vor vielen Jahren hatte ich eine Beziehung mit einer Frau, die im Berliner Stadtteil Kreuzberg wohnte. Also genau auf der anderen Seite des Görlitzer Parks. Wir haben einander oft im Park getroffen. Gleichzeitig ist der Görlitzer Park mit seiner Geschichte Beweis dafür, was Menschen auf Ruinen erbauen können. In Berlin geht dieser Wiederaufbau immer mit den Geistern der Jüdischkeit und des Kommunismus einher. Das hat mich inspiriert. Ich sage immer, dass ich in diesen und in diesem Park verliebt war.

profil: Sie singen das Lied auf Englisch und Deutsch gemischt. Warum? Kahn: Es ist das erste Lied, das ich in sogenanntem Denglisch geschrieben habe. Die sprachliche Kombination aus Deutsch und Englisch ist einer der gebräuchlichsten Jargons in Berlin.

profil: Woran liegt das? Kahn: Englisch ist eine Möglichkeit internationale Identitäten zu verbinden. Es ist das Jiddisch des 21. Jahrhunderts.

Zur Person

Daniel Kahn, in Detroit im US-Bundesstaat Michigan geboren, wanderte vor rund zehn Jahren nach Berlin aus. Mit seiner Band "Daniel Kahn & The Painted Bird" ist er fester Bestandteil der weltweiten Klezmer-Musikszene.