Förderbank EBRD will Massentierhalter in Weißrussland finanzieren

Die auch von österreichischem Steuergeld getragene Förderbank EBRD schickt sich an, einen Massentierhalter in Weißrussland zu finanzieren. Dieser verletzt jedoch die bankeigenen Tierschutz-Richtlinien.

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47 Tage - bis sie ein Lebendgewicht von etwa drei Kilogramm erreichen. 47 Tage - bis aus gelben flauschigen Bällchen ausgewachsene Hühner werden. Ein kurzes Leben, in dem die Vögel kein Tageslicht sehen. Dafür ist für konstant angenehme Temperaturen sowie für Futter und Wasser in Schnabelweite gesorgt. Ein Leben, in dem es die Tiere ein bisschen beengt haben: Gehalten in mehrstöckigen Käfigreihen, auf Kunststoffgittern stehend. Am Ende ihrer Lebensspanne wird den Hühnern der Boden unter den Füßen weggezogen, wodurch sie auf das darunterliegende Kot-Förderband fallen. So werden sie zu den Schlachttransportern befördert. Eine hochmoderne, auf Effizienz getrimmte Tierfabrik. Zu finden etwa in Weißrussland.

Es hat sich einiges getan: Weder in Österreich noch innerhalb der Europäischen Union sind solche Tierhalteanlagen erlaubt. Österreich stieg 2009 als erstes Land aus der Käfighaltung von Hühnern aus. Seit 2012 ist sie EU-weit verboten. Auf Druck kritischer Konsumenten und Nichtregierungsorganisationen, die Produktionsbedingungen immer stärker hinterfragen, hat die EU den Tierschutz in der Nutztierhaltung generell verschärft.

Andererseits finanzieren und subventionieren EU-Staaten und internationale Finanzorganisationen Tierfabriken außerhalb der Grenzen der Union. Mit öffentlichen Geldern in Millionenhöhe. In Anlagen, die in der EU aufgrund der relativ hohen Tierschutzstandards verboten wären (profil berichtete, Nr. 39/15).

Allein die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) soll in der Vergangenheit für solche Projekte Investitionsmittel von über 200 Millionen Euro zur Verfügung gestellt haben, wie ein Bericht eines NGO-Bündnisses - bestehend aus der Humane Society International (HSI), Vier Pfoten und Compassion in World Farming - enthüllte. Die Bank wurde 1990 gegründet, um den Wandel der Ex-Sowjetstaaten in Richtung Marktwirtschaft und Demokratie zu fördern.

"Damit wird Tierleid exportiert"

"Es ist schwer erklärbar, wenn internationale Finanzinstitutionen Gelder aus der EU für Tierhaltungsanlagen, die nicht EU-Standards erfüllen, bereitstellen. Damit wird Tierleid exportiert und die Landwirtschaft in der EU und auch in Österreich durch die Wettbewerbsverzerrung geschädigt“, sagt Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter gegenüber profil.

Dabei galt die EBRD zuletzt sogar Tierschützern als Role Model. Entschied sie sich doch als erste internationale Finanzinstitution weltweit, den Aspekt des Tierwohls in ihrer Investmentpraxis zu berücksichtigen. Seit November 2014 müssen alle Projekte, die von der EBRD Kapital erhalten und die Nutztierhalteanlagen betreffen, die EU-Richtlinien erfüllen.

Umso erstaunlicher, dass sie sich aktuell anschickt, die Unternehmensgruppe Servolux zu finanzieren. Diese ist der größte private Hühnermastbetrieb Weißrusslands, betreibt Schweinezucht und ist in der Fleisch- und Milchverarbeitung sowie in der Futtermittelerzeugung tätig. Dabei verstößt sie jedoch eklatant gegen EU-Standards. Eingangs beschriebene Hühnermast ist eine von neun Servolux-Anlagen, in denen die Tiere in Käfigen gehalten werden. Eine weitere baugleiche Anlage mit einer Kapazität von jährlich rund 380.000 Hühnern wird derzeit errichtet. Und die EBRD erwägt die Vergabe eines 25-Millionen-Euro-Darlehens zur "Moderniserung von Anlagen“ und "Bilanzrestrukturierung“. "Wir nehmen Tierhaltung sehr ernst. Alle Projekte, die wir in diesem Zusammenhang unterstützen, müssen entweder unsere Richtlinien erfüllen oder einem Plan zu ihrer Einhaltung folgen“, erklärt ein Sprecher der EBRD in einer Stellungnahme gegenüber profil.

Mehrstufiges Prüfverfahren

Tatsächlich durchläuft jedes von der Bank geförderte Projekt ein mehrstufiges Prüfverfahren. Im Falle von Servolux scheint dies schon weiter fortgeschritten zu sein: Nur wenige Punkte müssten noch verbessert werden, um im Einklang mit den EBRD-Richtlinien zu stehen, heißt es auf der Website.

"Sollte Servolux tatsächlich in den Genuss der EBRD-Mittel kommen, wäre das höchst skandalös. Öffentliche Mittel sollten dazu beitragen, dass der Agrarsektor in Schwellenländern höhere Tierschutzstandards erreicht“, sagt Nicolas Entrup, Konsulent der HSI.

Aus dem für Finanzinstitutionen zuständigen Finanzministerium ist man indes davon überzeugt, dass die Bank kein Projekt genehmigen würde, welches der EU-Policy widerspricht. Zudem sei es ohnehin nicht Gegenstand einer österreichischen Kofinanzierung, so ein Sprecher. Doch Österreich hält einen Anteil von 2,28 Prozent an der EBRD. Damit wird das Projekt indirekt sehr wohl aus Geldern österreichischer Steuerzahler gespeist.

"In der Strategie des österreichischen Finanzministeriums gegenüber den internationalen Finanzinstitutionen ist klar vorgesehen, dass die Tierhaltungskriterien den europäischen Standards entsprechen müssen“, erklärt Landwirtschaftsminister Rupprechter. Er werde sich auch auf europäischer Ebene dafür einsetzen und das Thema im nächsten Agrarministerrat einbringen.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).