Autodrom: David Staretz

Autodrom: David Staretz Das Auto als App

Das Auto als App

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70 Millionen Autos sollen 2014 verkauft werden. Andere Quellen sprechen von 83 Millionen. Offenbar sind es zu hohe Zahlen, um sie Menschen zu überantworten. Dazu gleich noch ein bisschen Statistik von Worldwide-Datas.com:

Im Jahr 2010 überstieg die Anzahl der Autos (Pkw, Lkw, Busse) auf der Erde die Milliardengrenze. Bis 2015 soll sich deren Anzahl auf fast 1,2 Milliarden erhöhen.

Dumm gelaufen. Auf diese Tour schafft sich das Auto selber ab. Doch es wird ein langes Sterben. Erst müssen wir noch elektrisch … Darüber ein anderes Mal mehr, der Tesla S ist schon bestellt.

Heute möchte ich den Begriff CarPlay erläutern, der erstens wieder einmal die Überlegenheit der englischen Sprache in Dingen des Alltags beweist (AutoSpiel hätte geringe Durchsetzungskraft), zweitens den Vormarsch der Binnen-Großbuchstaben fördert und drittens genau dort ansetzt, wo das Automobil zusehends seine letzten Silben zu verlieren droht. Das Selbst genügt immer weitgehender - die Transporttätigkeit, die Mobilität wird zunehmend den Elektronica überantwortet, das nicht dingliche Raum-Vermitteln drängt zunehmend in den Vordergrund, "während wir im Stau stehen“, hätte man vor ein paar Jahren sich noch bemüßigt gefühlt zu ätzen. Inzwischen ist alles basisch geworden, und wenn ich an Leute denke, die vor zwölf Jahren ihren Anrufbeantworter noch als "mein Blechtrottel“ bezeichneten oder sich per Menschenwürde weigerten, auf solchen zu sprechen - wo sind sie heute? Auf Skype.

Man kann heute so schnell ins gestrige Fach rutschen, dass man zunehmend auf der Hut sein muss, um auf dem Laufenden zu bleiben. Und jene, die es nicht tun, geraten lediglich in Vergessenheit. Loser am Wegesrand. Hast du kein Internet, kannst du bald kein Auto mehr betreiben. Und was ist mit der herzigen Angst vor Elektrosmog? Stromfrei geschaltete Schlafzimmer? Ha! Bald werden unsere Autos unter Induktion stehen wie Zitteraale.

Durch die Verkomplizierung der Welt ist es auch immer komplizierter geworden, sich ihr zu verweigern. Wer gegen das Internet sein möchte, muss es erst verstehen. Reine Verweigerung genügt nicht.

Bald wirst du ohne PIN und Passwort keinen Marsriegel mehr aus dem Bahnhofsautomaten ziehen können. Aber keinen zu bekommen, ist halt auch keine Protesthaltung. Wird nicht honoriert.

Also CarPlay, vorgestellt in Genf beim Automobilsalon. Damit wird neuerdings das Apple-Kommunikationsnetz ins Auto geholt und dort als Update von iOS 7 integriert. Alles, was iPhone (ab Typ 5) kann, kann dann unser Volvo, Mercedes, Ferrari bald auch. Und der Bildschirm ist größer! Weitere Marken folgen. Volkswagens nicht, denn die favorisieren ein anderes System, MirrorLink. (Jenes kann gut mit Google - Audi und Toyota nutzen seit Längerem Bilder aus Google Earth und StreetView in ihren Navigationssystemen. Sie sind Teil der Open Automotive Alliance, die das Android-System noch heuer ins Auto holen möchte.)

Damit man nicht zu sehr ins ab-lenkende Bildschirmbefingern verfällt, wird am besten Siri vorgeschaltet, die sekretarielle Roboterfunktion ohne Roboter. Versteht sogar American English. Es werden neben bekannten Funktionen wie Anrufe tätigen, Mails lesen (oder vorgelesen bekommen) auch Spotify und iHeart-Radio angespielt. Allerdings scheint eine Annäherung an die Killer-App Google Maps im Apple-System nicht zustande zu kommen. (Stattdessen kaufen sie möglicherweise den Elektroautofabrikanten Tesla.)

Solche Implementierungen ins Auto sind natürlich nur ein Anfang (von vielen Anfängen) im Zuge der totalen Vernetzung. Microsoft mit Windows Embedded Automotive 7 hat sich die Partner Ford, Fiat, Kia und Nissan angelacht, und diese Einnistungswut hat natürlich umfassendere Hintergründe als unser automobiles Wohlergehen: In wenigen Jahren will bereits jeder Anbieter Geld mit E-Commerce-Geschäften verdienen, die direkt aus dem Auto heraus getätigt werden. Um dafür internationales Terrain zu schaffen, sollen die Roaminggebühren eliminiert werden, was mit Hilfe von Embedded Sims am leichtesten zu bewerkstelligen wäre: Die Karten bleiben im Auto und werden von außen umprogrammiert, damit man im Ausland zu einem einheimischen Anbieter wechselt und zu Lokalgebühren online ist.

Eine zukunftstauglich postalische Anwendung hat sich Volvo ausgedacht: dein Auto als Briefkasten. Demnach sollen Lieferdienste über einen digitalen Schlüssel herausfinden, wo das Auto gerade steht und das bestellte Versandpaket darin deponieren. Danach erlischt der Schlüsselzugang. In Echtzeit kann der Wagenbesitzer auf seinem Smartphone den Vorgang verfolgen. Das System basiert auf der Volvo-App namens Volvo On Call, deren Talente bisher darin liegen, das Auto per Smartphone (und Standheizung/Klimaanlage) vorzuheizen oder abzukühlen. In einem Pilotprojekt soll der Paketdienst sehr gut angekommen sein, sogar deutlich besser als ein konventioneller Heimliefer-Service. Frage: Wie erzähle ich das alles meinem Anrufbeantworter?

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