Wie ein serbischer Oligarch eine heimische Bank in die Dividendenkrise stürzt
Dass die Investoren der heimischen Addiko-Bank heuer keine Dividende bekommen, nehmen sie dem Co-Investor Alta Pay aus Serbien übel. Dieser liefert sich seit einem Jahr ein Katz-und- Maus-Spiel mit der EZB.
Dass es bei der Jahreshauptversammlung einer Bank keinen Tagesordnungspunkt „Dividende“ gibt, ist ungewöhnlich. Sehr sogar. So haben die Aktionärinnen und Aktionäre der in Wien angesiedelten Addiko-Bank am Karfreitag zwar die Entlastung des Vorstands beschlossen. Sie haben zwei neue Aufsichtsräte bestellt. Sie haben den Wirtschaftsprüfer fürs nächste Jahr gewählt und über fünf weitere Tagesordnungspunkte abgestimmt. Aber sie konnten keinen Beschluss über die Auszahlung einer Dividende fassen. Und das, obwohl das vorangegangene Geschäftsjahr eigentlich erfolgreich verlaufen ist. Das sorgte unter den Aktionärinnen und Aktionären – gelinde gesagt – für Unmut. Und es verdeutlicht einmal mehr die ungelösten Probleme der Addiko, was ihre Eigentümersituation betrifft.
Warum bezahlt eine österreichische Bank, die im Vorjahr ihre Gewinne noch einmal gesteigert hat, keinen einzigen Cent an ihre Aktionäre? Warum interessiert sich die Bankenaufsicht bis hinauf zur Europäischen Zentralbank (EZB) seit mittlerweile einem Jahr für ein verhältnismäßig kleines österreichisches Geldinstitut, das operativ in verschiedenen Balkan-Ländern tätig ist? Und was hat das alles mit einem serbischen Investor zu tun, der nicht nur die Finanzmarktaufsicht, sondern mittlerweile auch die anderen Shareholder gegen sich aufgebracht hat?
Als die Investorinnen und Investoren der Addiko-Bank am 18. April im Novitel Wien nahe dem Wiener Hauptbahnhof zusammenkommen, ist die Stimmung alles andere als gelöst und freundlich. Dabei hat die Addiko im Vorjahr ihren Gewinn um zehn Prozent auf 45,4 Millionen Euro gesteigert. Sie ist als Digitalbank in den rumänischen Markt eingestiegen, und der Aktienkurs ist, nach einem kurzen Einbruch vergangenen September, auch recht stabil. Alles in allem gibt es also wenig Anlass für Groll. Könnte man meinen.
„Eine Frechheit“
„Dass jetzt alle Aktionäre kollektiv bestraft werden und keine Dividende bekommen, wo es doch im Grunde um einen Aktionär geht, der Probleme macht, ist eine Frechheit!“, meint ein Investor, der lieber anonym bleiben möchte. Zum Hintergrund: Im Dezember hat die EZB der Bank empfohlen, keine Dividende für das Geschäftsjahr 2024 auszuzahlen. Anlass dieser Empfehlung ist die verworrene Eigentümerstruktur hinter der Bank, für welche die serbische Alta Pay Group verantwortlich gemacht wird.
Diese Empfehlung ist im Grunde rechtlich nicht bindend. Aber im Euro-Raum gibt es vermutlich keine Bank, die gegen die ausdrückliche Empfehlung der EZB handelt und das lange durchsteht. Und so bleiben die 23,3 Millionen an grundsätzlich ausschüttbarem Bilanzgewinn – das sind 1,21 Euro je Aktie – bis auf Weiteres in der Bank. „Wenn Empfehlungen der EZB nicht befolgt werden, kann dies harte Maßnahmen oder Auflagen zur Konsequenz haben. Diese sind weder im Sinne der Addiko noch ihrer Aktionäre. Vor diesem Hintergrund hat der Vorstand in Ausübung seiner Sorgfaltspflicht entschieden, der EZB-Empfehlung zu folgen, um einen Schaden von der Bank abzuwenden“, schreibt eine Addiko-Sprecherin auf Nachfrage.
„Dass jetzt alle Aktionäre kollektiv bestraft werden und keine Dividende bekommen, wo es doch im Grunde um einen Aktionär geht, der Probleme macht, ist eine Frechheit!“
Aus dem Umfeld der Investoren, anonym
Warum mischt sich aber die EZB so aktiv in die Dividendenpolitik einer heimischen Bank ein? Bei der Hauptversammlung waren auch Vertreter der Finanzmarktaufsicht (FMA) und der Österreichischen Investitionskontrolle anwesend, wie profil aus involvierten Kreisen erfuhr. Nun ist es nicht verboten oder gänzlich unüblich, dass die Bankenaufsicht Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen in Hauptversammlungen heimischer Banken schickt. Es kommt aber auch nicht gerade oft vor – und nur dann, wenn zumindest ein gesteigertes Interesse besteht. Aber der Reihe nach.
