„Das kleinere Übel“

OeNB-Gouverneur Nowotny: „Das kleinere Übel“

Interview. OeNB-Gouverneur Nowotny sieht sich durch Reaktion von Moody‘s auf das Hypo-Sondergesetz bestätigt

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Interview: Ulla Kramar-Schmid und Michael Nikbakhsh

profil: Herr Gouverneur, die Ratingagentur Moody’s hat die Bewertung der Verbindlichkeiten österreichischer Banken herabgestuft. Als Grund wird unter anderem das Hypo-Sondergesetz genannt, das laut Moody’s die Interessen der Steuerzahler über jene der Anleihegläubiger stellt. Moody’s sieht darin ein starkes Signal dafür, dass es der Regierung an Glaubwürdigkeit fehle.
Ewald Nowotny: Die Ratingänderungen sind im Einzelfall ja differenziert erfolgt, die Garantien der Republik werden voll anerkannt. Die Regierung hat auch bekräftigt, dass ein Konkurs der Hypo Alpe-Adria nicht infrage kommt und es sich vielmehr um einen Sonderfall handelt. Die Entwicklung, die hier von Moody’s angeführt wird, geht von der EU-Wettbewerbsbehörde aus. Diese hat festgestellt, dass staatliche Beihilfen erst nach Gläubigerbeteiligung zulässig sind. Die Hypo Alpe-Adria ist davon aber nicht betroffen, weil die Regelung mit der EU-Kommission schon früher vereinbart wurde. Aber die europäische Linie geht eindeutig in diese Richtung, wie das Beispiel Slowenien zeigt. Unabhängig davon sind in den neuen Abwicklungsregelungen der EU ebenfalls Bail-in-Klauseln vorgesehen. Diese werden spätestens mit 1. Jänner 2016 wirksam.

profil: Was heißt das Moody’s-Downgrade für das Hypo-Sondergesetz?
Nowotny: Es zeigt sich, dass die Einbeziehung von Gläubigern mit Risiken verbunden sein kann, worauf die OeNB in ihrer Stellungnahme auch hingewiesen hat. Die OeNB hat daher auch die spezielle Notwendigkeit einer umfassenden Information über den Sondercharakter der vorgeschlagenen Maßnahmen betont. Da es nur um eine sehr
eingeschränkte Gläubigerbeteiligung geht, glaube ich, dass es sich auf die tatsächlichen Refinanzierungskosten nicht wesentlich auswirken wird. Die Märkte wissen, dass die österreichischen Banken insgesamt solide und gesund sind.

profil: Das Gesetz wird also kommen?
Nowotny: Das haben wir nicht zu entscheiden. Ich sehe aber keine wesentlichen ökonomischen Auswirkungen.

profil: Sie haben namens der OeNB wiederholt vor den negativen Auswirkungen einer Insolvenz der Hypo Alpe-Adria auf den Finanzplatz Österreich gewarnt. Sie führten dabei unter anderem den drohenden Vertrauensverlust ins Treffen.
Nowotny: Das ist auch weiterhin die Meinung der OeNB. In unserem Schreiben an den Herrn Finanzminister haben wir nachdrücklich begrüßt, dass sich die österreichische Bundesregierung für einen geordneten Abbauprozess und gegen eine Insolvenz ausgesprochen hat.

profil: Mit dem geplanten Hypo-Sondergesetz, das unter anderem das Erlöschen bestimmter Anleihetranchen mit Kärntner Landeshaftung vorsieht, tritt genau dieser Vertrauensverlust ein.
Nowotny: Dort, wo eine Heranziehung von Gläubigern ohne Konkursverfahren rechtlich möglich ist, gibt es in der Tat eine schwierige Entscheidungslage. Wir haben in unserer Stellungnahme auch vor entsprechenden Risiken gewarnt und deshalb darauf hingewiesen, dass es gerade gegenüber Kapitalmärkten und Ratingagenturen von größter Bedeutung ist, dass es sich hier um einen speziellen, abgegrenzten Fall handelt, aber nicht um ein Abgehen von der generellen Linie. Ich meine, es wäre auch im Interesse der österreichischen Kreditwirtschaft, das zu betonen.

