„Das hätte ich auch nicht zugelassen“, sagt Georg Malojer. Er war damals mit der begleitenden Kontrolle des MCI-Projekts beauftragt. Malojer ist ein alter Hase im Geschäft, blickt auf mehr als 40 Jahre Berufserfahrung im Baumanagement zurück und hat mit namhaften Architekten wie Zaha Hadid und Jean Nouvel zusammengearbeitet. Von der Zusammenarbeit mit Loudon, Habeler & Kirchweger schwärmt er bis heute. „Architekten, die derart kooperativ und offen für Verbesserungsvorschläge sind, habe ich selten erlebt“, so Malojer. Wann immer er sinnvolle Möglichkeiten zur Kostenreduktion aufgezeigt habe, wären sie innerhalb kürzester Zeit in die Planungen aufgenommen worden. Und dennoch verkündete der zuständige Landesrat Johannes Tratter (ÖVP) im Sommer 2018 überraschend, dass das Projekt wegen einer angeblichen Kostensteigerung von 70 Prozent abgebrochen wird. Kurioserweise erklärte die Opposition beinahe geschlossen, dass die Projektkosten völlig nachvollziehbar seien, und sprach sich gegen den Abbruch aus.
Möglicherweise hatte die Entscheidung auch mit Johannes Tratters persönlichen Ambitionen zu tun. Er galt als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge von Landeshauptmann Platter und hatte gerade erst aus nächster Nähe beobachten können, wie schnell eine politische Karriere wegen eines Prestigeprojektes enden kann. Der Neubau der Gondelbahn auf den Innsbrucker Hausberg Patscherkofel war das beherrschende Thema der Gemeinderatswahl 2018 in der Landeshauptstadt. Ein Föhnsturm der Empörung über die Kostenexplosion hatte Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer aus dem Amt gefegt.
Die rechtliche Grundlage für den Ausstieg aus dem MCI-Projekt lieferte der Innsbrucker Advokat Herbert Schöpf, der mit der juristischen Begleitung des Projektes betraut war. „Er hat massiv dazu beigetragen, dass das Projekt fällt“, erinnert sich Baumanager Malojer. Schöpf behauptete, die Architekten selbst hätten durch Mängel in der Planung eine Kostenüberschreitung verursacht und kündigte eine Klage gegen die Planer an, die aber nie eingebracht wurde. Im Gegenteil: Als die Architekten später die ausstehenden Honorare einklagten, zahlte das Land Tirol eine halbe Million Euro im Rahmen eines Vergleichs, den Anwalt Schöpf gleich am ersten Verhandlungstag vorgeschlagen hatte.
Dass er das MCI-Projekt mutwillig zu Fall gebracht hat, bestreitet der Anwalt gegenüber profil. „Das sind böswillige Diffamierungen, mit denen seit Jahren gegen mich gearbeitet wird“, so Schöpf. Ihm sei rechtlich gar nichts anderes übrig geblieben, um das Land vor einem weiteren finanziellen Schaden zu bewahren.
Dominik Oberhofer sieht das anders. Der Neos-Abgeordnete war bis zu seinem Einzug in den Nationalrat 2024 Klubobmann im Tiroler Landtag und beobachtet das MCI-Projekt schon seit Jahren kritisch. „Herbert Schöpf ist der einzige Profiteur in der ganzen Causa. Alle im Landtag waren schon damals irritiert, wie vehement Schöpf gegen die Architekten gearbeitet hat, mit denen er eigentlich gemeinsam einen Auftrag des Landes umsetzen hätte sollen“, sagt Oberhofer. Aber inwiefern hat Anwalt Schöpf selbst profitiert?
Der Neustart
Der Advokat überzeugte das Land, ein gänzlich neues Vergabeverfahren zu starten. Herbert Schöpf werden besonders gute persönliche Kontakte zu einer Reihe von einflussreichen Männern in Tirol nachgesagt: Johannes Tratter, der bis zu seinem Ausscheiden aus der Regierung im Jahr 2022 als Wohnbaulandesrat politisch für das Projekt zuständig war, und Landesamtsdirektor Herbert Forster gehören ebenso zu seinem Netzwerk wie Johannes Schweiger, Leiter der Abteilung Justiziariat im Land Tirol. Ihnen machte Schöpf ein Verfahren schmackhaft, das er selbst über Jahre hinweg bei lokalen Bauprojekten in zahlreichen Tiroler Gemeinden angeboten hatte: einen so genannten „wettbewerblichen Dialog“, bei dem ein Totalunternehmer beauftragt wird. Dabei wird im Dialog mit den potenziellen Auftragnehmern das Projekt möglichst klar definiert. Am Ende steht das Angebot einer Gesamtsumme, für die der Totalunternehmer den Bau realisiert - all inclusive mit Kosten- und Termingarantie. „Das Land Tirol hat seine Verantwortung als Bauherr damit einfach abgegeben“, sagt Georg Willi, der als Grüner Bürgermeister von Innsbruck von 2018 bis 2024 hautnah dabei war. Und: „Anwalt Schöpf verfolgt eine Agenda, er verkauft seine Ware. Das ist sein gutes Recht. Aber dass sich die Bau-Abteilung des Landes von ihm einkochen lässt, ist völlig unverständlich.“
Für Schöpf zahlte sich die Überzeugungsarbeit aus: Er lukrierte einen weiteren Auftrag des Landes. Schöpf erhielt im Mai 2019 den Zuschlag für die „rechtliche Betreuung eines Vergabeverfahrens“, mit dem ein Totalunternehmer gefunden werden sollte. In den Ausschreibungsunterlagen ist von einem „geschätzten Auftragswert“ von 130.000 Euro die Rede. Insgesamt hat Schöpf am MCI aber weit mehr verdient. Wieviel genau, ist schwer zu sagen.
