Nationalratswahl: Internationale Pressestimmen im Vorfeld

Österreichische Nationalratswahl 2017: Internationale Pressestimmen

Die Nationalratswahlen in Österreich wurden am Freitag und Samstag auch in internationalen Zeitungen kommentiert.

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Die liberale Tageszeitung "El Pais" (Madrid):

"Österreichs Ultrarechte beeinflusst die anderen Parteien und strebt einen Eintritt in die Regierung an. Die Rechtsextremisten klopfen an das Tor der Regierung. Im Vorjahr demonstrierten sie ihre Stärke, als sie die Präsidentschaftswahl nur knapp verloren. Vor den Parlamentswahlen können sie bereits einen Triumph verbuchen: Sie haben ihren antimigratorischen Dekalog (Zehn Gebote Moses', Anm.) in das Zentrum der Debatte gestellt und ihre Rivalen zu einem Rechtsruck gezwungen.

Das konservative Blatt "ABC" (Madrid):

"Sebastian Kurz, ein Macron der Rechten, als Favorit bei Wahlen in Österreich. Wenn die Voraussagen stimmen, werden die Parlamentswahlen in Österreich einen durchschlagenden Schwenk nach rechts bringen, der auch einen tiefgreifenden Wandel für den ganzen Kontinent bedeuten könnte. (....) Österreich ist das erste Land des entwickelten Europa, in dem die ideologische Balance zwischen Sozialdemokraten und Rechtsparteien, die offen die seit dem Zweiten Weltkrieg vorherrschende politische und kulturelle Hegemonie infrage stellen, zugunsten der Zweiteren ausschlagen. Bisher gab es dieses Phänomen nur in Ländern mit einer kommunistischen Geschichte wie Ungarn, der Slowakei oder Tschechien. Immer hervorgerufen durch Fragen der Identitäten, der Migration und der Sicherheit."

Die konservative "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ):

"Unabhängig von allen persönlichen und inhaltlichen Differenzen in der Innenpolitik sind die führenden Parteien in Österreich beim Thema Migration nach 'rechts' gerückt. Die rechtspopulistische FPÖ ist traditionell einwanderungskritisch eingestellt, der christdemokratische ÖVP-Chef Sebastian Kurz hat sich mit der Forderung nach einem Stopp illegaler Migration und durch die von Wien initiierte Hemmung der Balkanroute profiliert, und auch in der sozialdemokratischen SPÖ ist es nicht mehr opportun, laut 'Willkommen' zu rufen. In der Europäischen Union hat sich die Politik in Wien damit an eine Staatengruppe angenähert, die in Sachen Einwanderungskritik bislang die Themenführerschaft innehatte: die sogenannten Visegrad-Vier, die aus Polen, der Tschechischen Republik, der Slowakei und Ungarn bestehen."

Die Regionalzeitung "Nürnberger Nachrichten":

"Die Parteienlandschaft hat der seit Jahren konsequent zuwanderungskritische Sebastian Kurz mit einem Streich schon im Mai bunter gemacht. Er hat der lahmenden konservativen ÖVP mit Türkis (statt Schwarz) eine neue Farbe verpasst, sich mit unüblicher personeller und inhaltlicher Macht ausstatten lassen, die ÖVP von der Partei zur "Bewegung" umetikettiert. Statt alter Parteigranden rangieren auf den Top-Plätzen der Bundes- und der Landeslisten nun politische Quereinsteiger - vom Mathematikprofessor über die Organisatorin des Wiener Opernballs bis hin zur querschnittsgelähmten Ex-Stabhochspringerin Kira Grünberg. Der Lohn: Kurz ist Favorit auf Platz eins bei der Wahl."

"Die Welt" (Berlin):

"Rechtsnationalistische Parteien waren in Österreich immer stärker als in Deutschland, zunächst auf niedrigem Niveau. Vor rund 30 Jahren aber wurden die Rechten in Österreich zur dritten großen Kraft - eine Entwicklung, die in Deutschland ausblieb. Nun aber sind erstmals die deutschen Rechtsnationalisten auf dem Weg nach oben, während die österreichischen in Turbulenzen geraten. Ob dies nur eine Momentaufnahme ist, muss sich noch zeigen. Fakt ist: Es gibt strukturelle Gründe für die Schwäche der Rechtsnationalisten in Österreich. Die liberalen Kräfte scheinen ein Mittel gegen die Rechten gefunden zu haben - was in Deutschland nicht der Fall ist. (... Bei Österreichs Konservativen ist damit jene Frage entschieden, die in CDU und SPD hitzig debattiert wird: Wie kann man die Rechtsnationalisten kleinhalten? (...) Die Ausgrenzung führte zu nichts. Dass Kurz nun offensiv und ohne Rücksicht auf politische Korrektheit die Fragen der Rechtsnationalisten aufgreift, ist für die FPÖ weitaus gefährlicher."

Die liberale "Neue Zürcher Zeitung":

"Dass die ÖVP die Wahl am Ende gewinnt, gilt (...) als wahrscheinlich. Sie führt seit Mai konstant und mit einem satten Vorsprung, so dass ein Ergebnis von unter 30 Prozent Stimmenanteil für Kurz wohl eine Enttäuschung wäre. Dem konservativen Hoffnungsträger ist es gelungen, die Wechselstimmung im Land aufzunehmen, indem er ähnlich einer Oppositionspartei zahlreiche Missstände wie die Wirtschaftslage oder die mangelhafte Integrationspolitik beklagt und unablässig verspricht, es sei nun 'Zeit für Neues'. Das ist deswegen paradox, weil die ÖVP seit über 30 Jahren am Stück regiert, ebenso lang das Wirtschaftsministerium bekleidet und auch der 31-jährige Kurz mittlerweile schon seit sechs Jahren der Regierung angehört - zuständig unter anderem für Integration. Der moderne türkisfarbene Auftritt der 'Bewegung' von Kurz, bei dem das Logo und das Kürzel der ÖVP verschwunden sind, und sein unbestrittenes politisches Talent lassen offenbar viele glauben, die ÖVP wolle nun wirklich die tiefgreifenden Reformen angehen, die schon so viele ihrer Vorsitzenden versprochen haben."

"Washington Post" (Freitagausgabe):

"Ob sie nun bei der Wahl gewinnt oder verliert, die extreme Rechte triumphiert, weil die Rivalen eine einst an den Rand gedrängte Politik unterstützen. Fast zwei Jahre lang - während Europas Flüchtlingskrise und danach - dominierte die weit rechts stehende FPÖ die Umfragen, weil sie Österreicher mit der Botschaft glücklich machte, dass Immigranten unerwünscht sind. Dann kam das jugendliche neue Gesicht aus dem Establishment: Sebastian Kurz, das Wunderkind der österreichischen Politik (...). Aber die extreme Rechte wird trotzdem ihren Sieg feiern könne. Das Gesicht von Kurz mag frisch und seine Partei komfortabel im Mainstream verwurzelt sein. Aber die Hardliner-Ideen hinter dem Erfolg von Kurz sind unzweifelhaft jene, die lange Zeit von der Freiheitlichen Partei befürwortet wurden."