Markttrends & Strategien

Vom Börserl zur Börse: Wie Frauen investieren

Die Zahl der Aktionärinnen steigt. Dennoch sind Frauen nach wie vor die Ausnahme und nicht die Regel, wenn es ums Investieren geht. Wie die verschiedenen "Gender Gaps" dabei zusammenspielen und was Frauen wirklich brauchen, um am Kapitalmarkt die Nase nach vorn zu bekommen.

Drucken

Schriftgröße

Sie waren einst die Hüterinnen des Haushaltsgeldes, finanziell abhängig vom Ehemann und hatten abgesehen von der Marie im Börserl vielleicht etwas am Sparbuch. Inzwischen sind Frauen ins Börsen-Game eingestiegen und haben eine Mission: die Lücke zu schließen, die sich beim Thema Geld zwischen Frauen und Männern im Laufe der Zeit aufgetan hat. Denn wer "Gender" sagt, muss auch "Gap" sagen. Und erkennen, dass und wie all diese Gender Gaps zusammenhängen.

Bereits beim Taschengeld ist eine Gap zu beobachten: Buben bekommen mehr als Mädchen. Im Erwachsenenalter ändert sich an dieser schiefen Verteilung wenig. Denn Frauen übernehmen, der letzten Zeitverwendungsstudie zufolge, den größeren Teil der unbezahlten Care-Arbeit, was zur Gender Care Gap führt, arbeiten häufiger in Teilzeit, die ein Grund für die Gender Pay Gap ist, welche sich wiederum in der Gender Investment Gap niederschlägt. Frauen investieren seltener (und weniger) als Männer. Eine Studie der Online-Bank N26 zeigt, dass sie 29 Prozent weniger ihres Einkommens veranlagen als Männer. Ein Grund: Laut einer Studie des New Yorker Finanzdienstleisters BNY Mellon glauben viele Frauen noch immer, dass sie pro Monat rund 4.000 Euro verfügbares Einkommen benötigten, um einen Teil ihres Geldes überhaupt erfolgreich investieren zu können. Im Vergleich ziehen Männer bereits bei geringerem Einkommen Investitionen in Betracht, während Frauen bei gleichem Einkommen weniger investieren. Die Folge: Sie können die Gender Pension Gap selten durch private Vorsorge schließen.



Mangelndes Finanzwissen? Fehlendes Kapital!


Monika Kovarova-Simecek lehrt und forscht an der Fachhochschule St. Pölten, dort leitet sie den Masterstudiengang Digital Business Communications. Dieser nahm im Rahmen eines Forschungsprojekts Frauen am Kapitalmarkt unter die Lupe. "Wie viele Frauen am Kapitalmarkt partizipieren, wissen wir aus den aktuellen Erhebungen des Deutschen Aktieninstitutes. Diese Zahlen sind in den letzten Jahren gestiegen, das ist sehr positiv zu bewerten. Ähnliche Entwicklung können wir auch für Österreich annehmen."

Die Statistik zeigt: "Im Pandemiejahr 2020 gab es einen rasanten Anstieg, insbesondere unter jüngeren Aktionärinnen und Aktionären war es ein Plus von 67 Prozent",so Kovarova-Simecek. "Doch auch wenn Frauen ihre Finanzen zunehmend in die eigene Hand nehmen, war der Zuwachs unter männlichen Aktionären dreimal so hoch."

Als Erklärung dafür wird häufig die fehlende Finanzbildung von Frauen angeführt. "Das greift jedoch zu kurz", sagt Kovarova-Simecek. "Wir wissen aus Untersuchungen, dass Frauen und Männer gleich viel Know-how haben, Frauen ihr Finanzwissen aber unterschätzen und sich daher nicht an das Thema Investments heranwagen. Bei Männern ist das genau umgekehrt."

Was Frauen vor allem fehle, um die Männer am Aktienmarkt zu überholen oder zumindest mit ihnen gleichzuziehen, sei das investierbare Kapital. "Knapp die Hälfte der Frauen arbeitet in Teilzeit, vielfach um Betreuungspflichten nachzukommen",sagt Kovarova-Simecek. "Mit einem Teilzeit-Gehalt geht sich Investment oder solider Vermögensaufbau einfach nicht aus."


