Streit

Heizschwammerl: Sinnlose Klimasünder oder notwendiges Übel?

Gastronom Sepp Schellhorn diskutiert mit Greenpeace-Energiesprecherin Jasmin Duregger über ein mögliches Verbot und verpasste Lenkungseffekte von Heizpilzen.

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Wir müssen über Heizschwammerl reden.
Schellhorn
Ich hoffe, nicht nur über Heizschwammerl.
Umweltministerin Leonore Gewessler hat jüngst erklärt, dass sie ein Heizschwammerl-Verbot in der Gastronomie andenke. Greenpeace fordert das schon lange. Warum eigentlich? Ist das 
im Moment wirklich unser dringendstes Problem?
Duregger
Es ist eines von vielen Problemen. Wir haben derzeit nicht den Luxus, uns zwischen einzelnen Maßnahmen entscheiden zu können. Wir müssen viele Hebel in Bewegung setzen. Heizschwammerl sind schlicht sehr ineffizient. Fünf Heizstrahler mit 2 kW, die eine Heizsaison lang fünf Stunden täglich laufen, verbrauchen gleich viel Strom wie ein Mehrpersonenhaushalt in einem Jahr. Das ist also nicht nichts. Es ist aber nur ein Baustein in einem großen Puzzle. 
Wie viele Heizschwammerl laufen in Ihren Betrieben, Herr Schellhorn?
Schellhorn
Im kommenden Winter gar keines. Wenn einer draußen stehen und rauchen will, dann soll er in der frischen Luft rauchen und dann wieder hineingehen. Ich bin nicht für Heizschwammerl. Ich bin allerdings gegen Verbote.
Können Sie das bitte ausführen?
Schellhorn
Ich bin total auf Gewesslers Seite, aber ich frage mich, warum sie nicht auch den einzelnen Haushalten etwas verbietet. Man zeigt immer gern auf jemanden, der etwas einsparen soll, aber man ist selten bereit, bei sich selbst anzufangen. Als Gastronom muss ich bei diesen exorbitanten Energiekosten sowieso sparen, weil ich sonst nicht mehr rentabel bin. Aber für die Privaten gibt es keine Anreize zum Sparen – dank Strompreisdeckel. 
Duregger
Welche Anreize stellen Sie sich denn vor?
Schellhorn
Als der Spritpreis heuer so rasant gestiegen ist, bin ich zwischen Wien und Goldegg zum ersten Mal in meinem Leben 130 gefahren statt 160. Weil ich halt knausrig bin. Der Energiepreis ist ein sehr starkes Anreizsystem.
Duregger
Wir kritisieren am Strompreisdeckel ja auch, dass die Förderung per Gießkanne in dem Fall kontraproduktiv ist. Aber in gewissen Bereichen reicht der Marktpreis als Regulator einfach nicht aus. Es wird einen Mix brauchen aus Anreizen, Ge- und Verboten. 
Ist das Heizschwammerl als besonders offensichtlicher Energieverschwender nicht eigentlich ein Symbol und wird auch als solches geächtet – und weniger wegen der tatsächlichen Einsparung?
Schellhorn
Es hat sicher einen hohen symbolischen Wert. Sinnvoll wäre die Maßnahme, wenn die profil-Leserinnen und -Leser dadurch angeregt würden, auch bei sich selbst zu sparen – und nicht nur die Hotellerie und Gastronomie in die Pflicht zu nehmen.
Duregger
Ich stimme zu, dass es eine stark symbolische Debatte ist. Weil es zeigt, wie verschwenderisch wir mit Energie umgehen. Weil Energie historisch immer so billig war. Ich bin durchaus erfreut, dass die hohen Strompreise manche Skigebiete dazu bewegen, ihre Sitzheizungen am Sessellift zu überdenken. Der Preisdruck ist ein Weckruf. Es geht nicht nur um Heizschwammerl. Die Energiekrise wird vorübergehen, aber die Klimakrise wird bleiben.
Schellhorn
