Big Mac

Stephen King: Das "literarische Äquivalent eines Big Mac mit Pommes"

Stephen King beliefert Hollywood seit Jahrzehnten mit seinen Horrorvisionen. Nun kommt die erste Verfilmung seines Fantasy-Mammutwerks "Der dunkle Turm" in die Kinos.

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"Es könnte sein, dass ich mir das Leben nehmen muss", twitterte Stephen King im Juni sarkastisch, nachdem er von Donald Trump wegen abschätziger Bemerkungen ("Trump ist wie der durchgedrehte, tobende Onkel, von dem du hoffst, dass ihn deine Freunde niemals kennenlernen") auf dem Mikroblogging-Portal blockiert worden war. Mit seiner vehementen Kritik am Staatsoberhaupt hält er sich auch weiterhin nicht zurück ("The news are real. The president is fake."), denn mit Amerikas Abgründen kennt King sich aus. Sie sind das Basismaterial seiner Storys, die apokalyptische Szenarien und beunruhigenden Visionen nachzeichnen, von Serienmördern und gewalttätigen Clowns handeln. King schreibt unaufhörlich, wie besessen. 56 Romane hat er in den vergangenen 43 Jahren publiziert, sieben davon unter dem Pseudonym Richard Bachman. In ein paar Wochen erscheint der nächste: "Sleeping Beauties", verfasst mit seinem Sohn Owen King. Die Serienrechte dazu wurden bereits im April verkauft.

Im September wird der Mann, der Hollywood seit über vier Jahrzehnten mit dem Treibstoff seiner Horror- und Fantasy-Visionen versorgt, 70 Jahre alt. King – geschätztes Jahreseinkommen: 40 Millionen Dollar – schreibt drei bis vier Stunden täglich. Seine Alkohol- und Drogenvergangenheit hat er bewältigt, die Angst vor Flugreisen und Spinnen quält ihn nach wie vor. Er definiert sich selbst, in sympathischem Understatement, als das "literarische Äquivalent eines Big Mac mit Pommes".

Kein anderer Gegenwartsautor hat mehr Verfilmungen seiner Stoffe erlebt (eine hat er, vor über 30 Jahren, sogar selbst inszeniert: "Maximum Overdrive"). Brian de Palma war der Erste, der sich an eine King-Fantasie wagte: Das blutige Telekinese-Rachedrama "Carrie" (1976) schlug im amerikanischen Horrorkino einen neuen Ton an. Danach ließ die Regie-Elite des angloamerikanischen Films sich nicht mehr lange bitten: Tobe Hooper verfilmte 1979 den Vampirroman "Salem’s Lot" für das Fernsehen, und Stanley Kubrick wagte sich 1980 an "The Shining" (wovon sich der Autor übrigens heftig distanzierte). Es folgten King-Bearbeitungen von George A. Romero ("Creepshow", 1982), David Cronenberg ("The Dead Zone", 1983) und John Carpenter ("Christine", 1983). Es brauchte allerdings noch ein Jahrzehnt, um aus dem Schocker-Eck in Hollywoods Prestigezonen vorzustoßen, zu Oscar-Filmen wie "Die Verurteilten" (1994) und "The Green Mile" (1999).

Weit über 200 Stephen-King-Adaptionen sind seit den 1970er-Jahren entstanden – allein zwei Dutzend Film- und Serien-Projekte, die sich in Vorbereitung oder in Fertigstellung befinden, listet die Internet Movie Database (IMDB) derzeit auf. Es sind aber vor allem Kings mythische "Dark Tower"-Romane, sein schon 1970 begonnenes, zwischen 1982 und 2012 veröffentlichtes, achtteiliges Magnum Opus, von dem man sich man sich in Hollywood seit Jahren den nächsten Filmserien-Hype à la "Herr der Ringe" verspricht. Um nichts Geringeres als die Rettung des Universums geht es in diesen Büchern - und um die alte Konfrontation des absolut Bösen mit den Kräften des Guten. Doch die Planung der nun - volle 35 Jahre nach Veröffentlichung des ersten "Dark Tower"-Romans - vorliegenden ersten Verfilmung gestaltete sich schleppend, zog sich über fast ein Jahrzehnt. Der Produzent und Regisseur J.J. Abrams gehörte zu den frühen Drop-outs, und nach den Ausstiegen von Universal, HBO und Warner einigten sich Sony Pictures und Media Rights Capital darauf, "Der Dunkle Turm" (Österreich-Kinostart: 11. August) zu produzieren. Der Däne Nikolaj Arcel, 44, Oscar-nominierter Regisseur kunstgewerblicher Arthouse-Favoriten ("A Royal Affair"), erhielt den Zuschlag, aber das Projekt führte mit zwei gleichberechtigten Studios und vier Drehbuchautoren hinter den Kulissen zu heillosen Turbulenzen und einem dramatisch verschobenen Veröffentlichungstermin.

Dem Ergebnis sind diese Probleme leider anzusehen: "Der dunkle Turm" schwankt zwischen B-Movie und Mega-Fantasy, zwischen Popcorn-Action und Existenzialismus-Grundkurs. Ein hellsichtiger Zwölfjähriger (Tom Taylor) leidet unter seinen Visionen vom drohenden Untergang der Welt "(The Shine"), die ihn bald durch ein Portal ans andere Ende des Universums, ins Hauptquartier des Bösen, bringen. Die feine Besetzung lenkt ein wenig von den Problemen ab: Idris Elba macht als Revolverheld gute Figur, Gegenspieler Matthew McConaughey erhöht als Mann in Schwarz den Sadismusfaktor beträchtlich. Aber "Der dunkle Turm" ist Western-Fantasy-Pulp ohne besondere Eigenschaften: ein Unterhaltungsprodukt von hoher sozialer, politischer, künstlerischer und emotionaler Irrelevanz.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.