Wie ist die Maul- und Klauenseuche zu Ihnen gekommen?
Paul Meixner
Die Maul- und Klauenseuche ist Anfang März in der Nähe von Györ ganz plötzlich aufgetreten. Normalerweise beginnt so ein Seuchenzug ja irgendwo. Aber es gab in keinem Nachbarland auch nur ein Anzeichen dafür. Für mich ist das deswegen total überraschend gekommen, bei uns ist der letzte Ausbruch 50 Jahre her.
1973 ist die Maul- und Klauenseuche das letzte Mal in Österreich grassiert.
Meixner
Ich war noch ein Kind, aber ich kann mich erinnern: Die Schweine sind alle vom Tierarzt angeschaut worden und dann mit dem Zug von Nickelsdorf ohne Zwischenstation zum Schlachthof St. Marx gefahren worden. Dort sind die Waggons dann desinfiziert worden. Es hat geheißen: So haben wir die Versorgung von Wien sichergestellt.
Und in Nickelsdorf?
Meixner
Bei uns im Ort hat es keinen einzigen Fall gegeben. Dass man alle kranken Tieren tötet, war früher auch nicht üblich. Vor 25 Jahren gab es einen großen Seuchenzug in England, da hat man das zum ersten Mal gemacht. Die Krankheit ist ja für Menschen völlig ungefährlich, nur Paarhufer werden befallen. Laienhaft gesprochen ist das wie eine Herpes-Infektion: Die Tiere bekommen Blasen im Mundbereich, die Haut schält sich. Bei Milchkühen kann sich der Euter entzünden. Das ist sicher schmerzhaft für die Tiere, in der Regel aber nicht tödlich.
Ihr Hof war der zweite, bei dem die Maul- und Klauenseuche festgestellt wurde. Kennen Sie den Bauernhof, wo es begonnen hat?
Meixner
Ja, klar. Ich kenne alle Großbetriebe in der Umgebung, so viele sind das ja nicht. Aber der letzte persönliche Kontakt ist ewig her. Ich kann ausschließen, dass das Virus auf direktem Weg von diesem Hof zu uns übertragen worden ist.
Wie sonst?
Meixner
Die ungarischen Behörden untersuchen das gerade. Ich selbst bin acht Stunden lang befragt worden.
Was wollten die wissen?
Meixner
Alles: Wer arbeitet hier? Wie sind die Arbeitsabläufe am Hof? Wer ist wofür zuständig? Und dann wollten sie natürlich wissen, wer mit den anderen betroffenen Höfen in Kontakt war. Nur dass hier kein falscher Eindruck entsteht: Ich unterstütze das total! Bis jetzt gibt es keinen Anhaltspunkt, woher das gekommen ist. Ich bin mir nicht sicher, ob wir das überhaupt je erfahren werden. Manche sprechen von „Bioterrorismus“.
Also, dass jemand das Virus absichtlich verbreitet hätte. Darauf gibt es aber keine Hinweise. Ist das nicht einfach eine Verschwörungstheorie?
Meixner
Davon war ich auch überzeugt. Was ich nicht verstehe: Die Seuche ist nur bei großen Betrieben festgestellt worden, die teilweise mehr als 50 Kilometer voneinander entfernt sind. Dazwischen liegen etliche kleine Bauernhöfe, die sicher nicht so hohe hygienische Standards einhalten. Von denen hat es keinen erwischt.
Wenn wir schon spekulieren: In der Gegend glauben viele Leute, dass die Seuche durch Gastarbeiter eingeschleppt wurde. Viele Ihrer Angestellten stammen aus Indien. Wie kommt das?
Meixner
Es ist schwere Arbeit, und man muss die Arbeit mit Tieren auch mögen. Früher haben wir Leute aus der Region beschäftigt. Die sind in Pension gegangen, die nächste Generation wollte sich das nicht mehr antun. Saisonarbeiter aus Rumänien oder der Ukraine werden in Österreich und Deutschland besser bezahlt. Über die Weihnachtsfeiertage hat mein Sohn dann manchmal 36 Stunden am Tag durchgearbeitet.
Aber wie sind Sie ausgerechnet auf Arbeitskräfte aus Indien gekommen?
Meixner
Ich habe das bei einem anderen Betrieb in Ungarn mitbekommen, der über eine Agentur Arbeiter aus Indien beschäftigt hat. Damit wir uns richtig verstehen: Das ist ein extrem gut kontrollierter Prozess. Sie müssen diese Jobs erst Monate lang in Ungarn ausschreiben, bevor Arbeitskräfte aus Drittstaaten in Frage kommen. Jeder von diesen Mitarbeitern ist registriert, hat eine Aufenthaltsgenehmigung und einen Personalausweis.
Wie lange bleiben die Leute bei Ihnen?
Meixner
Vor drei Jahren sind die ersten Inder gekommen. Die Arbeitsgenehmigung gilt in der Regel für ein Jahr, dann gehen sie nach Hause auf Urlaub. Und die meisten kommen dann wieder zurück.
Wie haben die indischen Mitarbeiter reagiert, als die Rinder getötet wurden?
Meixner
Wir alle haben geweint. Wir sind zusammengestanden und ich habe den Leuten versprochen, dass keiner entlassen wird. Darauf haben sie gesagt, dass sie in der Situation auf ihr Gehalt verzichten, solange sie genug Geld fürs Essen bekommen.
Haben Sie das Angebot angenommen?
Meixner
Nein.
Was haben Sie gemacht, als Sie vom ersten Ausbruch gehört haben?
