„Der Antrag ist jetzt eingebracht, wahrscheinlich wird nächste Woche vom Gericht ein Verfahren eröffnet“, erklärt Klaus Schaller vom Kreditschutzverband von 1870. Wird tatsächlich ein Insolvenzverfahren eröffnet, können Gläubiger ihre Forderungen gegenüber Grasser anmelden. Der größte davon wäre wohl die Republik Österreich.
Karl-Heinz Grasser, sein Trauzeuge Walter Meischberger, Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics und ein ebenfalls im Buwog-Verfahren verurteilter ehemaliger Banker müssen Schadenersatz in der Höhe von 9,8 Millionen Euro leisten. Die Summe wird rückwirkend seit 2017 mit vier Prozent pro Jahr verzinst – macht insgesamt rund 13 Millionen Euro.
Wieviel davon bei den vier Männern zu holen sein wird, ist unklar. Karl Petrikovics hat im Rahmen einer früheren Verurteilung bereits einmal elf Millionen Euro an „Wiedergutmachung“ geleistet. Walter Meischberger musste für eine Finanzstrafe (er hatte die Buwog-Schmiergelder nicht versteuert) bereits sein Haus verpfänden. Im Jahr 2023 hat er zudem bereits ein Konkursverfahren hinter sich gebracht. Und Grasser? Der muss seinen Gläubigern im Rahmen eines Insolvenzverfahrens einen Zahlungsplan anbieten. Diese können sich mit der gebotenen Summe – in der Regel ein Bruchteil der Forderungen – zufriedengeben und dem Zahlungsplan zustimmen. Lehnen sie ab, dann wird ein Abschöpfungsverfahren durchgeführt und über drei Jahre das Einkommen Grassers gepfändet. Fällt das mit seinem Gefängnisaufenthalt zusammen, wäre das wahrscheinlich nicht besonders viel. Allerdings: Schulden aus vorsätzlich begangenen Straftaten werden bei einem Abschöpfungsverfahren nicht getilgt. Grasser würde die Schadenersatzforderungen also nicht loswerden.
In jedem Fall muss der Ex-Finanzminister einem Insolvenzverwalter sämtliche Vermögenswerte offenlegen. Wieviel das ist, weiß man nicht, vor Gericht hat Grasser dazu keine Angaben gemacht. Das Haus in Kitzbühel war laut Kaufvertrag im Jahr 2017 zwar rund 11,8 Millionen Euro wert, es gehört allerdings Grassers Frau. Fiona Pacifico Griffini-Grasser entstammt der Kristalldynastie Swarovski. Ihr Vermögen ist von Grassers Insolvenz nicht betroffen. In Österreich gilt das Prinzip der Gütertrennung: Eheleute haften nicht für die Schulden ihres Partners.
„Der Insolvenzverwalter hat die Verpflichtung nachzuschauen, ob es etwas gibt“, sagt Klaus Schaller vom Kreditschutzverband. Der Insolvenzverwalter könnte auch Nachforschungen anstellen, ob beispielsweise Gelder im Ausland versteckt worden sind. „Dafür bräuchte er allerdings finanzielle Mittel. Er müsste dann die Gläubiger fragen, ob sie die Suche nach dem Geld finanzieren“, so Schaller.
Wolfgang Peschorn, der als Präsident der Finanzprokuratur die Interessen der Republik vertritt, wollte sich auf profil-Anfrage zu Grassers Insolvenzantrag nicht äußern. Die Sachlage ist für Peschorn nicht ganz neu: Bei der Milliardenpleite von René Benkos Immobilienimperium Signa hatte die Finanzprokuratur selbst Konkursanträge gestellt, um die Frage nach etwaigen Vermögenswerten im Einflussbereich von René Benko gerichtlich klären zu lassen.
Mit dem bevorstehende Konkursverfahren wäre die Buwog-Skandalchronik um ein weiteres Kapitel reicher. Seit mittlerweile mehr als 20 Jahren beschäftigt der Kriminalfall rund um die Privatisierung von 60.000 Bundeswohnungen Österreich.