Addiko ging 2016 aus der zusammengebrochenen Kärntner Hypo Alpe Adria hervor. Deren Bad Bank „Heta Asset Resolution“ wurde mittlerweile abgewickelt. Aus dem gesunden, noch liquiden Teil der Bank entstand die Addiko-Bank, die eine österreichische Bankkonzession hat und an der Wiener Börse gelistet ist. Ihr Hauptgeschäft samt einem breiten Filialnetz betreibt sie aber in Slowenien, Kroatien, Serbien, Bosnien und Herzegowina sowie in Montenegro. Dort ist sie vor allem auf Konsumkredite spezialisiert. Mit einer Bilanzsumme von rund sechs Milliarden Euro ist sie außerdem groß genug, um direkt von der EZB beaufsichtigt zu werden.
Addiko gilt in der Bankenszene schon länger als Übernahmekandidat. Und so bekundeten im Vorjahr gleich drei Investoren ihr Interesse an der Balkan-Bank mit österreichischer Lizenz: die slowenische NLB, der serbische Zuckerbaron Miodrag Kostic und der serbische Unternehmer und Alta-Pay-Eigentümer Davor Macura. profil berichtete ausführlich.
NLB und Unternehmer Kostic scheiterten mit ihren Übernahmeangeboten im Sommer des Vorjahres. Die slowenische Bank wollte etwa 75 Prozent der Addiko-Anteile erwerben. Das gelang aber deshalb nicht, weil Addiko-Investor Davor Macura damals nicht bereit war, Anteile zu verkaufen.
Alta Pay besitzt derzeit 9,63 Prozent der Addiko. Zusätzlich hält die Gruppe über Optionen 19,96 Prozent der Bank in ihrem Wirkungsbereich. Über diese sogenannten aufschiebend bedingten Kaufverträge erstreckt sich ihr Einfluss somit auf rund 30 Prozent der Addiko-Anteile. Übernahmen ab zehn Prozent muss die Bankenaufsicht aber erst genehmigen. Deshalb hat Alta Pay im Vorjahr einen Antrag auf Nichtuntersagung des Erwerbs einer Beteiligung bei der zuständigen Finanzmarktaufsicht eingebracht, diesen allerdings dann wieder zurückgezogen.
Die Addiko-Bank ging aus der ehemaligen Hypo Alpe Adria hervor. Die Bad Bank "Heta Asset Resolutions" wurde abgewickelt. Das "gesunde" Balkangeschäft betreibt heute Addiko.
Wer die Kontrolle über eine österreichische oder ganz generell über eine EU-Bank erwirbt, muss ein Eigentümer-Kontrollverfahren durchlaufen. Man muss etwa nachweisen, aus welchen Quellen das Geld für die Übernahme stammt. Und ob man selbst liquide genug ist und im Krisenfall imstande wäre, zusätzliches Kapital für die Bank bereitzustellen.
Auf Nachfrage zum gesteigerten Interesse der Aufsicht an der Addiko schreibt die FMA: „Die Addiko unterliegt der direkten Aufsicht der EZB. Zur laufenden Aufsicht über Einzelbanken äußert sich die FMA grundsätzlich nicht.“ Auch die EZB wollte sich auf Anfrage dazu nicht äußern.
Warum zieht aber ein Investor, der augenscheinlich Interesse an dieser Bank hat, den Genehmigungsantrag zurück? Diese konkrete Frage und zahlreiche weitere ließ Alta Pay auf profil-Nachfrage unbeantwortet. „Wie bei allen bisherigen Prozessen und Aktivitäten wird die Alta Group alle beteiligten Parteien und die Öffentlichkeit über die aktuellen Schritte soweit erforderlich informieren und dabei transparent und in Übereinstimmung mit allen Vorschriften der jeweiligen Aufsichtsbehörden und Gesetze handeln“, schrieb der zuständige Anwalt Markus Fellner an profil. Und weiter: „Aufgrund der Sensibilität der Informationen und der Tatsache, dass die Addiko Bank AG ein börsennotiertes Unternehmen ist, kann die Alta Group derzeit jedoch keine weiteren Informationen veröffentlichen.“
Die knapp mehr als 19 Prozent hält Alta Pay über Optionen, die sie von der heimischen Immobilienfirma Jelitzka und Partner, vom Immobilienentwickler Winegg und von zwei Stiftungen erworben hat. Über diese Anteile würde Alta Pay aber erst vollumfänglich verfügen, wenn die FMA den Erwerb genehmigt. Nun läuft die Optionsvereinbarung Ende Juni dieses Jahres aus. Was danach passiert, ist derzeit völlig offen. Und im Grunde eine „Patt-Situation“, wie es in Aufsichts- und Investorenkreisen heißt.
