Von Österreichern, die im Eldorado der IT-Branche ihr Glück versuchen

Das Digi-Tal: Österreicher im Silicon Valley

Silicon Valley. Das Digi-Tal

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Auch eine noch so innovative Idee kann schnell in eine Sackgasse führen. Diese frustrierende Erfahrung musste der Kärntner Andreas Röttl vor einem Jahr machen. 2013 gründete er mit seiner Freundin und einem Kumpel mit dem eigenen Ersparten das Start-up Journi. Ursprünglich war geplant, eine Site zu entwickeln, auf der jeder seine Reiseerlebnisse und Tipps teilen kann, um eine Art Gemeinschaftsreiseführer zu erstellen. Doch das Angebot kam nicht an. Das Team warf das ganze Konzept über den Haufen und entwickelte eine benutzerfreundliche Reiseblog-Plattform, die binnen sechs Monaten von 20.000 Usern benutzt wurde. Doch der Auf- und Ausbau eines Unternehmens kostet Geld.

Wirtschaftskammer-Initiative "Go Silicon Valley"
Also verfügten Röttl und Partner sich ins kalifornische Silicon Valley, um das Projekt potenziellen Geldgebern vorzustellen. Und zwar mithilfe der Wirtschaftskammer Österreich, deren Initiative "Go Silicon Valley“ seit 2009 versucht, österreichische Ideen mit US-Venture-Kapital zu verlinken, wobei die Wirtschaftskammer die Reise- und Aufenthaltskosten übernimmt. Drei Monate hielten sich die Jungunternehmer in Nordkalifornien auf - und kehrten letztlich doch mit leeren Händen zurück. "Wir haben über Airbnb ein Zwei-Zimmer-Apartment gemietet, in dem wir zu sechst gelebt und gearbeitet haben. Das war eine dementsprechende Herausforderung“, erzählt Röttl mit Blick auf die Mieten im Norden Kaliforniens. Obwohl sie grundsätzlich positives Feedback auf ihr Produkt bekamen und sogar der Apple-Store die Journi-App empfahl, waren die drei Monate letztlich zu kurz, um einen Investor zu finden.

Röttls Resümee nach dem US-Trip: "Kaum etwas von dem, was ich während meines Wirtschaftsstudiums in Wien gelernt habe, hat mir genutzt. Vieles war einfach nicht mehr zeitgemäß.“

Die Geschichte von Journi wiederholt sich im Silicon Valley ständig. Immer mehr junge Menschen drängen in das Tal und arbeiten unermüdlich an ihrem - letztlich zumeist unerfüllten - Traum, eines Tages so erfolgreich wie Steve Jobs oder Mark Zuckerberg zu sein. Unter den Glücksrittern finden sich auch immer mehr junge Österreicher. Seit 2009 durchliefen 61 österreichische Start-ups das Förderprogramm der Wirtschaftskammer - die Erfolgsquote war bisher überschaubar. In gerade einmal vier Fällen kam es zu sogenannten Exits, was heißt, dass ein Investor gefunden oder gleich das ganze Unternehmen verkauft werden konnte.