Neos-Politiker Dominik Oberhofer versucht seit Jahren, sich davon ein Bild zu machen und hat regelmäßig Anfragen dazu gestellt. Auch an Georg Dornauer (SPÖ), der als Nachfolger von Johannes Tratter von Oktober 2022 bis Dezember 2025 in der Landesregierung unter Landeshauptmann Anton Mattle das Wohnbauressort verantwortete. Im April 2024 gab Dornauer in einer Anfragebeantwortung die Anzahl der verrechneten Stunden von externen Beratern beim Projekt MCI mit unglaublichen 16.114 an. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Advokatur Dr. Herbert Schöpf allein für das erste Projekt etwas mehr als 400.000 Euro in Rechnung gestellt. „Seither bekommen wir unter Verweis auf Datenschutz keine Zahlen mehr vom Land“, sagt Dominik Oberhofer. Schöpf bestreitet, das große Geschäft rund um die MCI-Projekte gemacht zu haben. „Es werden insgesamt vielleicht 500.000 bis 600.000 Euro gewesen sein“, so der Anwalt gegenüber profil. Aufträge des Landes Tirol würden, entgegen anderslautenden Gerüchten, auch nur einen Bruchteil seines Umsatzes ausmachen. Immerhin: Der Bilanzgewinn der Advokatur Dr. Herbert Schöpf Rechtsanwalts GmbH ist von rund einer halben Million Euro im Jahr 2017 auf 2,6 Millionen Euro im Jahr 2024 angewachsen.
Die Hochschule MCI steht weiterhin mit leeren Händen da. Anfang 2021 erhielt eine Arbeitsgemeinschaft der Unternehmen Porr und Ortner den Auftrag, den MCI-Campus bis 2024 zu realisieren. Das Auftragsvolumen lag mit 135 Millionen über der Summe, die einst als kolportierte „Kostenexplosion“ für den Abbruch des ersten Projekts ventiliert worden waren. Und das, obwohl die Nutzfläche des zweiten Projektes geringer war als die ursprüngliche.
Auch der vom Büro Henning Larsen geplante Entwurf wurde nie umgesetzt. Trotz der angepriesenen Kosten- und Termingarantie kam das Projekt nie über die Vorentwurfsphase hinaus. Mit Verweis auf die gestiegenen Baukosten hatte die Hochbauabteilung des Landes Tirol 2023 die Kostenschätzung auf 250 Millionen Euro hochgeschraubt.
„Ich hatte nicht das Gefühl, dass noch der politische Wille da ist“, erinnert sich der damalige Landesrat Georg Dornauer. Einen letzten Versuch unternahm Dornauer noch und ließ von einem Sachverständigen prüfen, ob die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) ohne Neuausschreibung das Projekt übernehmen könnte - und das vielleicht sogar billiger.
Noch bevor das Gutachten fertig war, erklärte Landeshauptmann Anton Mattle die Diskussion rund um den Neubau für beendet. „Nach jahrelangen Diskussionen, aufgrund rechtlicher Bedenken und in Anbetracht der angespannten finanziellen Situation der Gemeinden und des Landes wird das Projekt nicht weiterverfolgt“, so Mattle im Dezember 2024. Wenige Tage später wurde bekannt, dass der Vergaberechtler Michael Breitenfeld die Variante mit der BIG als rechtlich zulässig beurteilt hatte.
Gerichts- und Vergleichskosten, Planung, externe Berater sowie Aufwendungen für Mieten ergeben mittlerweile Ausgaben von 24 Millionen Euro, hat der Neos-Abgeordnete Dominik Oberhofer errechnet. Jetzt will Landeshauptmann Anton Mattle bestehende MCI-Standorte sanieren lassen. Angeblich existiert sogar ein Gutachten, das der Sanierung unglaubliche Kostenersparnisse gegenüber den Neubauplänen bescheinigt. Die Studie wird allerdings unter Verschluss gehalten.
Advokat Herbert Schöpf wird dem Land wohl auch bei dieser Variante beratend zur Seite stehen.