Die Vorgeschichte
Karl-Heinz Grasser wurde vom damaligen FPÖ-Chef Jörg Haider in der ersten Auflage von Schwarz-Blau als Finanzminister im Jahr 2000 in die Bundesregierung nominiert. Der junge Mann aus Kärnten mit dem selbstbewussten Auftreten hatte sich die Sanierung des Staatshaushaltes, ein „Ende der Schuldenpolitik“ auf die Fahnen geschrieben. „Ein guter Tag beginnt mit einem sanierten Budget“, hatte Grasser bei seiner ersten Budgetrede verkündet. Das Image als „Mister Nulldefizit“ pflegte er ausgiebig und erteilte auch dem großen Nachbarn in deutschen Talk-Shows gerne und oft Lektionen in sparsamer Haushaltsführung. Für Karl-Heinz Grasser bedeutete das vor allem auch, Einnahmen durch den Verkauf von Vermögen der Republik Österreich zu generieren. In seine Amtszeit von 2000 bis 2007 verkaufte er Staatsanteile an (unter anderem) Post, Telekom Austria, Austria Tabak, Dorotheum und Voestalpine. Immer wieder dienten sich Grassers Freunde Walter Meischberger und Peter Hochegger im Vorfeld solcher Privatisierungen Kaufinteressenten als „Berater“ und „Lobbyisten“ an und wurden dafür auch großzügig entlohnt. So auch beim Verkauf der Bundeswohnungen im Jahr 2004: Meischberger und Hochegger hatten dem „Österreich-Konsortium“ rund um Immofinanz und Raiffeisenlandesbank Oberösterreich die Gebotshöhe des einzigen Konkurrenten CA Immo von 960 Millionen Euro durchgesteckt. Der Tipp lohnte sich: Immofinanz und Co erhielten für 961,2 Millionen Euro den Zuschlag. Und die Tippgeber 9,6 Millionen Euro „Erfolgsprovision“.
Die Schadenersatzforderung der Republik Österreich von 9,8 Millionen (plus Zinsen) gegen Grasser und die anderen Verurteilten setzt sich aus den 9,6 Millionen Buwog-Schmiergeld und weiteren 200.000 Euro zusammen, die als Schmiergeld im Gegenzug für die Einmietung von Teilen der Finanzbehörde in das Linzer Immobilienprojekt „Terminal Tower“ geflossen sind. Auch in der Causa Terminal Tower sind Grasser und Meischberger verurteilt worden.
Einen Teil des Geldes konnten die Ermittlungsbehörden in Liechtenstein sicherstellen. Zum Zeitpunkt der Anklage im Buwog-Verfahren lagen dort rund 1,8 Millionen Euro auf Bankkonten, dazu noch Aktien im Wert von ein paar Hunderttausend Euro.
Dass die Buwog-Affäre im Jahr 2009 aufgeflogen ist, liegt an einer Reihe von Zufällen. Die Immofinanz-Gruppe geriet im Zuge der Finanzkrise in eine wirtschaftliche Schieflage, wegen des Verdachtes auf Kursmanipulation der Immofinanz-Aktien wurden Ermittlungen aufgenommen. Und bei einer Hausdurchsuchung fanden die Ermittler schließlich die Überweisungsbelege für die Buwog-Provisionen, die in kleinen Tranchen und unter falschen Rechnungstiteln nach Zypern und von dort über Umwege weiter nach Liechtenstein überwiesen worden waren.
Von da an dauerte es sieben Jahre, bis die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Anklage erhob, von 2017 bis 2020 dauerte die Verhandlung vor dem Landesgericht für Strafsachen in Wien. Die Schuldsprüche wurden weitere fünf Jahre später durch den Obersten Gerichtshof bestätigt, aber eben wegen der langen Verfahrensdauer reduziert.
Das letzte Wort im Buwog Verfahren erstreckt sich über 212 Seiten. So lange ist das Urteil, das der Oberste Gerichtshof am Montag elektronisch verschickt hat. Darin bestätigten die Höchstrichter die Verurteilung von Karl-Heinz Grasser, Walter Meischberger, Peter Hochegger und mehrere weitere Angeklagte aus der ersten Instanz. „Die in der unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer gelegene Grundrechtsverletzung erkennt der Oberste Gerichtshof hinsichtlich aller Angeklagten an und gleicht sie in Form einer ausdrücklichen und messbaren Reduktion des – im Folgenden jeweils für angemessen erachteten Strafmaßes – um jeweils rund ein Drittel aus“, heißt es in dem Urteil, das profil vorliegt. Das bedeutet für Grasser immerhin noch vier Jahre, für Meischberger dreieinhalb Jahre und für Hochegger drei Jahre Haft.
Wann die Männer ihre Strafe antreten werden, ist noch nicht klar. „Karl-Heinz Grasser hat noch keine Aufforderung zum Haftantritt bekommen“, erklärt dessen Anwalt Manfred Ainedter auf profil-Anfrage. Und: „Die Zahlungsaufforderung durch die Republik Österreich auch noch nicht.“*
*Anmerkung: Inzwischen hat das Landesgericht für Strafsachen die Aufforderung zum Haftantritt verschickt. Die Verurteilten müssen sich innerhalb eines Monats in der Justizanstalt einfinden.