Wanda in Vollbesetzung
Wanda im Interview: "Uns ist eigentlich alles wurscht"

Wanda im Interview: "Uns ist eigentlich alles wurscht"

Die Musiker über ihr neues Album "Ciao"

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Sänger Marco Wanda und Gitarrist Manuel Poppe trifft man im Raucherkammerl ihres Studios. An der dicken Luft merkt man, dass sie heute nicht ihr erstes Interview geben. Wie viele es schon waren, wissen sie nicht. 107 sollen es insgesamt sein, zum Albumstart der neuen Platte. "Es ist nur mehr die Frage, wie lange es noch dauert, bis wir irgendetwas wirklich Furchtbares sagen.", meint Wanda dazu. "Und ob wir psychotisch oder schizophren werden." ergänzt Poppe. Beim Gespräch mit profil ließen sich die beiden davon zumindest noch nichts anmerken.

profil: „Ciao“ ist der Aufruf am nächsten Kapitel eurer Band teilzunehmen. Was ist jetzt anders? Marco Wanda: Anders ist, dass wir jetzt ein besseres Leben führen. Wir haben viel erlebt, wir haben viel gesehen. Und ich bin sehr froh und stolz darauf, dass sich jetzt ein Versprechen einlöst, dass wir uns vor Jahren gegeben haben. Wir haben diese Band nicht mit dem Ziel gegründet berühmt zu werden oder sich nennenswert am Markt einzumischen. Wir haben uns zusammengefunden, um ein besseres Leben zu führen und haben dieses Versprechen schrittweise eingelöst. Ansonsten ist eigentlich alles wie immer. Wir sitzen auf dem Zug, fahren gerade aus und machen das gleiche wie seit Jahren.

profil: Gab es eine Kernidee oder einen Ausgangspunkt für das neue Album? Manuel Poppe: Marco hatte 14 Lieder fertig, ist dann vor uns erschienen, hat sie uns vorgespielt und dann haben wir das aufgenommen. Wanda: Songs sind ein bisschen wie Geister. Die besuchen einen einfach. Es ist nicht so, dass sie Schlange stehen, aber wenn man sich öffnet, dann besuchen sie einen. Und mich haben in wenigen Wochen sehr viele Geister besucht.

profil: Euer letztes Album „Niente“ ist erst vor zwei Jahren erschienen. Habt ihr das Gefühl, dass ihr immer weiter machen müsst? Wanda: Es gab eine Phase da war ich viel auf der Suche nach Kicks und Exzess, aber damit können wir mittlerweile ganz gut umgehen. Uns hilft, dass wir befreundet sind, wir können uns immer auffangen. Bei mir hat sich die Dankbarkeit total in den Vordergrund meiner Wahrnehmung geschoben. Ich werde nie verstehen, warum diese Band auserwählt worden ist, so groß zu werden. Ich habe absolut keine Ahnung was wir dafür eigentlich gemacht haben – außer das, was wir lieben.

Es geht die ganze Zeit, schon seit Jahren, nur ums Weitermachen.

profil: Es gibt also keinen Karriereplan, der sagt: Alle zwei Jahre muss ein neues Album entstehen? Wanda: Nicht wirklich, wenn die Lieder da sind, macht man eine Platte. Poppe: Wir haben da auch keinen Erwartungsdruck von unserem Publikum oder sonst wem. Ich wüsste nicht, was wir erfüllen müssen... Einfach weitermachen! Wanda: Wie im Leben. Das ist auch die transparenteste textliche Ebene dieser Gruppe. Es geht die ganze Zeit, schon seit Jahren, nur ums Weitermachen.

profil: Ihr habt mit den ersten beiden Alben teilweise ziemlich provoziert. Mit „Niente“ weniger, und auch mit „Ciao“ nicht. Habt ihr einfach genug provoziert oder seid ihr auch irgendwie „erwachsen“ geworden? Wanda: Ich glaube nicht, dass wir je bewusst provoziert hätten. Ich glaube eher, dass Zufallsmomente eine unglaubliche Dynamik bekommen können. Vor allem, wenn diese vermeintliche Provokation in eine Band interpretiert wird, die gerade berühmt wird. Das waren einfach solche Multiplikatoren.

profil: Trotz der Unterschiede, ist es schon ein sehr eindeutiger Stil der sich durch eure Alben zieht. Habt ihr nicht mal Lust auf etwas anderes? Oder würde das euer Publikum nicht verkraften? Wanda: Ich finde, schon der Schritt zu „Niente“ war eine Zumutung, für den wahrhaftigen Wanda-Fan. Wir haben mit der Platte auch sicher Leute verloren und wir werden auch mit dieser Leute verlieren. Ich sehe schon, dass sich diese Musik immer in verschiedene Richtungen gestreckt hat. Ich habe das Gefühl, dass man das Projekt Wanda nicht ganz verstanden hat, wenn man glaubt, dass das so eine klare abgesteckte Musik ist. Was es zusammenhält, ist, dass wir immer auf Augenhöhe mit unseren Fähigkeiten spielen. Wir können im Prinzip nicht mehr als das. Poppe: Wir wollen ja auch keine Auftragsmusiker sein und jeden Tag ein ausgewähltes Genre spielen. Das könnten wir gar nicht. Wir kommen uns nicht aus. Wanda: Also auf dieser Platte spiele ich auf der Gitarre so ziemlich jeden Akkord den ich kann. Ich kann einfach gar nicht mehr Akkorde spielen.

