Interview zum Thema: Zahlungsmoral in Österreich

Mag. Hans Musser, Geschäftsführer AKV EUROPA, Im Interview zum Thema Zahlungsmoral in Österreich

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Die Zahlungsmoral ist in Österreich im internationalen Vergleich vorbildlich, aber dennoch wird jede fünfte Rechnung verspätet beglichen. Welche Unternehmen/Branchen sind davon am meisten betroffen?
Grundsätzlich kann man sagen, dass in Branchen, in denen wenige Marktteilnehmer große Einkaufsvolumina haben, ihre beherrschende Rolle natürlich auch ausnützen. Auf der anderen Seite kann dort der Lieferant von einer großen Sicherheit ausgehen, seine Warenlieferung auch bezahlt zu bekommen. Am Privatsektor sind nach wie vor die Konsumgüter im Versandhandel am stärksten betroffen.

Was können oder sollten Unternehmen tun, um von ihren Kunden fristgerechtere Zahlungen zu bekommen?
Die Praxis zeigt, dass Kunden zahlungsfreudiger sind, wenn Lieferanten ein sehr striktes Forderungsmanagement haben. In anderen Worten: in kurzen Abständen 2.Mahnungen, bei der dritten Mahnung die Einschaltung eines externen Spezialisten ankündigen und dies wirklich auch umsetzen, wenn darauf nicht reagiert wird. Bei Kunden, die dem AKV regelmäßig die Betreibung übergeben, sieht man innerhalb kurzer Zeit die „Lernkurve“ der Schuldner. Es wird dann nachhaltig rasch gezahlt.

Bemerkenswert ist, dass die Zahlungsdauer von Privatpersonen, verglichen mit der von Unternehmen und der öffentlichen Hand, am besten ist. Wie erklären sich diese Divergenz und besonders die überdurchschnittlich lange Zahlungsdauer des Bundes und der Länder?
Die überdurchschnittlich lange Zahlungsdauer des Bundes und der Länder hat – obwohl man hier mittlerweile Verbesserungen feststellen kann – jahrzehntelange Tradition. Dies wird sicherlich auch mit der langen Zeit, als es sehr hohe Kreditzinsen gab, zusammenhängen, da ein sogenannter „Lieferantenkredit“ damals die günstigste Finanzierung war. Lange Prüffristen und mitunter ein schwerfälliger Beamtenapparat tragen nicht zur Verbesserung der Situation bei. Privatpersonen, die bei oftmaligem Zahlungsverzug rasch ein schlechteres Rating bekommen, können bzw. wollen sich dies nicht leisten.

Nach der eigentlichen Zahlungsfrist beginnt die Phase der Mahnungen. Wie reagieren die Kunden auf Mahnspesen bzw. Verzugszinsen? Sind sie taugliche Mittel, um die Außenstände – zuzüglich Spesen und Gebühren - einzubringen?
Durch die Vorschreibung der Mahnspesen und Verzugszinsen – was ja nichts anderes ist, als den Schaden, der durch den Zahlungsverzug entsteht zu beziffern – wird dem Kunden oft erstmals klar, dass sein Lieferant nicht als günstiger Kreditgeber fungiert. Zahlungsverzug verursacht Kosten und diese müssen auch vom Verursacher getragen werden. Natürlich sind Kunden darüber nicht erfreut, vielfach gibt es aber auch Verständnis dafür, dass ein Lieferantenkredit genauso wenig kostenlos sein kann wie ein Bankkredit, noch dazu wenn dieser ohne Vereinbarung einseitig genommen wird. Da die gesetzlichen Verzugszinsen im Vergleich zu den Kreditzinsen auf hohem Niveau sind, sind diese ein durchaus taugliches Mittel die Bezahlung der Außenstände zu beschleunigen.