Von der Wechselstube in die Bank
Macura wurde ursprünglich mit Wechselstuben reich. 2008 gründete er Alta Pay. Die Gruppe bietet Finanzdienstleistungen wie Goldhandel, Mikrokredite oder andere Geldtransfer-Dienstleistungen an. Alta Pay wuchs schnell. 2023 betrug der Umsatz 12,5 Millionen Euro und der erwirtschaftete Gewinn 3,4 Millionen Euro. Im Vergleich zur Addiko ist Alta Pay aber verhältnismäßig klein. Macura wird in der Belgrader Geschäftswelt jedenfalls ein sehr gutes Verhältnis zur serbischen Politik nachgesagt. Er gilt dort als einflussreicher Oligarch.
Es ist kein Geheimnis, dass die EZB einen Investor aus dem Euro-Raum präferieren würde, wenn dieser über die kritische, genehmigungspflichtige Schwelle hinaus Anteile an einer EU-Bank erwirbt und damit eine gewisse wirtschaftliche Machtposition einnimmt. Serbische Institute unterliegen nicht der europäischen Bankenaufsicht. Serbien beteiligt sich nicht an den EU-Sanktionen gegen Russland, weshalb serbische Banken nach wie vor Kapitaltransaktionen zwischen Russland und Serbien durchführen.
Hinzu kommen der zurückgezogene Übernahmeantrag und die teilweise unübersichtliche Bewegung von Aktienanteilen anderer serbischer Investoren. Nach viel Verwirrung um die genauen Beteiligungsverhältnisse im Frühling 2024 hatte die Europäische Zentralbank (EZB) die Stimmrechte der Alta Pay und der Diplomat Pay, die damals 9,99 Prozent der Addiko-Aktien hielt, ruhend gestellt. Die Aufsicht unterstellte damals beiden Firmen eine Verbindung zueinander; diese hätten es unterlassen, der Finanzmarktaufsicht (FMA) die gemeinsame qualifizierte Mehrheit bekannt zu geben. Nachdem Diplomat seine Anteile an die heimische C-Quadrat rund um den Investor Alexander Schütz verkauft hatte, gab die EZB die Stimmrechte der Alta Pay wieder frei. Wie profil aus Aufsichtskreisen erfuhr, haben im vergangenen Jahr auch andere serbische Investoren Kleinstanteile an Addiko erworben, die aber nicht unbedingt mit der Alta-Gruppe von Macura in Verbindung stehen müssen.
"Wenn es um die Weiterentwicklung der Bank geht, ist die serbische Investorengruppe mit einem solchen Auftritt beim Regulator jedenfalls ein Hindernis."
Florian Beckermann vom Interessensverband für Anleger
Diese Gemengelage wirkt jedenfalls auf die Aufsicht und auf weitere Investoren nicht unbedingt vertrauensstiftend. „Wenn es um die Weiterentwicklung der Bank geht, ist die serbische Investorengruppe mit einem solchen Auftritt beim Regulator jedenfalls ein Hindernis“, sagt Florian Beckermann vom Interessensverband für Anleger, der selbst eine Reihe von Fragen an den Vorstand im Novitel richtet. „Ein konservativer Investor will hier nicht anstreifen. Im Zweifel packt er seine Koffer und geht bei solchen Nachrichten.“
Noch lässt sich der serbische Investor jedenfalls nicht in die Karten blicken, was er mit Addiko vorhat. Gegenüber den Aufsichtsbehörden soll Macura – wie profil erfuhr – immer wieder erklärt haben, die Addiko-Anteile verkaufen zu wollen. Das könnte theoretisch Ende Juni passieren, wenn die Kaufoptionen mit den heimischen Investoren auslaufen, für deren Ausübung ja keine FMA-Genehmigung vorliegt. Man könnte dann diese Anteile zurückgeben. Oder neue Käufer vorschlagen. Im Gespräch ist auch, ob Alta Pay die Addiko-Tochterbanken, die in Nicht-EU-Ländern firmieren, übernehmen könnte. Kommentiert wird das von Alta aber nicht.
Oder aber man verhandelt eine Verlängerung mit den Verkäufern und spielt noch eine Weile auf Zeit. Solange die offenen Fragen in der Eigentümerstruktur der heimischen Bank nicht geklärt sind, wird die EZB aber ihre Dividenden-Empfehlung wohl nicht zurücknehmen. Der serbische Investor Davor Macura lässt sich im Übernahmepoker trotzdem nicht in die Karten blicken.