Die Financial Service Gender Gap

Über die Jahre hat sich zudem eine weitere Gap aufgetan: die Financial Service Gender Gap. Es sind eben nicht "nur" fehlendes Kapital und Selbstvertrauen sowie mangelnde Finanzbildung oder die angeblich typisch weibliche Risikoaversion. Tatsache ist auch, dass Frauen als Zielgruppe für Finanzdienstleister:innen aus genannten Gründen bislang nicht attraktiv (genug) waren.

Inzwischen findet in der Finanzbranche jedoch ein Umdenken statt, man könnte auch sagen: Sie hat Frauen als Zielgruppe identifiziert. Kein Wunder. Auch wenn sie über weniger Geld verfügen, entfällt "auf Frauen ein hohes, bisher unausgeschöpftes Potenzial am Kapitalmarkt. Würden sie im gleichen Umfang wie Männer investieren, läge das zusätzliche Anlagepotenzial bei über drei Billionen Euro", so Ralf Bocken von Consileon, einer Unternehmensberatung für die Finanzbranche mit Sitz in Karlsruhe.

Frauen stellen aber nicht nur einen bedeutenden Faktor in der Weltwirtschaft dar, sondern werden künftig auch bei Investitions-und Finanzierungsvorhaben deutlich stärker repräsentiert sein, "zum einen wegen ihres weiter steigenden Einkommens, zum anderen als Folge ihrer wachsenden Investitionsbereitschaft: Acht von zehn Frauen geben an, künftig mehr investieren zu wollen".

Was Frauen wirklich fehlt, um die Männer am
Aktienmarkt zu überholen oder zumindest mit
ihnen gleichzuziehen, ist investierbares Kapital.
 

Monika Kovarova-Simecek, FH St. Pölten


Missing Link

Das fehlende Glied in der Kette für Gleichberechtigung und Financial Inclusion am Kapitalmarkt könnte also die Schließung der Financial Service Gender Gap sein. Nicht einfach, weiß Ralf Bocken. Denn "Finanzinstitute haben ihre Beratung, Ansprache, Produkte und Serviceangebote oft noch nicht an weibliche Bedürfnisse und die bewegten Lebensläufe von Frauen angepasst." Diese sind, im Unterschied zu klassischen Männerbiographien, eher volatil. Zudem können Mutterschutz, Karenz, Care-Arbeit und Teilzeit Unsicherheit in Bezug auf die langfristige finanzielle Situation, auf Krisen oder Ausfälle auslösen. Da diese Eventualitäten aber weder Teil der Produktgestaltung noch der persönlichen Ansprache und Beratung sind, fühlen sich laut einer Studie des Sparkassen Innovation Hub aus dem Jahr 2021 80 Prozent der Frauen nicht adäquat beraten. Wenig überraschend daher: "Das den Banken und Finanzdienstleistern entgegengebrachte Vertrauen aufseiten der Frauen sinkt",so Ralf Bocken.

Die Gegenstrategie: "Jede Kundin sollte individuell entsprechend ihrer jeweiligen Lebensphase und den daraus resultierenden Bedürfnissen beraten werden",hält Milena Rottensteiner, Leiterin des S-Hubs, fest. Das Ziel: Frauen zu motivieren, bereits mit kleineren Beträgen an der Börse aktiv zu werden oder anderweitig fürs Alter vorzusorgen. Untersuchungen zeigen, dass dafür nicht unbedingt geschlechtsspezifische Produkte erforderlich sind, sondern Zugang und Beratung den Ausschlag geben. Die Finanzbranche hinkt hier jedoch noch hinterher.

Dafür erleichtert jetzt eine neue Branche diesen Zugang und boomt entsprechend: Die Zahl der Finfluencer und vor allem jene der Finfluencerinnen wächst. Sie bieten Finanzaufklärung von Frauen für Frauen und machen sie fit für die Börse-in Form von auf sie zugeschnittenen Ratgebern, Coachings, Workshops, Blogs, YouTube-Kanälen, Instagram-Profilen, Podcasts oder Webinaren. Finfluencerinnen verfolgen damit (zumindest ihrer ursprünglichen Motivation nach) ein edles Ziel: Frauen zu ermächtigen, selbst und rechtzeitig vorzusorgen, um Altersarmut zu vermeiden. Dass das Finfluencen selbst ein profitabler Job ist, steht dieser edlen Motivation gegenüber. Ein achtwöchiges Mentoring-Programm bei "Madame Moneypenny" schlägt laut ihrer Website jedenfalls mit "einem mittleren vierstelligen Betrag" zu Buche.