Auch nach Mahnungen werden in Österreich jährlich Rechnungen über rund 1,2 Milliarden Euro nicht bezahlt. In der Regel wird dann ein Inkassobüro eingeschaltet. Wie reagieren säumige Kunden darauf?
Gerade bei längeren Geschäftsbeziehungen werden die Mahnungen des Geschäftspartners nicht immer ernst genommen. Auch bei Erstkunden wird ganz absichtlich die „3.Mahnung“ abgewartet, bis die Einzahlung erfolgt. Durch die Einschaltung eines Inkassobüros wird dem Kunden rasch klar, dass eine weitere Verzögerung nicht hingenommen wird und dass der Kunde auch für den Schaden, der durch den Zahlungsverzug verursacht wird, gerade stehen muss. Dies bewirkt oftmals ein rascheres Einlenken des Kunden, als wenn weitere Mahnschreiben vom Geschäftspartner verschickt werden. Kunden sehen die Möglichkeit von Teilzahlungen durchaus positiv. Auch zur Klärung von Missverständnissen und Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Geschäftspartnern können Inkassobüros viel beitragen. Gleichzeitig kann dadurch aber auch der Weg zum Gericht vermieden werden, was Zeit und Kosten spart und die Gerichte entlastet.

Wie steht es um die Erfolgsrate von Inkassobüros? Vergrämt man sich nicht Kunden, wenn man sie mit einer Inkasso-Forderung konfrontiert?
Der Alpenländische Kreditorenverband ist nicht einfach nur als Inkassobüro zu sehen, sondern ein staatlich bevorrechteter Gläubigerschutzverband, bei dem die Forderungsbetreibung nur eine Sparte seiner Aktivitäten darstellt. Wir beschäftigen uns mit Wirtschaftsauskünften, der Betreibung von offenen Forderungen bis hin zur Insolvenzvertretung, wo wir uns bemühen für die Gläubiger den entstandenen Schaden bestmöglich zu minimieren. In vielen Fällen reicht ein erstes Schreiben des AKV, das wir beauftragt wurden, um eine schnelle Zahlung auszulösen. Unsere Mitarbeiter/innen sind speziell ausgebildet und unsere Zielsetzung ist selbstverständlich nicht in der Beziehung zwischen Lieferant und Kunden verbrannte Erde zu hinterlassen. In vielen Fällen dienen wir als Mediator zwischen Lieferant und Kunden und können eine bereits verfahrene Gesprächsbasis wieder in die richtigen Bahnen bringen.

1,5% bis 2% aller Unternehmensumsätze müssen am Ende trotz aller Bemühungen doch noch ausgebucht werden. Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung angesichts des Wirtschaftsabschwungs ein?
In den letzten beiden Jahren, wo aufgrund der positiven Wirtschaftsentwicklung die Arbeitslosenrate abgenommen hat und mehr Leute wieder eine Beschäftigung gefunden haben, konnte man eindeutig feststellen, dass Schuldner, sobald der AKV sich in die Betreibung eingeschalten hat, meist rasch außergerichtlich ihre offenen Rechnungen beglichen haben. Sofern Menschen ein geregeltes Einkommen haben, sind sie Großteils auch bereit ihre Verbindlichkeiten zu regeln. Mit dem Wirtschaftsabschwung wird es sicher auch wieder zur Freisetzung von Arbeitskräften kommen, was wiederum vermehrt dazu führen wird, dass getätigte Investitionen nicht mehr zurückbezahlt werden können. Darum ist eine solide kaufmännische Vorsicht bei allen Unternehmen sicher angebracht.

Eine Zinswende ist derzeit zwar nicht in Sicht, aber wie würden sich steigende Zinsen auf die Zahlungsausfälle in Österreich auswirken?
Sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen, die dzt. aufgrund der absolut niedrigen Zinslage mit Krediten noch handlungsfähig sind, werden mit dem Ansteigen der Zinsen ziemlich rasch in die Situation kommen, dass sie weder aufgenommene Kredite noch andere Verbindlichkeiten bedienen können werden. Wir rechnen dann mit einem sehr raschen Ansteigen sowohl der Privat- als auch der Firmenkonkurse.

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