profil: Sie haben am 9. März in der ORF-„Pressestunde“ gesagt: „Die Kärntner Landeshaftungen gelten als mündelsicher. Steht man dafür nicht gerade, kommen Grundlagen des Finanzsystems ins Wanken.“ Das scheint nicht mehr zu gelten.
Nowotny: Für die OeNB und für mich persönlich gilt unverändert, dass wir uns aus genau diesen Gründen gegen eine Insolvenz aussprechen. Man muss ja hier unsere Stellungnahme an das Finanzministerium im Gesamtzusammenhang sehen. Wir waren in die Entstehung dieses Gesetzes nicht eingebunden, sondern wurden nur gebeten, zu Fragen der Finanzmarktstabilität und der Kapitalmärkte Stellung zu nehmen. Wenn man von der rechtlichen Möglichkeit und damit unter Umständen sogar rechtlichen Verpflichtung zur Gläubigereinbeziehung in bestimmten Fällen ausgeht, so ist jedenfalls eine genau abgegrenzte und spezifische Vorgangsweise unter Aspekten der Finanzmarktstabilität auch unter Berücksichtigung der möglichen Risiken noch immer weniger problematisch als ein Konkurs mit seiner ungleich größeren Dimension und seinen umfassenden Wirkungsketten. Aber natürlich – im Fall der Hypo Alpe-Adria gibt es keine perfekten Lösungen, hier geht es eher um das kleinere Übel.

profil: Schon vor Moody’s warnte auch die Ratingagentur Standard & Poor’s, dass der partielle Ausfall von Verbindlichkeiten der Hypo die Bonität von vier Bundesländern und mehrerer Großbanken aufs Spiel setze. Wie lässt sich das mit Finanzmarktstabilität vereinbaren?
Nowotny: Das muss man differenziert sehen. Es geht nicht um die Bonität als solche, sondern um Fragen der Einstufung. Ganz unabhängig vom geplanten Gesetz stellt sich auf jeden Fall die Frage, ob es ökonomisch sinnvoll ist, von einer impliziten unbegrenzten und auch kostenlosen Garantie des Bundes für alle Bundesländer auszugehen, oder ob nicht klare Regelungen bezüglich Haftungsübernahmen und Eigenverantwortung geschaffen werden sollten. Die OeNB hat mehrmals auf dieses Problem hingewiesen. Immerhin betrugen die ausgewiesenen Haftungsübernahmen von Ländern und Gemeinden Ende 2011 in Summe 77,2 Milliarden Euro, wobei auch das wahrscheinlich nicht das gesamte Volumen umfasst. Was den Bankbereich betrifft, ist festzuhalten, dass Ratingänderungen viele Ursachen haben können. Bei den Bundesgarantien hat sich aber jedenfalls überhaupt nichts geändert. Es hat mich aber schon etwas überrascht, mit welcher Selbstverständlichkeit der von mir sehr geschätzte Herr Generaldirektor Cernko (Anm.: Willibald Cernko, Vorstandsvorsitzender der Bank Austria) generell von einer impliziten, unbegrenzten Staatsgarantie für Banken gesprochen hat, welche die Refinanzierungskosten der Banken um bis zu 1,5 Milliarden Euro verbilligt. Die Republik hat bewiesen, dass sie bereit und fähig ist, wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten zu entsprechen. Automatismen entsprechen aber nicht dem Stand der europäischen Diskussion, umso mehr als sich der vorliegende Gesetzesentwurf ja nur auf einen sehr abgegrenzten Bereich bezieht.

