Lukas Sustala
Cash&Clash

Sind die Streiks gerechtfertigt? Nein, sagt Lukas Sustala

Der wirtschaftsliberale Ökonom kritisiert die ÖBB-Streiks und die Forderungen der Bahngewerkschaft.

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Die Ziele bei den aktuellen Lohnverhandlungen sind klar: Angesichts der Rekordinflation geht es darum, Einbußen bei der Kaufkraft zu verhindern. Das ist wichtig und richtig. Das haben die traditionell mächtigen Metaller-Gewerkschaften geschafft, ebenso die Beamten und der Handel. Ganz ohne Streik. 

Anders sah es auf der Schiene aus. Ausgerechnet in der von der öffentlichen Hand, also von uns allen, finanzierten Bahnbranche war ein streikloser Kompromiss nicht möglich. Die Gewerkschaft hat ein Arbeitgeber-Angebot von durchschnittlich 8,4 Prozent Plus abgelehnt, das zusätzlich ein garantiertes Mindest-Plus von 200 Euro pro Monat und eine Einmalzahlung von 1000 Euro vorsah. Als Resultat hat ein ganztägiger Warnstreik den Bahnverkehr vollständig lahmgelegt. Dabei ist das Angebot der Arbeitgeberseite nicht nur auf den ersten Blick gut, sondern auch objektiv besser als jenes in der Metallbranche oder bei den Beamten. Der Bahngewerkschaft vida war es dennoch nicht genug. 

Deren Forderungen wirken überzogen, wenn man sich die Situation der Bahn ansieht. In der Metallbranche etwa schloss man im Durchschnitt mit einem Plus von 7,44 Prozent ab. Die Bahnbediensteten stehen mit ihrem Unternehmen aber anders als die Metaller nicht im Wettbewerb. Dass sie als Mitarbeiter der kritischen Infrastruktur de facto kündigungsgeschützt sind, mag man für einen so zentralen Betrieb als sinnvoll erachten. Irritierend ist allerdings, dass Lohnforderungen in einer wirtschaftlich äußerst volatilen Zeit gar nicht darauf eingehen, woher die Mittel dafür kommen sollen. Wenn die ÖBB sagt, dass sie sich die Forderungen ihrer Mitarbeiter nicht leisten kann, wird schnell klar, wer am Ende zur Kasse gebeten wird. Für die ÖBB bezahlen nicht nur die Pendler und Reisenden, sondern auch die Steuerzahler: Die ÖBB wird dauerhaft mit Budget-Milliarden unterstützt, selbst wenn volle Züge vor allem im Pendlerverkehr mittlerweile zum Alltag gehören.

Ob dieser objektiv schwierig begründbare Streik in einer staatsnahen Branche eine Zäsur in der Sozialpartnerschaft darstellt, wie manche argumentieren, ist noch offen. Klar ist, dass die sonst für ihre Besonnenheit gelobten Verhandler es diesmal eher mit Verbissenheit versuchen. Das ist auch gesamtwirtschaftlich kritisch. 

Heuer haben die Sozialpartner noch Rückenwind von der Wirtschaftspolitik: In Österreich wurde viel „Helikoptergeld“ mobilisiert, das auch Menschen mit gutem Einkommen unterstützt. Die von der Statistik Austria ausgewiesene Inflation ist höher als die Verhandlungsbasis der Lohnverhandlungen, weil die Teuerungsrate gerade in den letzten Monaten so stark gestiegen ist. Nächstes Jahr wird es genau anders herum sein: Dann wird die Verhandlungsbasis höher sein als die Inflation.

Dann wird auch der Gegenwind für die Wirtschaft deutlich stärker ausfallen. Die hohen Abschlüsse heuer und das Helikoptergeld werden die Inflation relativ hoch halten. Dass die Sozialpartner in diesem Umfeld jetzt schon so viel Porzellan zerschlagen, ist ziemlich kurzsichtig. 

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Anders als Lukas Sustala sieht es die Gründerin des Momentum Instituts, Barbara Blaha. Ihren Text können Sie hier lesen:

In "Cash & Clash" streitet die Gründerin des linken Momentum Instituts, Barbara Blaha, regelmäßig mit dem wirtschaftsliberalen Ökonomen, Lukas Sustala. Er leitet die Neos-Parteiakademie. Beide legen Wert darauf, parteiunabhängig zu argumentieren.

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