"Österreicher hinken Amerikanern weit hinterher"
Warum scheitern jedoch so viele? Der Unternehmer Mario Herger, seit 13 Jahren im Valley etabliert, erlebt immer wieder, wie mangelhaft junge österreichische Firmengründer bisweilen vorbereitet sind: "Investoren bekommen hier unendlich viele Präsentationen, sogenannte Pitches, zu sehen. Neben einem guten Produkt sind daher auch die Soft Skills wie Rhetorik, Small Talk und Storytelling wichtig. Doch in diesem Bereich hinken wir Österreichern den Amerikanern weit hinterher.“ Zudem würde Österreich zu wenige exzellente Informatiker und Techniker abwerfen. Dieses Dilemma ist längst bekannt, das Wissenschaftsministerium startete 2010 eine Kampagne, um mehr Studienanfänger und darunter insbesondere Frauen für die sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) zu begeistern. Mit der Neustrukturierung des Ministeriums schlief auch diese Initiative ein. Dabei ist das Bildungsdilemma längst messbar: Bei der jüngsten Eurobarometer-Umfrage gaben 90 Prozent der befragten Österreicher an, dass sie sich gar nicht für wissenschaftliche und technologische Entwicklungen interessieren. In Schweden halten nur 20 Prozent diese Bereiche für irrelevant. Trotzdem will Herger Start-up-Gründer ermutigen, ihr Glück im Valley zu versuchen. Obwohl durch das Programm der Wirtschaftskammer immer mehr kommen, sind es seiner Meinung nach noch viel zu wenige - im Moment halten sich nur zwölf bis 20 im IT-Eldorado auf. Herger würde sich weiters wünschen, dass auch immer mehr Großunternehmer hier ihre Zelte aufschlagen, da es am Innovationsbrennpunkt viel zu lernen gilt. "Am Beispiel von israelischen und ungarischen Firmen sehen wir, dass der Heimatstandort automatisch mitwächst, wenn die Firma in den USA erfolgreich ist. Hier wird Know-how transferiert“, erklärt Herger, der das Innovation Center Europe Silicon Valley leitet, das österreichischen Firmen zu Geschäftsbeziehungen verhilft.

Wer nicht die Entwicklungen des Silicon Valley vor Ort mitverfolgt, kann schnell den Anschluss verlieren, was sich letztendlich auch auf den Wirtschaftsstandort Österreich generell niederschlagen kann. Diese Meinung teilt auch der österreichische Investor Markus Wagner, dem etwas gelang, von dem viele hier träumen: Er konnte sein IT-Unternehmen im Jahr 2006 um 60 Millionen Dollar verkaufen und fungiert seither als sogenannter Business Angel mit seiner Firma i5invest.com. Der "Mark Zuckerberg von Österreich“ ist jedoch nicht nur Geldgeber, er berät auch Start-ups, hilft ihnen bei der Mitarbeitersuche oder beim Netzwerken. Auch er würde sich wünschen, dass mehr Österreicher nach Kalifornien kommen - denn wer Erfolg hat, kann als Business Angel der nächsten Generation von Start-ups unter die Arme greifen. "Österreich kann vielleicht kein Global Player werden, aber führend in manchen IT-Nischen“, so Wagner, der eben erst ein neues Unternehmen in Mountain View im Herzen von Silicon Valley gegründet hat - was in Österreich mitunter Monate in Anspruch nehme. Österreichs Wirtschaft müsse sich seiner Meinung nach dringend diesem Tempo anpassen, auch sollten manche Investoren mehr Risiko wagen. Doch auch er sieht ein, dass diese nicht jene Summen aufstellen können, die es in den USA zu holen gibt.

Start-ups mit absurden Summen
Unterdessen machen sich Silicon-Valley-Experten ganz andere Sorgen: Sie glauben, dass hier die nächste Blase platzen könnte. Zu viele Start-ups würden mit absurden Summen bewertet werden, obwohl sie keinen Cent wert seien, wie die Plattform twitch.tv, auf der nur Gamer zu sehen sind, die sich den ganzen Tag beim Zocken filmen. Wert: 1 Millarde Dollar.

Trotz dieser düsteren Prophezeiungen wollen sich die Zwillingsbrüder Christian und Stephan Kletzl nicht unterkriegen lassen. Die beiden wollen mit dem Konzept "ShelfFlip“ den Handel mit gebrauchten Produkten vereinfachen. Im Moment arbeiten sie fieberhaft an einer ersten Version, die sie in einem Monat an US-Studenten testen wollen, da diese oft teure Lehrbücher gebraucht kaufen und verkaufen. Ihr Büro in San Francisco befindet sich in einem Gebäude des Spieleherstellers Zynga, der unter anderem das Facebook-Spiel "FarmVille“ entwickelte. Im Foyer stehen unzählige Spielkonsolen, Wuzzel- und Tischtennistische herum. Für derartigen Zeitvertreib haben die Brüder jedoch keine Zeit: "Wir halten uns an das berühmte Mantra, das besagt, dass speziell in der Wachstumsphase nur vier Dinge gemacht werden sollten: Programmieren, mit Usern sprechen, Schlafen und Trainieren.“

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