Die Heizschwammerl sind eine Diskussionsgrundlage, die wahre Problematik liegt anderswo: bei der Transformation zu 100 Prozent erneuerbarer Energie. Und dazu braucht es dramatische Veränderungen beim Föderalismus, bei Raumordnung und auch beim Ortsbildschutz. Wir haben in Goldegg gerade ein neues Holzgebäude errichtet. Ich wollte auf dem Dach integrierte Photovoltaik-Panele anbringen – nicht erlaubt. Ortsbildschutz. Ich würde die Frau Ministerin bitten, hier durchzugreifen. Wir haben in Salzburg immer noch kein einziges Windrad. In gewisser Weise fühlt man sich als Wirt doch verarscht: Wir müssen es richten. Aber wo richtet es die Politik? 
Aus Ihrer eigenen politischen Erfahrung wissen Sie genau, dass der Föderalismus jede Klimakrise überdauern wird.
Schellhorn
Ich glaube aber an den Druck von Frau Duregger und Greenpeace und an das Bewusstsein nach diesem Sommer, dass ein Umdenken stattfinden muss. Wir müssen uns ändern, und wir müssen die Bundespolitik dazu bringen, dass sie sich mit den Landeshauptleuten zusammensetzt und sagt: Was können wir besser machen? Im Moment haben wir neun Landeshauptleute, die ein größeres Interesse an ihrer Wiederwahl haben als an der nächsten Generation. Kriege ich jetzt die Ehrenmitgliedschaft von Greenpeace?
Duregger
Na, so leicht geht das nicht. Ich stimme zu, dass der Föderalismus viele Hürden aufbaut. Aber er ist doch nur ein Teilaspekt. Jetzt müssen die großen Pflöcke eingeschlagen werden – was die Energieeffizienz betrifft, was erneuerbare Energien und nachhaltige Infrastruktur betrifft, und zwar in allen Bereichen. Das ist kein einfacher Prozess. Wir haben unseren gesamten Wohlstand auf fossile Energieträger aufgebaut. 
Schellhorn
Aber was ist jetzt der Vorschlag von Greenpeace, Anreize zu schaffen?
Duregger
Wir merken ja gerade, dass Preise einen starken Lenkungseffekt haben – und darum plädieren wir schon seit 30 Jahren für eine spürbare -Bepreisung. Was uns jetzt unfreiwillig passiert, war der Grundgedanke des CO2-Preises – leider ist der begleitende Klimabonus nicht gut ausgestaltet.
Schellhorn
So, und dann wird alles noch teurer. Ich kenne jetzt schon Leute, die sich ihre Energiekosten nicht mehr leisten können.
Duregger
Natürlich haben wir jetzt eine Ausnahmesituation.
Schellhorn
Diese Ausnahme wird uns noch drei Jahre begleiten.
Duregger
Deswegen müssen die sozialen Ausgleichsmaßnahmen für einkommensschwache Haushalte besser werden. Man kann aber nicht nur an einer Schraube drehen. Es ist schlichtweg absurd, wenn ein Flug immer noch billiger ist als das Zugticket für die gleiche Strecke – auch das ließe sich steuerlich verändern. Es wird einem immer noch schwer gemacht, klimafreundliche Entscheidungen in einem klimaschädlichen System zu treffen. 
Schellhorn
Ich halte das für eine elitäre Diskussion. Wir drei können uns vielleicht noch Urlaubsflüge leisten, aber es wird viele Haushalte geben, die sich die Heizung nicht mehr leisten können. Ich bin nicht gegen den CO2-Preis, aber ich habe echt Angst davor, dass auf der Ringstraße in Wien bald nicht nur die Schwurbler aufmarschieren, sondern auch jene, die sich das Leben nicht mehr leisten können. Man muss die Leute zuerst entlasten, dann kann man ihr Verhalten mit -Preisen steuern. 
Wenn die Leute ihre Heizkosten nicht mehr stemmen können – wer soll sich dann das Bier im beheizten Gastgarten noch leisten können? 
Schellhorn
Das Wirtshaus wird sterben, ganz einfach. Die Mitte bricht weg. Die Konsumschwäche schlägt jetzt richtig durch. Ich bin eigentlich kein Pessimist, aber ich sehe langsam wirklich schwarz. 
Kein Happy End in Sicht?
Schellhorn
Happy End gibt’s nur im amerikanischen Kino. Der europäische Film ist da viel dramatischer.  
Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.