Meixner
Ich bin zur Veterinärbehörde nach Györ gefahren und habe gefragt, was ich tun soll. Die haben mich an den Amtstierarzt verwiesen, der wisse eh alles.
Moment. Die Maul- und Klauenseuche bricht aus und die ungarischen Behörden haben die Viehhalter in der Umgebung nicht informiert, was sie zu tun haben?
Meixner
Nein, ich bin selbst hingefahren und habe gefragt.
Und dann?
Meixner
Ich habe mit dem Amtstierarzt gesprochen. Der hat Tests bei zehn Prozent aller Tiere angeordnet. Das ist eine Woche nach dem ersten Ausbruch passiert. Alles in Ordnung.
Ist das bei allen Betrieben in der Umgebung passiert?
Meixner
Ich weiß es von allen größeren Betrieben in der Gegend. Bei uns ist dann nach etwa zehn Tagen die zweite Untersuchung durchgeführt worden. Der Betriebstierarzt hatte schon alle Blutproben gesammelt und war auf dem Weg zum Labor. Mein Sohn, der den Betrieb leitet, hat dann entdeckt, dass ein Kalb ein wenig Schaum vorm Maul hat.
Eines der Anzeichen für die Maul- und Klauenseuche.
Meixner
Ja. Wir haben sofort den Amtsveterinär benachrichtigt, der war eine halbe Stunde später da. Es sind dann alle Tiere angeschaut worden, und tatsächlich hatten fünf Tiere sichtbare Anzeichen. Von denen wurden extra noch Blut- und Speichelproben entnommen. Am nächsten Tag haben wir die Mitteilung bekommen, dass auf unserem Betrieb Maul- und Klauenseuche festgestellt worden ist.
In Ihren Stallungen waren damals ungefähr 3000 Rinder. Wie geht es einem da?
Meixner
Die Gedanken rasen in deinem Kopf: Du weißt nicht, was du tun sollst. Wir sind informiert worden, dass alle Tiere am nächsten Tag eine Schutzimpfung bekommen.
In der EU ist es verboten, Tiere gegen die Maul- und Klauenseuche zu impfen. Die Ausnahme sind Betriebe, wo es einen Ausbruch gibt. Damit die Tiere nicht mehr so ansteckend sind.
Meixner
Ja. Am Mittwoch haben wir die Nachricht bekommen, dass wir die Maul- und Klauenseuche am Betrieb haben. Donnerstag und Freitag sind unsere 3000 Jersey-Rinder durchgeimpft worden. Am Samstagabend ist dann ein Mail von den Behörden gekommen.
Was ist dringestanden?
Meixner
Dass der gesamte Tierbestand gekeult werden muss. Es war grotesk: In der Nähe von Hegyeshalom wurde auf Veranlassung der Behörden auf staatlichem Grund eine Grube für die Kadaver ausgehoben. Es hat geregnet. Die Lkw, die die Tiere wegbringen sollten, sind steckengeblieben. Am Montag ist es dann losgegangen.
Können Sie beschreiben, wie das war?
Meixner
Diesen Tag wird keiner je vergessen können, der dabei war. Das war emotional unglaublich hart, überhaupt für meinen Sohn, der am Hof lebt. Ein Fleischer hat die Rinder getötet, daneben stand ein Tierarzt, der das überwachen muss und den Schussapparat lädt. Der eine schlachtet normalerweise Tiere ausschließlich für den Verzehr, der andere kümmert sich um ihr Wohlergehen. Die haben beide geweint wie kleine Kinder. Dafür gibt es keine Worte.
Es hat mehr als zehn Tage gedauert, bis alle 3000 Tiere getötet wurden.
Meixner
Ja.
Gibt es staatliche Unterstützungen?
Meixner
Es gibt ein Moratorium von den Banken, dass die Rückzahlungen für Kredite ein Jahr pausiert werden. Nach diesem Jahr sind die Schulden genau so groß, und in dieser Zeit haben Sie nichts verdient.
Wie viele Tiere haben sie jetzt?
Meixner
Null.
Wenn Sie neu starten wollen - wie viele Tiere brauchen Sie dann?
Meixner
Mindestens 2.000 in verschiedenen Altersgruppen, wenn ich in absehbarer Zeit wieder auf dieselbe Größe kommen will.
Sie müssten also 2000 Rinder kaufen, was kostet das?
Meixner
Um die zwei Millionen Euro.
Dazu kommen Verdienstausfall, Desinfektion des gesamten Betriebes, Vernichtung von Futter - wie groß ist der gesamte Schaden?
Meixner
Ich weiß es wirklich nicht, mindestens sechs Millionen Euro. Wir haben zehn Jahre gebraucht, bis wir Gewinne geschrieben haben. Im April haben wir das Milchgeld vom März noch bekommen und damit unsere Kosten decken können. Es sind noch Förderungen für den landwirtschaftlichen Betrieb ausständig. Wenn wir die bekommen, ist der Mai abgedeckt. Die erste Getreideernte können wir Ende Juni verkaufen. Wir retten uns also von Monat zu Monat.
Was bleibt unterm Strich derzeit?
Meixner
Wir schreiben jeden Monat ein Minus von 120.000 Euro.
Werden Sie entschädigt?
Meixner
Ja, schon. Aber wie hoch die Entschädigung ist, kann mir keiner sagen. Für uns stellt sich die Frage, ob wir weitermachen sollen. Ich selbst bin ja schon in Pension und nur noch ein Helfer auf der Farm. Ich habe meine Söhne gefragt.
Und?
Meixner
Sie wollen weitermachen.