Cyberama: Facebook der Bürger

Warum wir eine neue Netz-Öffentlichkeit brauchen.

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Auf Facebook hat jeder eine Stimme. Man könnte meinen, das wäre gut für die Demokratie. Schließlich kann hier jeder quasi öffentlich sagen, was er oder sie will, von der Friseuse bis zum Akademiker. Für jedes noch so abseitige Thema, für jede politische Meinung gibt es auf Facebook einen Ort. Der Philosoph Jürgen Habermas definierte "Öffentlichkeit" einmal als ein "Netzwerk der Kommunikation", das zwischen dem politischen System und der Lebenswelt vermittelt. In Rede und Gegenrede kristallisiert sich die öffentliche Meinung heraus - das ist die Kernidee der modernen, deliberativen Demokratie. Mit diesem Idealmodell von Öffentlichkeit hat Facebook allerdings wenig zu tun. Das Problem ist weniger, dass Facebook Inhalte zensuriert. Es ist vielmehr die Architektur von Facebook.

Es wäre die Aufgabe der Politik, solche Plattformen zu schaffen. Sonst besiegelt Facebook das Ende der Demokratie, wie wir sie kennen.

Das Netzwerk bietet eine Vielzahl von Klein-und Kleinstöffentlichkeiten, von "Echokammern", in denen sich die Leute oft nur noch gegenseitig in ihren Meinungen bestätigen. Innerhalb solcher Echokammern gibt es keine Diskussionen mehr; zugleich kommunizieren die einzelnen Echokammern aber auch nicht miteinander. Facebook schafft somit eine Art von Quasi-Öffentlichkeit, in der zwar jeder seine Meinung sagen kann, aber nur innerhalb einer Gruppe, in der alle weitgehend dasselbe denken. Das scheinbar paradoxe Ergebnis ist, dass die Öffentlichkeit im Habermas'schen Sinne zerfällt, gerade weil jeder quasi-öffentlich mitreden kann. Wir brauchen daher eine neue Form von Öffentlichkeit im Netz, einen geschützten Raum für den politisch-gesellschaftlichen Diskurs - eine Art "Facebook der Bürger". Es wäre die Aufgabe der Politik, solche Plattformen zu schaffen. Sonst besiegelt Facebook das Ende der Demokratie, wie wir sie kennen. Wie denken Sie darüber? Bitte schreiben Sie mir unter [email protected]