Finanzfit mit Finfluencerinnen?

"Investorella", "Madame Moneypenny", "Fortunalista"-es gebe da, so Kovarova-Simecek, einige sehr starke weibliche Persönlichkeiten, die durch ihre Präsenz den Eindruck erwecken, dass Frauen am Aktienmarkt und unter Finfluencer:innen stark vertreten sind. "Aber auch unter Finfluencer:innen machen Frauen noch nur 14 Prozent aus. Es wäre wichtig, hier noch mehr weibliche Promoterinnen des Themas zu haben, weil Frauen vorzugsweise Frauen folgen." Zudem "fühlen sich Frauen unter Frauen wohler beim Thema Geld", ergänzt Tamara Albrecht. Die Finanzexpertin hält unter anderem für die Wiener Börse Akademie Workshops, die sich gezielt an Frauen richten.

In ihre Workshops kommen nicht nur Frauen im mittleren Alter, denen bewusst geworden ist, dass sie später zum Beispiel aufgrund von Teilzeitarbeit oder geringem Einkommen wenig(er) Pension bekommen, sondern auch "Studentinnen, die sich bereits Gedanken über ihre Absicherung machen, weil sie sehen, wie Mutter oder Großmutter in die Altersarmut schlittern." Dazu komme, so Albrecht, dass man sich auf das "gute alte Sparbuch" nicht mehr verlassen könne. "Und da kommen Wertpapiere ins Spiel." Frauen wollen ihr Wissen zu diesem Thema erweitern, viele von ihnen seien Börsen-Anfängerinnen.

Bei ,Frauenprodukten‘ ist es besonders
wichtig, genau hinzusehen und die richtigen
Fragen zu stellen – etwa, welche
Kosten damit verbunden sind und welche
Werte im Produkt enthalten sind.
 

Tamara Albrecht, Wiener Börse Akademie


Der Wert im Wertpapier

Albrecht betont, dass Frauen, wenn sie erst einmal den Schritt zur Investorin getan haben, oft erfolgreicher seien als Männer-weil sie am langfristigen Vermögensaufbau statt Spekulieren interessiert sind. Das Thema Nachhaltigkeit spiele zudem eine Rolle. "Vor allem jenen Frauen, die zum ersten Mal investieren, geht es nicht nur um Rendite, sondern auch um moralische Wertvorstellungen."

Eine Studie von BNY Mellon zeigt, dass weltweit nicht nur über drei Billionen Euro zusätzliches Investitionsvolumen entstehen würde, wenn Frauen im gleichen Umfang wie Männer anlegen. Dieses Kapital würde auch vermehrt in wirkungsorientierte Investitionsprodukte fließen, die positive soziale und ökologische Auswirkungen haben. Von ihrem Investment würden also nicht nur die Frauen selbst, sondern auch Gesellschaft und Umwelt profitieren.


Faktor Zeit

Um Frauen für die Börse zu motivieren, braucht es aber einen Ansatz, der auf vielen Säulen fußt: das nötige Kapital, Finanzwissen und auf die Lebensphasen von Frauen zugeschnittene Beratung und Angebote. Bei "Frauenprodukten" sollte laut Tamara Albrecht aber genau hingesehen werden. Nur weil etwas ein pinkes Mascherl habe, sei es nicht automatisch empfehlenswert. "Da ist es besonders wichtig, die richtigen Fragen zu stellen-etwa, welche Kosten damit verbunden sind, wie gut das Produkt in der Vergangenheit performt hat und welche Werte darin enthalten sind." Rendite und Nachhaltigkeit sind jedenfalls kein Widerspruch. "Jedoch sind Investments an der Börse nicht für einen kurzen Zeitraum gedacht." Gerade wenn es um Vorsorge und Vermögensaufbau gehe, sei der Faktor Zeit entscheidend.

"Mit Blick auf die hohe Inflation ist die Börse aber alternativlos, da mit Geld am Sparbuch ein realer Wertverlust erzielt wird", so Albrecht. Wie viel besser Frauen, die für die Altersvorsorge auf Wertpapiere setzen, dann wirklich dastehen? Wird man an der langfristigen Performance sehen. Und auch, ob sich dadurch die Gender Pension Gap als letzte in einer langen Reihe an Gaps eines Tages schließt.

Text: Ursel Nendzig