Ibiza: Wie der Skandal von FPÖ-nahen Medien wahrgenommen wird

Ein lang geplanter Putsch, eine perfide Falle, die FPÖ als Opfer: Der Ibiza-Skandal und seine Folgen aus Sicht von Österreichs Rechtsaußen-Medien unzensuriert.at, „Info-Direkt“ und „Wochenblick“.

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Die rechte Gegenerzählung beginnt am Freitag, dem 17. Mai, um 18 Uhr mit lautem Schweigen. Auf den sonst so sendungsbewussten FPÖ-nahen Onlineplattformen herrscht Funkstille. Die Stunden verstreichen, es wird Nacht, der nächsten Morgen bricht an. Um sieben Uhr früh stellt das Rechtsaußen-Medium unzensuriert.at den ersten Artikel online. Der Titel: „Kein Witz: Die Grünen als Freunde der Polizei.“ Kurz darauf veröffentlicht der Onlineableger der oberösterreichischen Zeitung „Wochenblick“ einen Teaser zu einer Reportage über ein Museum an der österreich-tschechischen Grenze, das „historische Gebrauchsgegenstände“ zeigt: „Jukeboxen und Flipper wecken nostalgische Gefühle.“

Der rechte Kampf beginnt einen Tag später

Der innenpolitische Skandal fängt für die rechte Medienwelt erst Samstagnachmittag mit dem Abgang des Vizekanzlers an. Fast 24 Stunden nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos erfahren auch die Leser von unzensuriert.at, dass es irgendwelche Aufnahmen gibt, die Heinz-Christian Strache zum Rücktritt „zwingen“. Der rechte Kampf gegen die Fakten von Ibizagate ist eingeleitet.

Eine vermeintliche russische Oligarchen-Nichte habe erklärt, sie wolle der FPÖ „mit einer Viertelmilliarde Euro im Wahlkampf 2017 helfen“, schreibt unzensuriert.at: „Ungeschickt und urlaubsseelig erkennen HC Strache und Johann Gudenus die Inszenierung nicht und tappen in die ausgesprochen perfide Falle.“ Es bleibt geheimnisvoll. Klar ist nur: Es handelt sich um eine „Anpatz-Aktion“ – und es ist nicht die „erste dieser Art“. Man erinnere sich nur an die „Waldheim-Intrige“ oder an das Jahr 2017, als unzensuriert.at „zum Ziel einer ähnlichen Attacke wurde“. Eine „vorgebliche deutsche Journalistin“ bewarb sich damals als potenzielle Mitarbeiterin und zeichnete das Bewerbungsgespräch heimlich auf.

„Viele durchschauen das Spiel“

Es ist alles sehr verdächtig: „Das Strache-Gudenus-Video wurde ebenfalls 2017 aufgezeichnet.“ Es gibt bereits Sticker, die zu Demos gegen die FPÖ aufrufen. „Da war jemand offensichtlich sehr gut vorbereitet!“ Doch die Wähler können nicht für blöd verkauft werden, nein: „Viele durchschauen das Spiel.“

Was hat Strache eigentlich in diesem Video gesagt? Man erfährt es nicht. Der Vizekanzler hat mit seinem Rücktritt jedenfalls die Konsequenzen aus irgendetwas gezogen, es war eine „b’soffene G’schicht“, er hat sich entschuldigt, „allen voran bei seiner Gattin“. Unzensuriert.at findet: „Respekt vor seiner Entschuldigung und Anerkennung für seine konsequente Haltung!“ Wochenblick.at bringt bald mehr Licht ins Dunkel. Das Video wurde im Juli 2017 in einer Villa in Ibiza aufgenommen. In der Aufnahme „wird unter anderem über die ,Kronen Zeitung‘, die Vergabe vermeintlicher Staatsaufträge sowie eventueller Unterstützungen gesprochen“. So viel zum Inhalt. Viel wichtiger: „Jetzt wurde wegen des mutmaßlich illegal aufgenommene Videos von der FPÖ sogar Anzeige erstattet!“

Welche „Kräfte“ haben die FPÖ in „diese Falle gelockt“?

Die „Wochenblick“-Redaktion verspricht ihren Lesern, alle Ereignisse „sorgfältig und gewissenhaft aufzuarbeiten“ – im „vollen Bewusstsein darüber, wie wichtig es ist, diese journalistische Arbeit jetzt nicht dem Boulevard oder dem medialen Mainstream zu überlassen“. Alles will man dann aber auch nicht selber machen: Zwei Tage darauf veröffentlicht die Redaktion für die „lieben Journalisten-Kollegen“ aus den „Mainstream-Medien“ eine Liste mit „vernachlässigten Recherchefragen“, die die „Wochenblick“-Leser interessieren würden.