profil: Der abgegrenzte Bereich, wie Sie es nennen, ist aber sehr willkürlich gewählt. Es sind noch nicht einmal alle nachrangigen Anleihen mit Landeshaftung vom Schuldenschnitt betroffen. Und die nachrangigen Titel mit Bundeshaftung bleiben ebenfalls außen vor.
Nowotny: Die Abgrenzung erfolgte nach juristischen Aspekten von den dafür zuständigen Experten. Für uns als Notenbank ist vor allem wichtig, dass klar festgehalten wurde, dass Bundeshaftungen in völlig unveränderter Form gelten.

profil: Einmal ist immer das erste Mal. Was bedeutet dieser Ausnahmefall für die Qualität von Landeshaftungen insgesamt?
Nowotny: Die wurden ja nicht generell infrage gestellt. Es gibt in Summe noch über zwölf Milliarden an Landeshaftungen für die Hypo Alpe-Adria, die von dieser Maßnahme unberührt sind. Ein Konkurs der Bank hätte unweigerlich auch zum Konkurs des Landes Kärnten geführt. Und genau davor haben wir gewarnt.

profil: Für die Inhaber der betroffenen Anleihetranchen kommt die Vorgehensweise aber einem Konkurs gleich. Sie müssen sich auf einen Totalausfall einstellen.
Nowotny: Es handelt sich hier um rund 900 Millionen nachrangige Anleihen gegenüber Gesamthaftungen des Landes Kärnten von rund 12 Milliarden. Aber allein die jetzige Diskussion zeigt schon, dass man die negativen Folgen einer Konkursvariante nicht unterschätzen darf, was bei manchen Kritikern leider noch immer der Fall ist.

profil: Die Uniqa-Versicherungsgruppe hat in einer ersten Reaktion darauf hingewiesen, dass sie vermeintlich mündelsichere Hypo-Anleihen im Volumen von 35 Millionen Euro in den Deckungsstock der Lebensversicherung eingestellt hat. Der Schuldenschnitt trifft in diesem Fall also die Versicherungsnehmer und nicht etwa die Versicherung. Wie stehen Sie dazu?
Nowotny: Das Problem stellt sich bei jeder Gläubigerbeteiligung. Das ist ja auch das, wovor ich in der Diskussion um die Insolvenz der Hypo gewarnt habe: Man darf hier nicht den Anschein erwecken, es seien nur böse Spekulanten am Werk gewesen. So wie das manche politische Gruppierungen tun. Es geht eben um Gläubiger sehr unterschiedlicher Art.

profil: Sie weichen aus.
Nowotny: Wir haben in unserer Stellungnahme auch auf die besondere Problematik von Anleihen hingewiesen, die nach der Gesetzeslage als mündelsicher gelten. Hier sind Fragen der Abgrenzung und der Kommunikation besonders sensibel.

profil: So restlos überzeugt klingen Sie aber nicht.
Nowotny: Es gibt eine klare, vom Direktorium beschlossene Stellungnahme der OeNB. Und da sind wir bei der Hypo Alpe-Adria nach all dem, was geschehen ist, eben mit einer Situation konfrontiert, wo es immer um schwierige Abwägungsfragen geht. Wir haben in unserer Stellungnahme daher auch abschließend festgehalten, dass aus unserer Sicht die Zielsetzung einer Beitragsleistung Dritter zu den mit der Abwicklung der Hypo Alpe-Adria verbundenen Kosten für den Steuerzahler eine durchaus nachvollziehbare ist. Die Umsetzung dieser Ziele durch gesetzlichen Eingriff ist aber mit Risiken verbunden, die wir auch dargestellt haben.
Daher ist es besonders wichtig, dass von Seiten des Bundes klar festgestellt wird, dass es sich bei diesem Eingriff um einen juristisch bedingten einmaligen Sonderfall handelt und der Bund unbeschränkt zu seinen Verpflichtungen steht. Und darüber hinaus haben wir betont, dass das im März 2014 beschlossene Abbaukonzept für die Hypo Alpe-Adria möglichst rasch umgesetzt werden soll. Es geht ja nicht nur darum, die Lasten zu verteilen, sondern vor allem, sie möglichst gering zu halten.