profil: Hemmt einen der Erfolg auch kreativ? Hat man manchmal das Gefühl, das Album muss zum Beispiel einen Radiohit haben? Wanda: Hits können nur passieren. Ein Hit heißt ja nur, dass sich das kollektive Unterbewusste einer Gesellschaft auf einen Ausdruck aus seiner Mitte einigen kann. Also ein Hit wird von vielen Menschen ausgewählt. Und wenn man einen Hit schreibt, dann heißt das ja, dass man etwas getroffen hat, was sich verallgemeinern lässt. Das ist eigentlich erstrebenswert. Aber Druck würde ich mir keinen machen, denn mit Druck kann man keine gute Musik machen.

profil: Ist man trotzdem manchmal verleitet zu denken, man müsse wieder machen, was funktioniert hat? Wanda: Selbst wenn, ich wüsste gar nicht, wie man das macht. So viel von dem was wir tun passiert einfach. Wirklich Kontrolle hat man nicht über das was man tut. Man muss halt bluten und arbeiten, damit da überhaupt was rauskommt.

Sollte sich das Gefühl einstellen angekommen zu sein, müsste man ja eigentlich aufhören.

profil: Seid ihr musikalisch angekommen? Wanda: Man ist nie angekommen, das ist unmöglich. Ich bin nicht sonderlich zufrieden im Allgemeinen. Ich will schon weiter. Und es gibt viele Themen, über die ich noch schreiben will und unendlich viele Melodievariationen, die noch nicht geschrieben sind. Das kann nie aufhören, diese Maschine läuft schon ewig. Und wenn man das macht, was wir machen, hat man dem sein Leben verschrieben. Poppe: Sollte sich das Gefühl einstellen angekommen zu sein, müsste man ja eigentlich aufhören.

profil: Seid ihr auch manchmal genervt von der eigenen Musik? Wanda: Nein, weil alles andere so scheiße ist, dass ich immer total froh bin, wenn ich uns hör.

profil: Also hört ihr auch privat eure Musik? Wanda: Manchmal schon. Ich höre sie dann aber eher passiv, weil Menschen mit denen ich unterwegs bin es gerne hören. In Albumphasen läuft das dann eh in allen Bars und Lokalen, dann entkommt man dem nicht. Dann gibt es eine Menge Gratisschnaps.

profil: Ihr versteht euch ja als Rock’n’Roll-Band, werdet aber oft dem Pop zugeordnet. Stört euch das? Wanda: Popmusik ist für mich etwas, das immer Hoffnung in der Musik hat und Schwermut im Text. Damit assoziiert zu werden, das stört mich nicht.

profil: Deine Texte basieren sehr stark auf Wiederholungen. Warum wählst du dieses Stilmittel so oft? Wanda: Ich bin dumm. Mir fallen nicht die ganze Zeit geniale Textzeilen ein. Ich bin in meiner Arbeit auch ein großer Fan von Reduktion. Mir ist lieber, eine Zeile sagt viel, als hundert Zeilen sagen nichts.

profil Mitarbeiterin Anika Haider mit Wanda

profil: Ein immer wiederkehrendes Thema in euren Liedern ist auch Italien. Kommt eure Musik auch in Italien gut an, oder ist die Liebe zu Italien eine einseitige? Wanda: Es nimmt tatsächlich zu. Also ich war ganz überrascht muss ich sagen. Ich habe in Burano, das ist dieses bunte Fischerdorf, plötzlich Selfies gemacht mit 90-jährigen italienischen Fischern, die „Bologna“ gegrölt haben. Das war schon bewegend.

profil: Sowohl in Italien als auch Österreich passiert politisch gerade viel. Spürt ihr da Druck, selbst politisch zu sein? Wanda: Überhaupt nicht. Ich blicke eher mit Verachtung auf die Politisierbarkeit von allem. Ich finde es wahnsinnig lähmend, dass man alles politisiert im Moment. Ich bin gelangweilt von Spaltung und das ist auch alles nicht meine Lebensrealität. Ich fahre seit 6 Jahren durch den deutschsprachigen Raum und erlebe die ganze Zeit, dass Menschen unterschiedlicher Denkweisen sich umarmen. Ich sehe so viel Gemeinsames zwischen Menschen. Insofern langweilt mich Politik im Moment.

profil: Konsumkritisch zeigt ihr euch aber doch – zum Beispiel in der neuen Single „Nach Hause gehen“. Wanda: Mir tun Menschen wahnsinnig leid, die kaufen müssen. Unsere Zivilisation unterliegt dem Zwang zu konsumieren. Das finde ich wahnsinnig faszinierend. Wir haben eine so derartige Schere zwischen arm und reich auf dieser Welt. Und reich ist gar nicht reich. Reich spielt dieses sich unendlich fortsetzende Scheintheater. Ich war unlängst im Flugzeug und vor mir saßen drei junge Männer, die hatten so perfekte Haarschnitte, es war entsetzlich anzusehen. Und Markenklamotten, in die wahrscheinlich tausende Euros geflossen sind. Ich hab das Gefühl, die müssen sich so anziehen um nicht aufzufallen. Normal bist du nur, wenn du reich bist. Das finde ich total krank und entsetzlich und wenn dieses Lied irgendwas erzählen will, dann das.

profil: Wenn man so viel seiner Ideale und Denkweisen in die Kunst steckt mit der man berühmt ist, macht einen das verletzlicher? – Weil dann alle meinen, einen zu kennen? Wanda: Das was wir machen, kann man nicht machen, wenn man ein Problem mit Offenheit, Angreifbarkeit und Verletzlichkeit hat. Davor haben wir keine Angst mehr. Uns ist eigentlich alles wurscht.