Was das rechte Blatt hingegen rasch herausgefunden hat: Das Ibiza-Video hat eine „blaue Welle der Solidarität ausgelöst“. Nein, einen „Tsunami der Solidarität“, während eine „Blaue Welle der Sympathie“ über „die FPÖ schwappt“. Die einzig bedeutende Frage, da ist sich die rechte Medienwelt einig, ist jetzt ohnehin: „Cui bono?“ Wer hat die „sehr erfolgreiche“, „sehr beliebte“, „gut arbeitende“ Regierung „zu Fall gebracht“? Welche „Kräfte“ haben die FPÖ in „diese Falle gelockt“?

Steckt die SPÖ dahinter? Es „riecht“ jedenfalls alles sehr nach „Silberstein-Methoden“, findet unzensuriert.at. Andererseits hat das „große Interesse der Deutschen“ auch „einen verdächtigen Beigeschmack“. (wochenblick.at). Da stellt sich aber wiederum die Frage: „Welcher Geheimdienst steckt hinter dem Ibiza-Video?“ (unzensuriert.at) „Deutsche Medien“ sind jedenfalls Teil des „dreckigen Spiels“ (wochenblick.at). War es der niederländische, der britische, der deutsche Geheimdienst? (unzensuriert.at) Auch verdächtig ist die Rolle der deutschen Kanzlerin, denn „das Scheitern der Koalition kommt für Angela Merkel vor den EU-Wahlen gerade richtig“ (wochenblick.at). „Stecken doch Geheimdienste dahinter?“ (unzensuriert.at). Es war „offenbar ein generalstabsmäßig inszenierter, über Jahre geplanten Putsch“ (wochenblick.at).

Während Listen der bisherigen „Fakten und Vermutungen“ erstellt werden, werden in der Republik Neuwahlen ausgerufen, Innenminister Herbert Kickl auf Ansuchen des Kanzlers und der Rest der FPÖ-Minister auf eigenen Wunsch entlassen, sowie Übergangsregierungen angelobt.

„Feuer mit Benzin gelöscht!“

Auf info-direkt.eu erfahren die Leser unterdessen, dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Republik Österreich nicht am Herzen liegt. „Ein Bundespräsident, dem Österreich am Herzen liegt“, hätte nämlich erstens „die Medien dazu ermahnt“, sich bei der Berichterstattung über das Ibiza-Video an den „journalistischen Ehrenkodex“ zu halten, und zweitens den „deutschen Botschafter zu sich zitiert“ und sich „öffentlich gegen die Einmischung durch deutsche Medien in die österreichische Innenpolitik“ ausgesprochen. Kurzum: Ja zum Pressekodex, nein zur Pressefreiheit. Nach Straches Rücktritt wäre „besonders wichtig“ gewesen, dass Herbert Kickl im Amt des Innenministers bleibt: „Denn, wem kann eine vollständige Aufklärung der kriminellen Machenschaften rund um das Strache-Video mehr am Herzen liegen als einem FPÖ-Parteimitglied?“ Andere Frage: Warum musste Strache zurücktreten, wenn doch eigentlich er das Opfer ist?

Van der Bellen hat jedenfalls „Feuer mit Benzin gelöscht!“. Die eingesetzten Experten in der Regierung werden das Vertrauen der Österreicher in die Politik „nachhaltiger beschädigen als es das Strache-Video jemals vermocht hätte“, ist info-direkt.eu überzeugt. Okay, Strache „hat sich aufgestachelt von verlockenden Angeboten im Rausch zu Aussagen hinreißen lassen“. Aber: Diese ganzen Versprechungen „hätte er ohnehin nicht einhalten können.“ Der entscheidende Punkt ist sowieso ein anderer: „Im Gegensatz zu Strache hat Van der Bellen im vollen Bewusstsein das Falsche gesagt und getan.“ Der Bundespräsident war also nicht einmal besoffen!

Ohne Innenminister Kickl geht Österreich nun offenbar den Bach runter. „Kein anderer Politiker gab der Bevölkerung mehr Hoffnung, die illegale Einwanderung abzustellen“, erklärt unzensuriert.at. „Er war damit das Gesicht einer starken und korrekten Innenpolitik und dementsprechend beliebt.“ Darum wollte ihn Kanzler Kurz auch „los werden“. Die ÖVP plant sowieso schon seit Jänner Neuwahlen. „Basti Fantasti“ wurde zu „Basti Katastrofski“. Die Umfragewerte von Kurz schnellen zwar in die Höhe, aber trotzdem: „Die Stimmung kippt.“ „Ist Österreichs innere Sicherheit ohne Kickl in Gefahr?“, fragt unzensuriert.at. (Spoiler-Alert: Ja.) „FPÖ-Innenminister Herbert Kickl fehlt: Weit und breit kein Sprachrohr für die Polizei.“ Als wäre das alles nicht genug, bringt der Wochenblick Anfang der Vorwoche die nächste Schreckensnachricht: Ein burgenländischer Wirt will jetzt auch noch Kickls Polizeipferde verkochen.