Streitschrift

Wiens Bildungsstadtrat Wiederkehr für Sommerschulpflicht: Zum Aufstieg verpflichtet

Neos-Politiker Christoph Wiederkehr fordert verpflichtende Sommerkurse für gefährdete Schüler. Eine Streitschrift.

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Gastbeitrag von Christoph Wiederkehr im profil-Format „streiten wir“
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Gerade nach den letzten Jahren, die durch die Corona-Pandemie, Lockdowns und Distance Learning geprägt waren, müssen wir darauf achten, dass kein Kind abgehängt wird. Als Bildungsstadtrat habe ich mich stets für sichere und offene Schulen eingesetzt. Das war deswegen so wichtig, weil Schülerinnen und Schüler sehr unterschiedlich mit Distance Learning zurechtkommen. Insbesondere bei jenen Kindern, die zu Hause nicht ausreichend Unterstützung erhalten, steht zu befürchten, dass sie ohne zusätzliche Angebote Schwierigkeiten haben, das Schuljahr positiv zu absolvieren  – beziehungsweise  aufgrund der Rückstände spätestens das folgende Schuljahr nicht positiv beenden werden können.

Viele Kinder werden von freiwilligen Angeboten wie der Sommerschule erreicht, manche jedoch nicht. Im Sinne der Chancen dieser Kinder muss es verpflichtende Sommerkurse für Schülerinnen und Schüler geben,  die sonst den Aufstieg aufgrund einer negativen Benotung nicht schaffen würden.

Die Vergangenheit hat oft gezeigt, dass bedauerlicherweise gerade Schülerinnen und Schüler, die besonders von zusätzlichen Unterstützungsangeboten profitieren würden, diese nicht in Anspruch nehmen. Mit ihrem Schwerpunkt unter anderem auf Deutsch und Mathematik findet die freiwillige Sommerschule zudem in den letzten beiden Augustwochen statt. Häufig verbringen Schülerinnen und Schüler im Sommer jedoch die kompletten neun Wochen an Sommerferien in der Heimat der Eltern, worunter die Deutschkenntnisse leiden. Daher braucht es neue Wege sowie den nötigen Mut und die Entschlossenheit, diese zu gehen. 

Einer dieser Wege führt über Sommerkurse. Österreichweit sind jährlich rund 4,5 % der Schülerinnen und Schüler nicht aufstiegsberechtigt. Weniger als die Hälfte wiederholt, jede und jeder vierte bricht die schulische Ausbildung ab. Wir müssen offen diskutieren, wie man gezielt jene Schülerinnen und Schüler mit Sommerkursen erreicht, die davon besonders profitieren würden – diese Unterstützungsangebote aber nicht von sich aus annehmen.

Für die Verpflichtung zu einer Teilnahme an Sommerkursen müsste der Nationalrat eine gesetzliche Grundlage schaffen. Es kann allerdings auch ausreichen, den bestehenden gesetzlichen Rahmen auszuschöpfen und das „Aufsteigen mit einem ‚Nicht genügend‘ gemäß § 25 Abs. 2SchUG“ als „zu erwartende positive Entwicklung des Leistungsbildes des Schülers“ zu werten. Das würde bedeuten, dass eine erfolgreiche Teilnahme den Aufstieg in die nächste Schulstufe ermöglicht: Verpflichte dich zur Teilnahme und schaffe damit den Aufstieg!

Auch integrationspolitisch wäre das eine enorm wichtige Maßnahme, und zwar langfristig, denn eine gute Schulausbildung ist die Startrampe in ein erfolgreiches Leben. Wird Kindern diese genommen, ist das nicht gerecht. Es kann nicht sein, dass nur privilegierte Kinder Nachhilfekurse über den Sommer in Anspruch nehmen.

Natürlich muss auch während des Schuljahres mehr getan werden, um alle Schülerinnen und Schüler zu unterstützen. Das österreichische Schulsystem gleicht sozioökonomische Nachteile nur unzureichend aus. Ein echter Meilenstein wäre es, Ressourcen endlich an die Herausforderungen in der jeweiligen Schule zu koppeln – also einen Chancenindex einzuführen. Zugleich muss die pädagogische Freiheit gestärkt werden.

In Wien geschieht bereits sehr viel, um mehr Chancengerechtigkeit herzustellen, etwa der Ausbau der Ganztagesschulen oder die Lernförderung. Die Covid-Förderstunden des Bundes waren ebenso eine sehr sinnvolle Maßnahme. Leider wurden die Covid-Förderstunden durch den Bund wieder gestrichen: Aus meiner Sicht ein großer Fehler!

Vernünftige Politik hat die Aufgabe, gemeinsam mit der nächsten Generation den Blick nach vorn zu richten. Wenn es um Zukunftschancen geht, hilft kein Blick nach rechts oder nach links. Es hilft keinem einzigen Kind, Probleme noch größer zu machen, ohne Lösungen parat zu haben – oder gar wegzuschauen.

Wenn wir es schaffen, mit diesen bindenden Angeboten Sprachdefizite und Lernrückstände in Kernfächern aufzuholen, leisten wir einen entscheidenden Beitrag für die Freiheit des einzelnen Kindes.

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